"Novemberverbrecher "

Diese schwere politische Beschimpfung bezog sich auf den November 1918. Sie wurde ähnlich wie etwa auch die Wortbildungen ‚Novemberlumpen‘, ‚Novembersystem‘ oder ‚Novemberrepublik‘ von rechtsradikalen Parteien und Gegnern der Weimarer Republik, insbesondere von den Nationalsozialisten oft in politischen Auseinandersetzungen und Polemiken verwandt.

Zwar war die deutsche Niederlage im Ersten Weltkrieg tatsächlich von den Generalen der Obersten Heeresleitung zu verantworten, die selbst in aussichtsloser militärischer Lage dem Volk noch den Sieg versprochen hatten, dann aber die unausweichlichen Waffenstillstands- und -Friedensverhandlungen anderen überließen. Dennoch gelang es den Militärs bald, die Dolchstoßlegende zu verbreiten, wonach Verräter in der Heimat den erfolgreichen Frontkämpfern in den Rücken gefallen sein sollten, und dann die Schuld für die Folgen von sich weg und den ‚Novemberverbrechern‘ zuzuweisen.

Damit waren zunächst die „Umstürzler“ der Novemberrevolution von 1918 gemeint, die aufständischen Matrosen und Soldaten sowie die Sozialdemokraten, die in der chaotischen Lage vom letzten kaiserlichen Reichskanzler provisorisch Regierungsverantwortung übernommen und die ersten Wahlen für eine parlamentarische Demokratie ausgeschrieben hatten. Sodann wurden die Unterzeichner des Waffenstillstandsvertrags vom 11.11.1918 so tituliert, ebenso später jene Repräsentanten, die den Friedensvertrag von Versailles angenommen hatten, und letztlich alle, die für die Weimarer Demokratie einstanden.

Es blieb aber nicht bei verbalen Anschuldigungen, diese dienten in den frühen 1920er Jahren nur zu oft als Vorwand und vermeintliche Rechtfertigung für Fememorde an demokratischen Politikern wie Kurt Eisner, Matthias Erzberger und Walter Rathenau. Hitler nahm für sich früh in Anspruch, den Ausdruck selbst geprägt zu haben, er machte ihn zu einem ganz zentralen Element seiner Hetzpropaganda und bedrohte die angeblichen Novemberverbrecher mit der Todesstrafe, sobald die NSDAP an der Macht sei. Tatsächlich wurden unter dieser Etikettierung ab Februar 1933 KPD- und SPD-Mitglieder zu Zehntausenden verhaftet, in schnell eingerichteten Konzentrationslagern gefoltert und ermordet.