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KLV-Lagertagebuch Elsbeth Obladen (Hollerath u.a., 1944/45)

Dieses Lagertagebuch wurde dem NS-Dokumentationszentrum im Jahr 1999 von Elsbeth Müller kurzzeitig zur Verfügung gestellt. Damals bestand leider noch nicht die Möglichkeit, auf schnelle und finanzierbare Art und Weise gute Reproduktionen anzufertigen. Daher liegen hier lediglich weniger gute Farbabbildungen oder gar nur herkömmliche Kopien des Lagertagebuchs vor. Die Reproduktionen werden im NS-Dokumentationzentrum der Stadt Köln im Bestand "KLV" aufbewahrt.

Die im Oktober 1931 als Elsbeth Obladen geborene Schülerin durchlief, wie sie damals mitteilte, mehrere KLV-Lager:

„Meine KLV-Zeit war im Jahre 1941 für vier Wochen bei einer Gastfrau in Sachsen (NSV) und von März 1943 bis Kriegsende im KLV-Lager Ebensee / Traunsee (mit der gesamten Klasse) - Hollerath (Eifel) - Herchen - Mandern - Bad Wildungen. Die Teilnahme war freiwillig.

Wir hatten regelmäßigen Schulbetrieb und Freizeitgestaltung. Es wurde auf Disziplin und Ordnung geachtet.

Der briefliche Kontakt nach Hause war erlaubt. Eine Zensur der Post fand nicht statt.

Die Lagerleiterin war für alles verantwortlich; die Lagermädelführerin nur für Sport und Freizeit.

Im November 1943 wurden wir aus Ebensee nach Köln zurückgeholt.

Von der Kinderlandverschickung ist mir in Erinnerung geblieben: Die unbeschwerte Zeit und Kameradschaft im Lager.“

Lagertagebuch

von

Elsbeth Obladen

Lager:

Hollerather Hof (Hollerath/Hellenthal)   Eifel

Landjahrlager Bourauel (Bourauel-Eitorf)   Siegerland

Burg Reiffershardt (Herchen-Sieg)

Fuchshollen Pädagogium (Herchen-Sieg)

Haus Ellenberg (Mandern bei Bad Wildungen)

Haus E

Die ersten Tage im Lager.

Müde und erschöpft von der weiten, schwierigen Wanderung gelangten wir an unser Ziel an. Wir wurden von Frl. Brock freundlich an der Tür empfangen. Sie führte uns in eine geräumige Diele. In der Garderobe legten wir unsere Mäntel ab. Die Schuhe waren patschnaß. Darum zogen wir sie aus, denn sonst hätten wir alles beschmutzt. Frl. Brock führte uns durch eine breite Glastüre in den Speisesaal. Wir mußten uns erst einmal von unserm Schrecken erholen; denn daß wir so vornehm wohnen sollten, stieg uns nicht in den Kopf. Zu vieren setzten wir uns an die mit bunten Tischdecken geschmückten Tische. Frau Friederichs, unsere Wirtschaftsleiterin, fragte nach, wer Suppe ausschenken wolle. Ich meldete mich. Das ging fein. Auf jeden Teller einen

Suppenlöffel. Nachher durfte ich auch Gemüse, Soße und Kartoffel auftragen.

Nun waren wir doch neugierig, ob wir auch gemütliche Stuben erhalten würden. Aber Frl. Brock ließ uns noch etwas zappeln. Lotti, unsere Reisebegleiterin sang mit uns lustige Lieder. Endlich kam Frl. Brock. Sie teilte uns unsere Stuben mit. Ich war sprachlos, als wir in eine so nett eingerichtete Stube traten. Zuerst betasteten wir unsere Betten mit den Daunendecken. "Hoffentlich fliege ich des Nachts nicht einmal herunter", lachte Elisabeth. Nun wurde alles genau besichtigt. Kaltes und

 

warmes Wasser! Toll. Dieser wunderbare Kleiderschrank. Nun ging es ans Kofferauspacken. Es war schon sehr spät. Nach dem Abendessen huschten wir schnell in die Betten. In der Hoffnung nicht herauszufliegen, schliefen wir sanft ein.

"Wachet auf...", so schallte es über den Flur. "Wie, schon aufstehen?" fragte Irmgard sich reckend. Da flog die Tür auf und Klärchen trat herein. "Guten Morgen, alles aufstehen", rief sie und sie verschwand

wieder. Schnell wuschen wir uns. Die Betten wurden sorgfältig in Ordnung gebracht.

Rasch putze ich das Becken. Nun war alles in Ordnung. Bei Stubenabnahme lag alles an Ort und Stelle. Als wir des Nachmittags auf die Stuben liefen, o Wunder! Eine bunte Matte und ein Badevorleger schmückten das Zimmer. Auf dem Tisch lag eine weiße Decke und ein Blumenväschen stand darauf. Nun gefiel es uns erst recht gut auf unserer Stube.

 

Wir begraben ein Vöglein.

"Denk Dir nur, wir haben ein totes Vöglein gefunden!" erzählt mir Trude. Ach, das arme Vöglein! Es konnte doch nicht da liegenbleiben. Des Nachmittags finde ich es auf einem Steinplättchen. Nun ratschlage ich mit Elisabeth, wie und wo wir es am schönsten begraben könnten. Vorsichtig hebe ich es auf und gehe behutsam hinter das Haus. Hei, da ist ja ein feines Plätzchen. Nun grabe ich ein Loch, während Maria ein kleines Kreuz

zusammenbastelt und Elisabeth Blümchen pflückt. Da nahen auch schon die hungrigen Fliegen. Weg mit Euch! Schnell senke ich Piepmatz in die Erde. Doch da erscheinen die Vielfresser schon wieder und wollen an unsern Piepmatz. Jetzt ist es mir aber doch zu dumm. Wenn Ihr nicht weg geht, so müßt Ihr eben dableiben. Mit roten Sand decke ich das Loch zu. So, da habt Ihr Eure Strafe, jetzt müßt Ihr ersticken. Eine Menge Steine werden gesucht und um den Sand herum gelegt. Da finde ich auf dem Weg eine Schnute von einem Likörglas. Fein, das kann ich als Blumenväschen benutzen. Zwei Tannen-

 

zweigen stellen wir in den Hintergrund. Auf dem Grabstein steht: "Hier ruht in Frieden Piepmatz".

Ein ereignisreicher Tag.

Gertrud, unsere neue Lmf. stürzte eilig in den Tagesraum und rief ganz außer Atem: "Die Invasion hat begonnen. Feindliche Fallschirmtruppen sind in Frankreich gelandet", und schon war sie verschwunden. Frl. Brock stand ganz erstaunt auf, dann aber rief sie: "Endlich, darauf haben wir ja schon lange gewartet". Frau Friedrichs eilte aus der Küche herbei und bekam schon ein wenig Angst, als sie das neue Ereignis hörte. "Die sind schnell in Belgien", jammerte sie. Doch wir schlugen ihr diesen Gedanken aus dem Kopf. Nun war das Radio

 

unser Mittelpunkt geworden.

