Der im Januar 1933 geborene Richard Danebrock wurde im November 1943 nach Nideggen in der Eifel verschickt, wo er blieb, bis sich 1944 die Front sich näherte. Die Teilnahme an der KLV, so Herr Danebrock, sei freiwillig gewesen und der Familie "sinnvoll" erschienen. Weiter erinnerte er sich:
"Den Alltag im Lager regelte ein sogenannter "Dienstplan".
Ein geregelter Tagesablauf war üblich, u.a. blieb in Erinnerung: Gute Verpflegung, geordneter Schulunterricht, Uniform tragen, Unterführer vom Dienst sein für jeweils einen Tag im Wechsel, Antreten, Exerzieren, Strafen (Liegestützen u.a.), Sport, Spiel, freiwilliger Gottesdienstbesuch (Wunsch der Mutter). Der Kontakt mit den Eltern wurde durch deren Besuch, vor allem an Feiertagen, aufrechterhalten, - aber nicht nur. Die Briefe wurden m.E. nicht kontrolliert.
Das Arbeitsklima im Lager erschien mir problemlos. Die "Tonangabe" richtete sich nach der Zuständigkeit, z.B. der Lagerleiter in der Schule, der Lagermannschaftsführer (LMF) im Bereich Freizeit, Sport u.a.
Unsere Heimkehr erfolgte beim Verlegen des Lagers Nideggen in den Osten Deutschlands, beim Näherrücken der Westfront. Auf dem Umsteigebahnhof Düren konnten meine Mutter und der Vater meines Freundes (Parteigenosse, weil städtischer Beamter) uns beide - trotz der Anwesenheit eines Bannführers - m.E. ohne Probleme mit nach Köln nehmen."
Zum Kriegsgeschehen hat Herr Danebrock folgende Erinnerungen: "Mir ist die Tragweite des Krieges nur begrenzt und kurzfristig zum Bewußtsein gekommen (Angst bei Bombenangriffen). Ansonsten: Mein Glaube an die Wunderwaffe des Führers war bis zum Kriegsende vorhanden. Abenteuerlich blieb mir unser nächtliches Spielen vor dem Bunkereingang in Köln bis zum Hauptalarm in Erinnerung."
Herr Danebrock stellte dem NS-Dokumentationszentrum sein KLV-Tagebuch im Rahmen eines Projekts zur KLV im Jahr 1999 zur Verfügung. Damals bestand leider noch nicht die Möglichkeit, auf schnelle und finanzierbare Art und Weise Reproduktionen anzufertigen. Daher liegen hier lediglich herkömmliche Kopien des Lagertagebuchs vor.
Niedeggen, den 15.1.1944
Nun bin ich schon bald 3 Monate im KLV-Lager. Am 18.10.1943 fuhren wir von Köln ab. Wir sollten eigentlich schon früher gefahren sein, aber es ist etwas dazwischen gekommen. Nach zweimonatlichem Bleiben im Lager fuhr ich für 14 Tage in Weihnachtsferien. Am 19.12.1943 bis zum 3.1.1944 blieben wir in Köln. Zuerst hatten wir den Lagermannschaftsführer Herbert Vosen, dieser wurde aber abgelöst von dem Lagermannschaftsführer M. Sasserath.
Niedeggen, den 27.1.1944
Gestern mittag machten wir ein Geländespiel. Die Lagermannschaft wurde in zwei Jungzüge geteilt: Jungzug 1 und Jungzug 2. Nach kurzer Besprechung ging Jungzug 1 los. Es stand die Bedingung: Jungzug 2 mußte das Lager von Jungzug 1 erobern. Lange suchen wir den Wald durch nach einem Lager. Da – ich glaube hier sind wir richtig. Jungzug 1 klettert herauf. Alles legt sich in Deckung. Mein Freund und ich liegen auf einem Felsen und beobachten. Ich rufe Deckung 1, 2, 3. Mann, das sind Vorposten! Ein Pfiff! Die Stürmer rufen Alarm. Ein schwerer Kampf spielt sich vor dem Lager ab.
Nach schweren Ringen um das Lager haben doch die Stürmer gewonnen.
Niedeggen, 22.2.1944
Am Sonntag nachmittag bekamen wir die Erlaubnis, Schlitten zu fahren. Acht Jungen hatten einen Schlitten. Weil ich selbst einen hatte, nahm ich einen Kameraden mit. Nun ging die erste Fahrt los. Mein Kamerad saß vorne drauf und war am lenken. Ich saß hinten drauf mit ein paar Schneebällen. Wir waren in schneller Fahrt. Da gings über einen Hügel.
Vor Schreck bin ich von Schlitten gefallen. Ich war weiß wie ein Schneemann. Das hat uns aber nichts ausgemacht. Wir sind ruhig weiter gerodelt.