"Jetzt sind es halb eins, kommt schnell in den Eßraum, wir hören die Nachrichten", erklärte Frl. Brock. Wir scharen uns um das Radio.

Bei Cherbourg und Le Havre landeten die britisch-amerikanischen Fallschirmtruppen. Ebenfalls an der Seinemündung. Viele Landungsboote blieben verbrannt an der Küste liegen. Täglich warten wir auf neue Meldungen des O.K.W.

Hier landeten die anglo-amerikanischen Truppen. [Zeichnung]

Reiners Abschied.

"Frau Kampschultes Sohn fährt heute abend weg", so tuschelte es im Tagesraum. "Seid einmal alle still", ruft Gertrud. "Wir spielen Reiner zum Abschied die Bernsteinhexe, etwas zum

 

Denken und ein Orchester". Voller Freude erzählten wir uns, wie wir uns den heutigen Tag vorstellten. Ach, die Zeit verlief so kurz. Wenn es doch nur Abend würde. Nun war es soweit. "Zieh Dich schnell an, wir kommen zuerst dran", drängt Gisela Hannelore.

Die beiden Pagen laden Reiner, Frau Kampschulte, Herrn Wolter, Maria und Hilde und Frau Brock herzlichst ein.

Das Spiel beginnt! Der Vorhang geht auf. Traurig kommen die Prinzessin und ihre Hofdame heraus und setzen sich auf die

Gartenbank.

Als das Spiel zu Ende war, kommt noch eine schöne Scharade. "Konflikt zwischen Kaiser und Papst".

"Zum Abschluß bitten wir Dich, führe unsere Lagermutti zum Tanz", las Karin in ihrem Gedicht vor. Hei, das war ein Jubel. Wirklich, Reiner stand

 

auf und bat Frl. Brock um einen kleinen Tanz. Da brach ein Gelächter aus. Keiner hat vermutet, daß Karin das vorgelesen hätte. Wirklich, Reiner steht auf, verbeugt sich vor Frl. Brock und beide tanzen einen Walzer. Ich spiele auf der Quetsche dazu. Immer schneller geht es und bald liegen beide zwischen den Kindern. Wir haben tüchtig gelacht.

"Nun kommt noch eine Polonaise", ruft Gertrud. "Die Bernsteinhexe geht mit dem Reiner, der Page mit Frau Friederichs, die Prinzessin mit Herrn Wolters und der Prinz mit Frau Kampschulte. Die andern gehen mit ihren Freundinnen". Wir singen allerlei lustige Lieder. Nach der Polonaise gehen wir auf unsre

Stuben und sinken erschöpft auf unsere Betten und denken noch an den schönen Abend.

"Stubenabnahme", ruft das M.v.D. "O Gott, Ströppchen, hast Du auch überall Staub geputzt?" frage ich erschrocken. "Überall", versichert Ströppchen. "Schnell, stellt Euch vor die Betten, Frl. Brock kommt", erkennt Irmgard. Da steht Frl. Brock auch schon vor der Türe und ich melde: "Jungmädel, Stube Kölsch Hännesge mit vier Mädeln zur Stubenabnahme bereit". "Guten Morgen, Kinder", be-

 

grüßt uns Frl. Brock. "Guten Morgen", erwidern wir. "O, da geht schon ein Punkt ab", ruft Frl. Brock und deutet auf den Spiegel. "Und hier geht noch ein Punkt ab. Hier ist nicht staubgeputzt". Nun schreitet Frl. Brock zum Schrank. "O, die Wäsche ist auch nicht schön", erklärt sie. "O, schon wieder ein Punkt ab, wo führt das noch hin?" flüstert Elisabeth mir zu.

"Das war aber Euer Glück, daß Ihr hier Staub geputzt habt", fährt Frl.

Brock fort, indem sie mit der Hand über das Nachtkommödchen wischt. "Nun, wieviel Punkte habt Ihr noch?" fragt sie. "Sieben", jammert Irmgard. "Das nächste Mal müßt Ihr aber zehn Punkte haben", mahnt Frl. Brock und schreitet zur Tür hinaus. "Gott sei Dank", atmet Schneuzchen erleichtert auf.

Wir turnen.

"Alle Turntrikot anziehen", ruft das M.v.D. Müde recke ich mich im Bett. Aha, turnen! Flink springe ich aus dem Bett. "Irmgard, los aufstehen", mahne ich Irmgard. Aber Irmgard rührt sich nicht. "Ja, was willste denn?" gähnt sie mich an.

 

Nun ist es mir aber zu dumm und ich ziehe Ihr das Plumeau weg. Nun steht sie aber fix auf, denn ohne Plumeau ist es ziemlich kalt.

Nach dem Kaffeetrinken holen einige Mädels Medizinbälle. Aha, das Turnen geht los. "In einer Linie antreten", befiehlt Frl. Brock. "Zuerst schlagen wir mal den Purzelbaum."

O, das war etwas zum Lachen! Manche konnten den Purzelbaum noch nicht.

Nachdem wir genug Purzelbäume geschlagen hatten, kam das Kofferpacken. Die Ersten mußten den Koffer einpacken und zumachen. Die Nächsten packten den Koffer wieder ein und knipsten ihn zu. Danach überreichte der Spieler dem Nächsten den Koffer. Der Inhalt des Koffers waren ein Strumpf, ein Schuh, ein Kläppchen, ein Ball, eine Blume, ein Stück Kreide.

Die andere Partei hatte auch einen Koffer mit demselben Inhalt. "Welche Partei nun zuerst fertig ist, die hat gewonnen." Hei, nun geht die Wette los. O, hier hat Maria die Blume

 

vergessen. Dort kriegt Hilde den Koffer nicht zu. So geht es immer weiter.

Unsere Partei hat leider verloren, aber das kommt daher, weil der Koffer sich klemmte. Schade, nun ist Schluß. "Lauft schnell herauf, wascht Euch und zieht die Kleider an", befiehlt Frl. Brock. Ich freue mich schon wieder auf die nächste Turnstunde.

Hei, heute ist Sonntag! Heute haben wir wieder Ausgang. Nach dem Kaffeetrinken machen wir uns zu einem Spaziergang bereit. Erika Waterstrat, Ilse Königstedt, Ursula Butt, Erna Göhring, Lisbeth Neunkirchen und ich spazieren nun gemütlich den Waldweg hinunter. "O, schau nur, wie die Waldbeeren hier blühen", ruft Erika aus. Schnell fallen wir über die Beeren her und eine nach der andern wird vertilgt.

"Nun kommt, wir wollen ein

 

Stück weitergehen", ruft ungeduldig Ursula. "Wißt Ihr was", schlage ich vor. "Wir gehen jetzt quer durch den Wald, dann kommen wir wieder auf dem Wege an der Sprungschanze heraus." Erika und Ursula sind gleich begeistert. Erna und Ilse wollen nicht mit. Nun geht die Waldreise los. "Ich bleibe immer mit den Haaren an den Tannen hängen", klagt Erika. "Ist nicht schlimm", gibt Ursula zurück. "Weißt Du, wo Heidekraut wächst, gibt es auch Kreuzottern", erklärt Ursula. "Kreuzottern? Bah", schrickt Erika zusammen und tritt vor Schreck in einen Tümpel voll Schlamm.

"O weh, schaut Euch nur einmal meine Strümpfe und Schuhe an", jammert Erika. Bald ist sie dem Weinen nahe. "Och, das ist doch nicht so schlimm. Zuhause kannst Du Dir ein paar saubere Strümpfe anziehen", tröste ich. Erika hat die Tränen überwunden und lacht schon wieder. Nun geht es weiter. "Autsch, jetzt hat mich ein Tannenzweig gekratzt", jammert Ursula. Endlich sind wir wieder auf dem rechten Weg. Nun schlendern wir dem Lager zu. Mit zerzausten Haaren und mit schmutzigen Schuhen kommen wir an.

 

Das war wieder einer feiner Sonntag!

Vor dem Sport.

"Schnell, hol einmal einen Medizinball. Wir wollen noch etwas spielen", ruft Gertrud und Gisela flitzt zu den Bällen, schnappt sich zwei und wirft sie uns zu.

Nun beginnt das Spiel. "Einen Ball kannst Du weggeben", rufe ich. Gisela wirft Gertrud zu. Gertrud wirft ihn mir zu und so geht es fort.

Plötzlich ruft Gisela: "O weh, nun ist mir der Finger umgeknickt." Gertrud und ich trösten Gisela so gut es geht. Bald sind die Schmerzen überwunden und Gisela spielt wieder mit. "Flink, stellt Euch zum Sport auf", befiehlt Frl. Brock. "O, wie schade. Aber das nächste Mal spielen

 

wir wieder mit dem dicken Medizinball", meine ich und im Nu stehen wir mit in Reih und Glied.

Wir wecken Fr. Kampschulte.

"Kinder", erzählt am Mittag Frl. Brock. "Morgen hat Fr. Kampschulte Geburtstag! Da sie schon um 1/2 6 Uhr aufsteht, wecken wir sie um 1/4 nach 5 Uhr!" Alle sind sofort begeistert. "Aber Ihr müßt leise sein, damit ich Euch nicht höre", fährt Frl. Brock fort.

Am Morgen.

"Elsbeth, aufstehen", flüstert mir einer zu. Verschlafen recke ich

mich. Ach, das ist Klärchen!

Ach, stimmt ja! Wir wollten ja Fr. Kampschulte wecken. Flink stehen wir auf und schlüpfen in unser Trainigszeug. So leis wie die Mäuschen. Keiner durfte uns hören. Mit den Schuhen in den Händen stellen wir uns auf. Dort auf dem Flur erblicke ich noch verschlafene Gesichter. Alle mit zerzaustem Haar.

 

Klärchen flüstert: "Geht leise herunter. Auf nackten Füßen schleichen wir herunter. Stellt Euch vor Fr. Kampschultes Haus nach Stimmen auf", befiehlt Klärchen. "Hoffentlich schläft sie noch", meint Gisela. Ordentlich stellen wir uns auf. Klärchen dirigiert: Jeden Morgen geht die Sonne auf.

Schon nach der zweiten Strophe zeigt sich Frau Kampschulte mit zerzausten Haaren am Fenster. Als wir mit den Liedern fertig waren, äußert sich Frau Kampschulte: "Das habt Ihr aber wirklich fein gemacht. So schön bin ich noch nie geweckt worden. Ich danke Euch auch herzlich." "Bitte schön", ruft es durcheinander.

"Nun kommt, wir gehen wieder hinüber", ruft Klärchen. Müde lassen wir uns oben ins Bett fallen. Ach ja, wir dürfen ja noch zwei

 

Stunden schlafen! Gott sei Dank.

Wir spielen Irmgard einen Streich.

"Schnell, Elisabeth, bring mir zwei Knöpfe, zwei Sicherheitsnadeln, ein Staubtuch, 2 Strümpfe, eine Mütze und die Kleider Irmgards", rufe ich, als Irmgard gerade auf der x1 ist. "Was willst Du denn damit?" fragt Elisabeth ganz erstaunt. "Wir spielen Irmgard einen Streich." Ach so, jetzt verstehe ich", entgegnet Elisabeth. Schnell setzen wir eine Mißgeburt her. "So, komm, lege die Mißgeburt in Irmgard's Bett", äußere ich mich. O, im selben Augenblick

Toilette x1

tritt Irmgard zur Tür herein. "O, was liegt denn da bei mir im Bett?" fragt sie erzürnend, denn sie liebt es nicht, wenn man ihr etwas ins Bett steckt. Plötzlich bricht sie aber in ein Gelächter aus.

Na, das war aber ein toller Streich.

Hu, Gespenster!

Ich liege schon in tiefstem Schlummer. Da werde ich plötzlich geweckt. Nanu? Aha, Klärchen ist es. "Schnell, steh auf, wir wollen dem Unterstock einen Streich spielen. Nehmt Euer Bettlaken und einen Handschuh oder sonst etwas.

 

Dann tretet Ihr leise draußen an." Wie der Wind hüpfen wir aus dem Bett und schlüpfen in unser Bettuch.

Schweigend stellen wir uns auf dem Flur auf, wo schon mehrere Kinder in Gespenstergestalten auf uns harren. Nun geht es hinunter zum Unterstock. O, diese werden ja nichts ahnen von unserem Plan. Peng! Ein Knall. Was ist denn das? Das fehlt ja noch, daß Inge Larrsen die Treppe herunterfliegt. Hoffentlich haben die da unten nichts gemerkt! Es sieht

zu drollig aus, Klärchen mit der Taschenlampe unterm Laken allen voran. Na, die werden ja einen Schreck bekommen. Die Flügeltür quietscht. Alle huschen hindurch. Nun geht es in Stube 3.

Jutta schlägt zwölfmal auf den Gong.

Nun geht es ans Werk. Mit meinem Pinsel wische ich jedem von den Schläfern ins Gesicht. Überall hört man ein Geschrei. Leider sind wir mit unserer Runde fertig und es haben sich alle einen Spaß daraus gemacht,

 

nochmals in einige Stuben einzudringen und ihren Schabernack zu treiben; aber bald liegt wieder alles in süßer Ruh.