Niedeggen, 6.3.1944
Im Monat Februar haben wir viel Schönes erlebt. Es lag sehr hoher Schnee. Wir sind oft rodeln gegangen. Am 8.2. fuhr unser Lagerleiter nach Prag in die Lagerleiterschule. Bis zum 25.2. bekamen wir einen andern Lagerleiter. Mit ihm sind wir viel auf die Rodelbahn gegangen. Als am
25.2. der alte Lagerleiter wiederkam, haben wir zwei Schneemänner gebaut. Diese haben wir zur Begrüßung von Fräulein Martha und für den Besuchstag der am andern Tag verlief. Am Sonntag, den 5.3.44 haben wir einen großen Schneemann hergerichtet und in einem einen Schneebunker.
Niedeggen, 21.3.1944
Vor drei Tagen war der Tag, wo ich fünf Monate im KLV-Lager bin. In diesen fünf Monaten habe ich viel Freude bekommen. Nun ist heute der Frühling wieder einge-
kehrt. Es ist aber leider kein schöner Tag. Wir können uns doch viel mehr draußen bewegen. In der Eifel hat sich vieles verändert. Die Schneeglöckchen und die Weidenkätzchen sind schon am Blühen. Die Sonne scheint auch schon wärmer. Vor unserem Lager wollen wir einen Garten anbauen. Und einmal wird der Frühling den Winter doch besiegen.
Niedeggen, 12.4.1944
Als wir am Ostersonntag aus der Kirche kamen, waren unsere Eltern schon hier im Lager. Nun hieß es: "Antreten zum Morgenkaffee!" Die Fenster vom Tages-
raum waren mit Tüchern verhängt. Nun wußten wir schon, was los war. Die Tür wurde geöffnet und wir gingen hintereinander in den Tagesraum. Unsere Augen strahlten, als wir das sahen. Als wir nun mit dem Essen fertig waren, haben wir den Eltern noch ein paar Frühlingslieder vorgesungen. Sie haben sich sehr darüber gefreut. Über den Lachkanon freuten sie sich besonders. Am Mittag gab es Rindfleischsuppe, Kartoffel, Erbsen und Möhrchen und Fleisch. Bonbons und Traubensaft zum Nachtisch. Des
nachmittags war es Zeit die Eltern wieder wegzubringen. Zu Abend bekamen wir Bratkartoffel, Russische Eier, Kopfsalat, Remouladentunke und Schinken. Nach dem Abendessen machten wir noch einen Spaziergang. Am 2. Ostertag bekamen auch noch einige Besuch.
Niedeggen, 16.4.1944
Am 6. April bekamen wir Osterferien. In den Ferien durften wir 1 3/4 Stunde länger schlafen. Wir haben so viel gearbeitet. 1. machten wir eine Treppe und räumten den Weg
ein wenig auf. Von dem Müllhaufen haben wir ein ganzes Stück fortgefahren. Das Abflußrohr wurde wiederhergestellt. Gestern war der Tag, wo die Ferien zu Ende waren. Nun müssen wir wieder fleißig lernen.
Niedeggen, 28.4.1944
Als ich am Mittwoch, den 26.4.44, zum Friseur ging, war ein schweres Geknatter in der Luft. Wir schauten uns um. Da sahen wir, wie sechs Jäger einen deutschen Transporter verfolgten. Eine Salve nach der anderen schießen die Jäger auf den wehr-
losen Flieger. Es sieht aus, als wenn sechs Raubvögel hinter einem Vogel seien, der gegen ihre Macht sich nicht stämmen kann. Das Flugzeug stürzte nach langem Hin- und Herfliegen brennend ab. Es gab schwere Rauchwolken. Ein Pilot verbrannte.
Niedeggen, den 8.5.1944
Als die Bettruhe zu Ende war, hörten wir, daß unser neuer Lmf. da war. Einige hat er schon begrüßt. Der Lagerleiter zeigte ihm seine Stube. Er freute sich sehr, als er das frisch geputzte Haus sah. Nach einer kleinen Zeit kam er auch auf unsere Stube und fragte uns,
wie wir heißen. Morgen kommen auch sechs Jungen von Monschau, so daß wir das Lager schon gut belegt bekommen.
Niedeggen, den 23.5.1944
Wir konnten es gar nicht begreifen, weil wir die Uniformen anziehen mußten. Sicher gehen wir heute ins Kino. Wir waren alle gespannt, was das wohl geben möchte. Mir fiel es aber auf, weil schon um 11 Uhr die Schule zu Ende war. Nachher hörten wir erst, daß wir in Haus Friedewald eingeladen sind zu einem
Singspiel. Als wir dort ankamen, waren auch schon zwei Klassen der Volksschule da. An dem Spiel nahmen vier Personen teil: Der alte Doktor Hartmann, seine Tochter, das Dienstmädchen und der Doktor Reimer. Es wurden Lieder gesungen, die mit Klavier begleitet wurden. Das war mal wieder ein frohes Stündchen. Am Abend gingen wir auch noch ins Kino.