Wer hat noch Durst?

"Kinder, kommt doch einmal ans Fenster", ruft erregt Klärchen. O, da marschieren ja Soldaten! "Und dahinten lagern ja sogar welche", meint Trude erfreut. "Ich weiß, was wir tuen", schlägt Gertrud Klein vor. "Wir geben den Soldaten etwas aus unseren Päckchen. Dann holen wir noch Wasser,

denn die Soldaten werden auch sehr durstig sein." Dieser Vorschlag wurde mit Freuden entgegengenommen. Frl. Herber erlaubte es uns auch. Rasch liefen wir nach draußen. Mit Eimern und bepackten Händen eilten wir dem Waldrand zu.

"Wer hat noch Durst?" frage ich. "Komm mal her, Kleine", rief es durcheinander. Bald war der Eimer leer. "Komm, wir gehen zu Hanf an die Pumpe", meine ich. Die Pumpe geht sehr schwer und darum dauert es lang, ehe wir den Eimer voll haben. "Wer will noch Wasser?" frage ich

 

wiederum. Elisabeth geht immer rund fragen. Gertrud schenkt ein und ich bringe die Tasse den Soldaten. Das Schönste ist aber immer noch, als wir einem Pferd einen Eimer voll Wasser geben. Ehe man sich versieht, ist der Eimer leer. O, die Zeit ist um und wir müssen nach Hause. Es ist aber sehr schön gewesen. Mit leeren Eimern kehren wir wieder zurück.

In Turnzeug laufen wir in den Garten. Heute ist ja Gartenarbeit.

Nun beginnt die Arbeit. O, wieviel Unkraut steht hier noch! Überall sieht man eifrige Hände arbeiten.

"Flieger! Alle Deckung!" ruft Frl. Brock. Schnell huschen wir unter die Tannen. Einige Möhren, die wir uns gekrampft hatten, wurden gemütlich verzehrt. Als die Störer weg waren, ging es wieder an die Arbeit. "O, wie blitzt hier alles!" ruft Frl. Brock aus, als sie unsere Arbeit besichtigt. "Zur Belohnung werdet Ihr heute abend abgespritzt." Hei, wie fein!

"Alles zum Kaffee aufstellen", ruft

 

das M.v.D. O, wie schade!

Großes Reinemachen.

"Nehmt Euch alle Euer Handtuch und etwas Seife." "Wir werden bestimmt abgespritzt", meine ich. "Wer hat da jetzt gesprochen?" fragt Frl. Brock, die ich unterbreche. "Ich." "Punkt ab", lacht sie. "Tretet alle draußen an", fährt sie fort. "Ich will Euch in der Schwemme abbrausen."

Hei, wie wir da rannten. Flugs ziehen wir uns aus. Da kommt Frl. Brock auch schon mit dem Schlauch.

Flugs springe ich durch den Wasserstrahl. "Du Räuberchen", lacht sie und nun spritzt sie mir gerade ins Gesicht. O, wie schön!

"Stellt Euch alle in einer Reihe auf!" ruft Frl. Brock. Nun geht der Wasserstrahl von einem zum andern.

"So, nun ist's genug", meint Frl. Brock. O, wie schade, aber einmal muß alles Schöne ein Ende haben.

"Hei, heute ist ja Elternbesuchstag", mit diesem Gedanken springe ich aus dem Bett. Nach dem Kaffeetrinken rase ich über den Autoplatz. Da kommen auch schon einige Eltern, aber meine Mutter ist nicht dabei. Traurig kehre ich um. Da kommen

 

mir einige Mädel entgegen. "Dahinten kommt doch Deine Mutter, lauf doch hin." O, das ist aber eine Freude! Stürmisch überfalle ich meine Mutti. "Ißt Du auch immer tüchtig?" fragt sie. "O ja", bestätige ich.

Mit fröhlichem Herzen kehren wir nach Hause, wo schon viele Mütter mit ihren Kindern sind. Immer mehr Gäste erscheinen und bald können wir uns zum Märchenspiel Rumpelstilzchen bereitmachen. Zuerst singen wir einige Lieder. Nun kommt das Märchenspiel Rumpelstilzchen. Ich bin sehr aufgeregt. Alle lachen, wenn

ich als Rumpelstilzchen durch das Zimmer hüpfe. Es wird tüchtig gelacht bei dem Mohr. Plötzlich läuft der kleine "Herr Waldemar Standt" singend unter die Spieler. Frl. Brock hält ihn noch rechtzeitig auf. Wie wir da lachten. Der Bart wackelte mir hin und her. Als das Spiel zu Ende ist, wird tüchtig Beifall geklatscht.

Jetzt wird gegessen. Frau Friederichs hat eine leckere Suppe zubereitet. Nachdem Essen erzählen wir unsern Eltern aus dem Lager.

Mutti hat allerlei Schnuppereien mitgebracht. Bald müssen die Eltern gehen, denn die Zeit verfliegt wie im Fluge. Wir dürfen bis zum Platishof mitgehen. Da kommt plötzlich ein Militärauto um die Ecke gerast und hält vor Frl. Hoffmann, Frau Frings, meiner Mutter, Christel, Elisabeth und mir. Hinten aus dem Wagen lachen uns fröhliche Gesichter von Eltern und Kindern entgegen. Flink steigen wir ein und nun geht's zum Bahnhof.

 

Dort verabschieden wir uns. Langsam schlendern wir die Dorfstraße entlang. Mitten auf der Straße steht ein Kohlenwagen. "Ob der nach Hollerath fährt?" meine ich. Flink fragen wir. Wir werden sogleich hinaufgehoben. Schneuzchen fällt in die Kohlen hinein. Nun geht die lustige Fahrt los. Kaum sind wir ein Stück gefahren, so sehen wir Gisela Lambertz und Ursel. "Halten, halten", schreien wir. Gisela und Ursel rennen hinter dem Wagen her. Wirklich, der Wagen hält. Flink klettern die beiden obendrauf. Nun geht es weiter. Als wir wieder ein Stück gefahren sind, begegnen wir einem Trupp

von Jungen, die schanzen gehen. "Halt", schreit der Oberste. Der Wagen hält. "Acker", ruft der Anführer, "Du bewachst das Gepäck." Alle Jungens werfen ihr Gepäck auf den Wagen. "Runder, Ihr Fraulück", rufen sie uns zu. "Autsch, das hat aber gut getan", rufe ich, als mir ein Junge einen Spaten auf den Fuß wirft. "Acker, paß op ming Sache op", tönt es von allen Seiten. Der Arme, denke ich. Gisela kichert mir zu: "Acker, Acker und nochmals Acker." Gott sei Dank, wir sind in Hollerath. Na, das war ein schöner Elternbesuchstag, aber auch eine tolle Fahrt.

Stube Kölsch Hännesge.

Wenn man auf den zweiten Stock kommt, die erste Tür rechts ist "Stube Kölsch Hännesge". Dort sind drei Hännesgen und ein Marizebill. Hier geht es oft toll zu. Wie oft haben wir schon fünf Punkte abbekommen.

 

Dafür haben wir aber Freude gehabt. Sobald gute Nacht gesagt wird, liegen wir mäuschenstill. Gleich darauf werden die elegantesten Turnübungen und Tänze aufgeführt. Dann folgen interessante Vorträge von Hännesgen 2 Elisabeth. Gleich darauf werden die schönsten Liebeslieder von Hännesgen 3 Gertrud gesungen. Wenn sie sich ausgesungen hat, macht Hännesgen 1, Elsbeth, den Flohdresseur. Marizebill, Irmgard, will auch nicht zurückstehen. So stellt sie sich schlafend und fantasiert die unmöglichsten Dinge. Nun werden Gerichtsurteile über Gertrud Tröger gehalten. Wenn es dann ungefähr Nacht ist, schlafen wir ein. Ihr dürft uns aber nicht verraten, hört Ihr?

Wer zuletzt lacht, lacht am besten.

Schneuzchen und ich sitzen auf der Terrasse und nähen Mohnenkraut auf eine dicke Kordel. Da kommt auf einmal Hanne herausgestürzt und bringt unter Lachen heraus: "Wißt Ihr, ich habe denen im Garten weisgemacht, die beiden, die auf der Terrasse sitzen, haben Läuse. Nun glauben die meisten das. Kommt schnell, ich mache Euch Läusekappen." Wir sind von diesem Vorschlag ganz begeistert. Hanne wickelt uns ihre elastischen Binden um den Kopf, so daß keine Haare mehr hervorlugen. So stellen wir uns Frl. Brock, Frl. Herber und Klärchen vor. Schnell werden wir in ein Zimmer gesetzt, bis die andern Mädels sich unten aufgestellt haben. Schneuzchen geht keck herunter und setzt sich auf die Treppe und tat so, als ob sie weinte. Frl. Brock, Frl. Herber,

 

Klärchen und ich stehen oben und lachen uns die Bäuche voll. Endlich fasse ich den Mut und setze mich zu Schneuzchen auf die Treppe. Die Kinder lachen uns aus. Da donnert Frl. Brocks Stimme. Sogleich sind alle still. Nur hört man ein Schluchzen, das in Wirklichkeit ein Lachen ist. Als wir uns um die Tische stellen auf der Terrasse, setzen wir uns sofort und lachen, lachen, daß es bald auffällt. Trude sitzt hinter mir und tröstet immer: "Elsbeth, sei doch still." Nach dem Essen müssen wir beide ins Bett, die andern machen noch einen Abendspaziergang. Allmählich scheinen sie es doch alle zu glauben. Am anderen Morgen rennt Ilse durch die Stuben: "Kinder, es ist doch nicht wahr. Ich hab es ja gehört." Nun ist es vorbei. Jetzt wissen es ja alle, aber es war herrlich.

Nächtlicher Besuch.

Eine gemütliche Stube ist auch "Stube Richmodis von Aducht". Nach dem Gutenachtsagen wollen Gertrud und ich noch einmal schnell einen nächtlichen Besuch abhalten. Es droht uns ja keine Gefahr. Frl. Brock und Klärchen sind ja weg. Frl. Herber schläft auf dem Unterstock. Inge Larrsen kommt von der Toilette, steigt auf die Nachtkommode und springt auf ihr Bett. Was war denn das? Ein Knall. "O Gott, die Glasplatte ist kaputt!" Inge bekommt einen Schreck. Schnell rufen wir Frl. Herber. "Ist doch nicht so schlimm", meint Frl. Herber. Inge atmet erleichtert auf. Doch, o weh, es ist ja schon so spät. Schnell verabschieden wir uns und laufen in unser Zimmer. Die beiden anderen schlafen schon. Schnell schlafen wir ein, denn sonst sind wir morgen noch müde.

 

Lieb' Hollerath, ade!

Es ist kaum zu fassen. Wegen der Kriegslage müssen wir unseren schönen Hollerather Hof verlassen. Es herrscht ein aufgeregtes Hasten und Treiben. Die Koffer werden heruntergeschleppt. Hier läuft noch einer mit den Paketen zur Tür hinaus. Dort hat einer noch etwas vergessen. Es ist ein aufgeregtes Getummel.

Frau Kampschulte hat uns ihren Wagen mit einem Pferd zur Verfügung gestellt, für die Koffer zum Bahnhof zu bringen. "Sind alle Pakete auf dem Wagen?" fragt Klärchen aufgeregt. "In fünf Minuten müssen wir fort." Herr und Frau Friederichs kommen, um sich zu verabschieden. Nun kullern auch schon die ersten Tränen. "Auf Wiedersehen und kommt bald wieder", schluchzt Frau Friederichs. Sie drückt jeden von uns an sich. Die Tränen kullern mir übers Gesicht. Felix kommt mit Baldur heran. "Hü, hü", schreit Felix, aber unser Baldur trabt ruhig weiter. Felix hat Mühe und

Not ihn einzuspannen. Nun geht es los. Langsam rückt der Wagen an und wir trotten hinter dem Wagen her. Wir sehen aus wie Flüchtlinge. Immer wieder drehen wir uns um und winken mit den Taschentüchern. Bald ist Hollerath aus unserer Sicht. Die Landschaft ist am frühen Morgen in voller Pracht. Der Nebel steigt aus dem Preethal.

Bald haben wir Hellenthal erreicht. Wir steigen rasch in den Zug. In Kall müssen wir mit all dem Gepäck umsteigen. In Köln werden wir mit Butterbroten und Kaffee versehen. "Da stehen ja Mütter", ruft Gertrud. Meine Mutti ist auch dabei. Ich erzähle ihr, daß wir ins Landjahrlager Bourauel kommen sollten. Mutti hat mir ein paar Butterbrote und Tomaten mitgebracht. Frau Rörig will Gertrud für 14 Tage mitnehmen. Nun geht es weiter nach Eitorf. Im Zug erzählten uns die Leute, wie schön das Lager ist. In Eitorf wurden

 

wir von einigen Landjahrmädeln empfangen. Die Koffer blieben die Nacht über in Eitorf.

Wir sind Gäste im Landjahrlager Bourauel.

Nach einem beschwerlichen Marsch gelangten wir ins Landjahrlager Bourauel. Die Lagerführerin begrüßte uns sehr freundlich. "Leider müßt Ihr zu dreien in zwei Betten schlafen", erklärte sie uns. "Dann schläft jeder einmal in der Mitte", meine ich. Zuerst führte uns die Führerin in den Schlafsaal. Wir schlafen mit den Landjahrmädeln zusammen. Nachdem wir auf die Betten verteilt sind, gehen wir zum Essen.