Nideggen, den 30.5.1944
Als wir nach Zülpisch fuh-
ren, mußten wir schon um ½ 5 aufstehn. Um ¼ 6 ging es nämlich los nach Zülpisch. Des Morgens gab es nur Suppe. Als wir an dem Treffpunkt angekommen waren, standen die Mädchen schon da angetretten. Im Gleichschritt Marsch“, ertönte das Kommando. 1 ½ Stunden marschierten wir bis Embkem, von da aus fuhren wir mit dem Bähnchen nach dem Römerstädchen Zülpich. Von 8 bis kurz nach 9 machten wir eine Pause. Nun traten wir den Rundgang um die
Stadt an. Der Lehrer Pesch erklärte uns alles und erzählte manch schöne Geschichte. Um 1/2 12 marschierten wir zum Römerbad und zur Peterskirche, die um das [Jahr] 550 erbaut wurde. Nun gingen wir auch einmal ins Römerbad, wo auch allerhand zu sehen war. Um 1/2 1 aßen wir schließlich zu Mittag. Nach dem Essen gingen wir wieder aus Römerbad. Weil wir alle großen Durst hatten, bekamen wir zwei Eimer Sirup. Bald war es nun Zeit, um nach Hause zu fahren.
Denn um 10 v. 3 Uhr fuhr das Bähnchen von Zülpich ab. Vor Nideggen sangen wir noch ein paar kräftige Lieder und marschierten hungrig und müde in unser Lager zurück.
Niedeggen, den 4.6.1944
Am 4. Juni machten wir, wie jedes Jahr, den Reichssportwettkampf. 3 Jungzüge vom Lager „Heiliger“ und unser Lager marschierten zum Sportplatz. Zuerst galt es bei uns Weitsprung. Inzwischen hatte Lager "Heiliger" Keulenweitwurf.
Nach dem Weitsprung haben wir 60 m-Lauf gemacht und anschließend Ballweitwurf. 3 Würfe mußte jeder werfen immer über 30 m. Nachdem wir diese 3 Übungen beendet hatten, marschierten wir wieder nach Hause. Am Nachmittag fanden wir uns zu einer bunten Stunde auf dem Marktplatz zusammen.
Niedeggen, den 27.6.1944
Nach langem Warten haben wir nun endlich vom Vater eines Lagerteilnehmers unseren Lautsprecher gemacht
bekommen. Jetzt können wir jeden Tag die schöne Musik hören. Beim Essen und bei sonstigen schönen Stunden stellen wir das Radion an. Beim Kaffeetrinken haben wir eine kleine Sammlung durchgeführt. Das Ergebnis war 30,56 RM. Diese 30,56 RM. schenkten wir dem Jungen, dessen Vater uns den Lautsprecher gemacht hat. Er soll sich das Geld auf das Postsparbuch legen. Jetzt können wir jeden Tag die Nachrichten hören. Wir haben eini-
ge Karten der Invasion gemalt, so können wir das gut vergleichen.
Niedeggen, den 12.7.1944
Wir hatten schon lange uns vorbereitet für einen Lagerabend. Wir luden viele Gäste ein. Schade, daß es regnete, sonst wäre es noch schöner gewesen. Als alle Gäste Platz genommen hatten, fing es an. Es war 1/4 n. 7 Uhr. Zuerst spielten wir eine Scharade, die hieß: "Lügenpropaganda!" Dann spielten einige Jungens eine kleine Geschichte: "
Das bestandene Schulexamen!" Wegen dem ungünstigen Wetter schlugen wir uns Decken über. Und trotzdem ging alles am laufenden Band. Dann sangen wir das Lied: "Wir werden die Sportler von Köllen genannt, sind überall bekannt!" Als wir das gesungen hatten, kommen die Sportler heraus und machen ihren Sport. 1. Rolle v. Rolle r. über 4 Mann. Dann den Salto über 2 Mann. Anschließend spielte unser Orchester einige Lieder. Danach wieder ein paar
Lieder. Wir führten Rußboxen vor. Schade, daß der schöne Abend ein Ende nahm. Wir stellten uns auf und sagen: "Laßt euch nicht verdrießen ...!" Nach dem Spiel aßen wir zu Abend und begaben uns ins Bett.
Niedeggen, den 29.8.1944
In den ersten Augusttagen kamen in das Zeltlager in Rath 250 Dürener Jungen. Nach zehn Tagen kamen 250 Aachener. Gegen die Aachener spielten wir Fußball, verlo-
ren aber das Spiel 4:0. Als nun am 22.8. kamen die Kölner. Da waren alle gespannt, ob nicht Freunde von ihnen dabei waren. Am folgenden Tag war plötzlich unser Lagerschild und ein Tisch spurlos verschwunden. Nachher stellte sich heraus, daß die Jungen des Zeltlagers das Schild hatten. Wir waren gestern im Zeltlager eingeladen. Es hat uns gut gefallen. Die Kölner Jungen bleiben noch bis Freitag im Zeltlager.