Es gibt eine schmackhafte Suppe, dazu ein Butterbrot.

Am nächsten Morgen spielen wir im Wald. Hintereinander flitzen wir den Berg hinunter. Hannelore fällt mit ihrem wehen Knie. Das hat noch gefehlt. Da kommt Maria gerannt. "Wir gehen am Sonntag schwimmen", ruft sie. "Schwimmen?" fragen wir erstaunt. "Nein", lacht sie. "Wir gehen ins Kino." "Au, das ist ja fein!" rufen wir. Wir konnten es gar nicht abwarten. Am Sonntag marschieren wir ins Kino. Kaum sind wir drinnen, kommt Alarm. Nun müssen wir hinaus. Wir kuscheln uns eng aneinander und singen einige Lieder. Nachdem wir uns kalte Füße geholt haben, kommt Entwarnung. Nun geht der Film "Spähtrupp Hallgarten" weiter. Als der Film aus ist, marschieren wir auf dem schnellsten Weg zurück.

 

So verlebten wir viele schöne Tage in Bourauel. "Auf die Dauer können wir aber nicht in Bourauel bleiben. In Herchen wartet eine wunderbare Burg auf uns", spricht eines Tages Frl. Brock zu uns.

Das war eine Freude für uns. Täglich warten wir nun auf Nachricht aus der Burg. "Kinder, wir können morgen zur Burg übersiedeln", verkündet Frl. Brock. "Ich fahre mit zehn Mädeln zur Burg, um alles in Ordnung zu bringen." Das war eine Freude. Mit zehn kräftigen Mädeln zog Frl. Brock zur Burg. Der Rest folgt Morgen.

Einzug in Burg Reifershardt.

Nachdem wir in Herchen von den zehn Jungmädeln empfangen sind, marschieren wir zur Burg. Es geht lauter Treppen hinauf.

"Weißt Du", eifert Liesel, "zwei Katzen sind da und ein Hündchen, der Fiffi." Kaum kommen wir oben an, so kommt Frau Bast, unsere neue Wirtschaftsleiterin, um uns zu begrüßen. "O, wie schön ist es hier", jubeln wir. Ein großer Eßsaal mit einem Radio und einem Klavier ist da. Davor schlängelt sich ein Wintergarten. An den Eßsaal grenzt ein Turmzimmer. Darin sind lauter Korbsesseln mit kleinen Tischen davor. Einen Schul-

 

raum haben wir auch. "Schau nur", ruft Erika, "was ich entdeckt habe. Durch eine Klappe kann man das Essen aus der Küche hier hereinreichen." "Hört jetzt einmal zu", befiehlt Frl. Brock. "Geht ein bißchen in den Park. Gleich zeige ich Euch die Zimmer." Sofort eilen wir hinaus. "O, schau nur", rufe ich erstaunt, "da ist ja ein Springbrunnen!" Nun geht es weiter. Ein kleiner Garten mit Beeten und Obstbäumen liegt ganz verlassen da. "Schaut nur, wie das Unkraut wuchert", äußert Ilse sich. "Ich weiß, wo wir hingehen", schlägt Liesel vor.

"Wir gehen einmal zum Felsen." Rasch eilen wir dahin. "O, wie weit man hier sehen kann!" jauchzt Schneuzchen. "Hier gehen wir jetzt immer hin", schlage ich vor. Gemütlich setzen wir uns auf die Bank und lassen unsere Blicke weit über die vorbeiziehende Sieg schweifen. Da gongt es. Rasch laufen wir wieder ins Haus. "Alles in den Tagesraum", ruft Klärchen. Jetzt werden die Zimmer verteilt. Irmgard, Elisabeth und ich kommen in das Turmzimmer. "O, wie schön", jubelt Irmgard voller Freude. Jeder hat ein Federbett mit einem Plumeau. Zwei Nachttischchen, ein Schrank und eine Waschkommode und ein Tisch geben dem Zimmer ein stattliches Aussehen. Drei Fenster und

 

ein kleiner Balkon sind auch da. Wir haben das schönste Zimmer. Nun geht es ans Auspacken. Bald werden wir wieder so schön eingerichtet sein wie in Hollerath.

Wir machen ein Geländespiel.

"Hurra, auf dem Tagesplan steht: Geländespiel!" jauchzt erfreut Irmgard und kommt in die Stube gerannt.

Hei, ist das eine Freude. Wir können den Nachmittag kaum erwarten. Endlich ist es soweit. Zunächst folgt die Lagebesprechung. "Die Jäger ziehen voraus und hinterlassen Spuren", berichtet Klärchen. "Sie zeichnen mit Kreide Pfeile an die Bäume. Das bedeutet: dort sind die Jäger vorbeigegangen. Man kann aber auch einen Endpunkt machen. Dort sind die Jäger nicht weitergegangen. Die Schutzleute müssen die Jäger suchen. Der Stützpunkt ist das Denkmal." Die Lagebesprechung ist beendet. Das Spiel geht los. Die Jäger ziehen mit Klärchen los. Bald hören wir das Flöten der Jäger. Rasch folgen wir ihnen. Da sind auch schon einige Spuren.

 

"Da, hier ist schon wieder ein Endpunkt", ruft Hannelore. Wir können keinen Weg mehr finden. Plötzlich entdecke ich in der Nähe des bissigen Hundes ein Täuschungszeichen.

Rasch laufe ich ein Stück weiter. Da sind auch schon wieder die richtigen Pfeile. "Kinder, ich habe den richtigen Weg", rufe ich. Nun geht es im Lauffeuer weiter. Plötzlich erblicken wir durch den Wald das Denkmal, unseren Stützpunkt. "Still", ruft Hannelore, "da huschen einige Gestalten hin u. her. Auf dem Bauch schleichen!" Nun geht es weiter. Bald haben wir das Denkmal erreicht, aber keine Spur ist von den Jägern zu sehen. Klärchen hält Wacht. Flink laufe ich die Treppe

hinunter. Da kommt Ursel die Treppe heraufgestürmt. "Schneuzchen, ein Jäger", rufe ich. Ursel rast die Treppe hinunter. "Ursel läuft weg, komm", brülle ich, denn nun bin ich sehr aufgeregt. Schneuzchen und ich rasen in vollem Tempo hinunter. Bald haben wir sie eingeholt. Schneuzchen und ich versuchen, ihr das Halstuch abzunehmen. Wutsch, da läßt sich Ursel den Berg hinunterkollern. Wir können sie nicht mehr verfolgen. So traben wir wieder den Berg hinauf. Plötzlich kommt Ursel oben aus dem Gebüsch und stellt sich zum Kampf. Sie ist die Erste. Irene, Maria und ich springen auf sie zu.

Ursel wehrte sich heldenhaft. Nach langem heißen Kampf erstreiten wir das Halstuch.

 

Nach und nach kommen alle Jäger. Rasch ist das Spiel zu Ende und wir ziehen singend in die Burg. Klärchen ruft: "Wir sind Kerle", rufen wir. "Jeder eine Perle!" So hat auch einmal wieder dieses Spiel sein Ende gefunden.

Hurra, Freizeit.

Hurra, Freizeit! Nix wie heraus zum Versteckspielen! Nun geht's aber los. Irene ist dran. Ich verstecke mich hinter Holzpfählen. Irene rast an mir vorbei. Sie hat mich nicht gesehen. Beim nächsten Spiel schlägt mir Irene vor, ich solle mich doch in den Wäschekorb auf der Bank hineinsetzen. Vorsichtig klettere ich in den Korb. Ich passe gerade hinein. Plötzlich schau-

kelt der Korb und er fällt im hohen Bogen von der Bank. "O weh", rufe ich, denn ich habe mir mächtig wehgetan. O, und mein Kleid, es ist ganz schmutzig. Rasch laufe ich auf mein Zimmer und ziehe mich um. Nun bin ich des Versteckenspielens leid. Ich laufe zur Teppichstange, klettere hinauf, hänge mich an die Stange und baumele hin und her.

Am folgenden Tag verabreden wir uns, Ursel Umlauf, Schneuzchen und ich, zu einem lustigen Spiel im Anhänger eines Wagens. Wenn wir auf der hochstehenden

 

Seite stehen, so kippt der Wagen nach unten. So geht es hin und her. Bald sind wir aber des Spielens leid. Ich schlage Schneuzchen vor, im Auto zu spielen. Wir tüten, steigen aus und so fort. Da gongt es zum Abendessen. Rasch laufen wir hinein. "Im nächsten Spiel im Freien spielen wir weiter", schlägt Schneuzchen beim Hereingehen vor.

Ein Umzug.

"Kinder, stellt Euch vor, wir müssen der D.A.F. unseren schönen Tagesraum und den Unterstock zur Verfügung stellen." Tiefe Bestürzung ist bei uns, als Frl. Brock dieses erzählt. Aber es muß einmal sein. Wir schlagen in Stube 4

die Betten ab und sie hinauf. Frl. Brock darf ihr Zimmer behalten. Nun geht's zum Turmzimmer. Ursel, Gisela, Schneuzchen und ich sollen ins obere Turmzimmer kommen. Oben im Turmzimmer ist ein häßlicher Waschtisch. Rasch transportieren wir den alten hinunter und nehmen den neuen Waschtisch herauf. Das obere Turmzimmer ist sehr stattlich eingerichtet. Nur der Balkon fehlt uns. Am folgenden Tag kommt ein großer Lastwagen mit Möbel. Eine vornehme Dame steigt mit aus. Sie schreitet in den Eßsaal, wo wir gerade bei den Aufgaben sitzen. Sie bemustert alle Ecken genau. "Scheinbar will sie sich ihren Arbeitsplatz aussuchen", meine Ilse. "Hm, hier ist es mir zu kalt, dort ist es mir zu dunkel, da ist es mir zu dunkel", meckert sie. Wir lachen uns krank. In den nächsten Tagen kommen

 

schon welche von der D.A.F. Aber wenn wir auch eng aneinander liegen in den Stuben, gemütlich ist es doch.

Eine Kissenschlacht.

"Du, Schneuzchen, ich habe einen famosen Gedanken", juble ich, als wir abends zu Bett gingen. "Wir machen gleich eine Kissenschlacht." "O, prima", jauchzt Elisabeth. Rasch kleiden wir uns aus, schlüpfen in unsere Nachthemden und dann geht's los. Ich stehe auf meinem Bett, Schneuzchen auf ihrem. Mit voller Wucht prallen wir gegeneinander. Ich fliege in hohem Bogen in Ursels Bett. "Weißt Du, was wir tun?" schlägt Schneuzchen

vor. "Wir balancieren über die Bettkante und lassen uns steif wie ein Brett in Giselas Bett fallen." Dieser Plan wird auch sofort durchgeführt. Giselas Bett ist schon ganz durcheinander. Gisela kommt gerade vom Brausen herauf. "O, Ihr seid gemein, seht einmal mein Bett", poltert sie los. Als wir ihr aber von der Kissenschlacht erzählen, ist sie sofort begeistert und sie beginnt einen Kampf mit mir. Plötzlich höre ich Frl. Brock im Nebenzimmer reden. "Fix, alles in die Betten", rufe ich. Als Frl. Brock hereinkommt, erklärt sie: "Na, Ihr seid wenigstens ruhig." "Das stimmt ja gar nicht", kichert Ursel. Nach dem Gute-Nacht-Sagen schlafen wir sofort ein.

 

Äppelklauen.

In der Schulpause rasen Hanne und ich die Holztreppen herunter auf die Landstraße. Dort stehen eine Menge Apfelbäume und Brombeerbüsche. Rasch klettern wir hinunter durch das Gebüsch. "Au, ich bin hängengeblieben", jammert Hannelore. "Sieh, hier liegt ein gelber Apfel mitten im Brombeerbusch", rufe ich. Trotzdem ich mir tüchtig wehtue, erreiche ich den Apfel. Wir finden zusammen sechs Äpfel. Da gongt es. Flink laufen wir hinauf. Die Schürzentaschen sind voll. "Kinder, Mensch, wir haben Äppel gefunden", prahlt Hanne. "Woher denn", fragt Christel. "Ja, das geht Dich ja nichts an", funke ich dazwischen. "Alles aufstellen", ruft Frl. Brock. "Nun können wir die Äpfel nicht mehr essen", meint Hanne. "Das schadet nichts. Essen wir sie eben nachher."

Rasch gehen wir in den Schulraum und beugen uns wieder über unsere Arbeit.

"Heut ist Elternbesuchstag", ruft vergnügt Ursel und springt aus dem Bett. Kaum sitzen wir an unserem schönen sonntagsmäßigen Kaffeetisch, da treffen auch schon die ersten Eltern ein. Plötzlich sehe ich meine Mutter durch den Vorhang. Da guckt auch mein Vater durch den Vorhang. "O, ist das eine Überraschung", flüstert mir eine Kameradin zu. Mein Vater kommt sofort herein, um mich zu begrüßen. Er bekommt einen dicken "Spatz" von mir. Nach dem Kaffee kommen alle Kleinigkeiten zum Vorschein. O, ein echtes, goldenes Kettchen, ein Stück echte Seife, eine Mütze, einen Schal und noch sonstiges! Sofort

 

schaue ich in die Tüten hinein. "Äpfel, Bonbons, Plätzchen, hm!" rufe ich aus. "Nun muß ich Euch aber meine Stube zeigen", erkläre ich. Vater und Mutter sind sehr begeistert. Nun gehen wir zum Denkmal. Von dort hat man eine sehr schöne Aussicht. Vater + Mutter sind sehr müde. "Legt Euch doch auf Steine, ich geh schnell essen", schlage ich vor. Der Rat wird angenommen. Nach dem Mittagessen nehme ich Hasenbrötchen mit und eile wieder zum Denkmal. Die beiden schlafen schon nicht mehr. "Na, hast Du uns auch etwas zu essen mitgebracht?" "Natürlich", entgegne ich. Schnell packe ich Äpfel und Brötchen aus. Nachdem die beiden gegessen haben, spazieren wir gemütlich zurück. In einem Restaurant trinken wir Kaffee. Bald müssen die Eltern wieder fort. Wir gehen mit den Eltern zum Bahnhof.

"Das war wieder ein schöner Elternbesuchstag", erzählen wir uns beim Nachhausegehen.

Eine Überraschung.

Mit Frl. Brock haben Gisela, Ursel, Trudi, Irene und ich eine Feier zum Advent geübt.

Heute ist Advent. Gegen Nachmittag wird das Klavier in den Schulraum geschleppt. Die Stofftapete wird mit Tannenzweigen geschmückt. Das Pult kommt in die Ecke. "Was mag denn nur mit dem Pult geschehen?" denke ich. Alle Fenster werden verdunkelt. Als alles soweit für die Adventfeier hergerichtet ist, kommen die Gäste und nehmen ihre Plätze ein. Wir fünf haben uns draußen aufgestellt und kommen nun feierlich herein.

 

Wir stellen uns an die Seite. Klärchen spielt zur Einleitung ein Klavierstück. Wir sagen unsere Sprüche auf und singen gemeinsam Weihnachtslieder. Als die Feier zu Ende ist, erzählen wir uns noch etwas. Plötzlich bimmelt es und da poltert Knecht Ruprecht herein. Hinter ihm folgt der Nikolaus. Erschreckt fahren wir zusammen.

Ruprecht fährt gleich auf uns los, wie von wilden Teufeln losgelassen. "Ich glaube, der Ruprecht ist gar die Ursel Umlauf", wispere ich meiner Nachbarin zu. Doch da gewahre ich Ursel. Also die Gisela ist es. Und der Nikolaus ist natürlich Fr. Bartels.

Langsam schreitet der Nikolaus an das Pult, setzt sich und erzwingt sich mit der Schelle Ruhe. Frau Waterstrat und meine Mutter, die bei dieser Feier anwesend sind, heben neugierig die Köpfe.

Da ruft der Nikolaus den ersten Namen. Jedes Kind bekommt zum Geschenk 10 Bonbons, 1 Heftchen und 4 Karten. Dazu werden die guten und bösen Eigenschaften vorgelesen. Plötzlich ruft der Nikolaus:

"Elsbeth Obladen."

Erschreckt springe ich hoch und stelle mich vor den Nikolaus. Sogleich werde ich mit einigen Rutenschlägen empfangen. Dann beginnt der Nikolaus:

 

"Elsbeth Obladen.

Elsbeth reist mit dem Wunderfloh von Ort zu Ort von Zoo zu Zoo. Überall sie Beifall find, Elsbeth ist ein kluges Kind, immer fleißig, dienstbeflissen, kaum größer als ein großes Kissen, Elsbeth müßte Berge verschlingen, doch muß zum Essen man sie zwingen. Butterbrote tauscht sie mit Vergnügen, dicke Schnitten läßt sie gerne liegen. Und Milch, o nein, die liebt sie nicht, für Milch zieht Elsbeth ein langes Gesicht. Zum Abschluß muß ich Dir noch sagen, Nägel knabbern verdirbt den besten Magen. Doch sonst bin ich zufrieden mit Dir, drum nimm dieses kleine Geschenk von mir."

Es wird herzlich gelacht. Da kommt der Ruprecht und bringt mir ein ganz dickes Butterbrot. Das muß ich vor allen Zuschau-

ern aufessen. Erst dann bekomme ich mein Päckchen. Ilschen wird getadelt, weil sie ihre Suppe nicht ißt, Leni, weil sie ihre Wäsche nicht schön faltet. Als dann der Nikolaus wieder weggeht, gehen wir zum Abendessen. Nach dem Essen bringt uns Frau Bast jedem einen hohen Teller voll Plätzchen. Frau Frings, Frau Waterstrat und meine Mutter, die uns besucht hatten, erhielten auch einen Teller.

So hatte dieser "Schöne Tag" auch ein Ende gefunden.

Umzug nach Fuchshollen.

"Kinder, stellt Euch vor, wir müssen unsere schöne Burg verlassen", berichtet uns traurig Frl. Brock. "Bloß wegen

 

der D.A.F.", murren wir.

Den letzten Tag wollen wir es uns aber schön machen, beratschlagen Schneuzchen und ich.

Wir packen den ganzen Morgen mit viel Krach und Quatsch. "Ich kriege meinen Koffer nicht zu", jammere ich. Mit Wucht setze ich mich auf den Koffer und Ursel schließt ihn. Zum letzten Mal sitzen wir beim Abendessen. Frau Bast hat sogar Pudding gekocht. Zum letzten Mal steigen wir in unsere Betten. Am Morgen werden wir früh geweckt. Frau und ein paar Mädels, darunter auch ich, bilden den Vortrupp. Wir nehmen einige Gepäckteile mit. Wir gehen voll

Wut, denn Direktor Heck hat uns keine Jungen zum Gepäcktragen geschickt. Wir sind kaum in Fuchshollen und stehen auf dem Flur, da kommt Frau Passman, eine Lehrersfrau heraus. "Geht doch in den Schulraum", kräht sie, "und seid still."

Wir stubsen uns gegenseitig an und gehen hinaus.

Nun gehen wir zur Burg zurück. Wir krampfen uns einen Wagen, schleppen unsere Koffer und fort geht's. Lustig fahren wir die Hauptstr. hinunter. Schneuzchen's Ranzen fliegt dauernd herunter.

Bei Höhlers kaufen wir uns Schreibpapier. Plötzlich vermisse ich mein Portemonnaie. Ich eile zurück, doch ich finde es nicht mehr. "Es waren noch 19 RM. darin", jammere ich. Über uns (geht)

 

ist das Denkmal. Einige Mädels rufen uns von oben aufmunternde Worte zu. Wir winken. Dann hat das Denkmal für einige Zeit wieder Ruhe.

Nun geht's den Weg nach Fuchshollen hinauf. Wir müssen tüchtig schieben. Die Sonne brennt heiß. Wir laden das Gepäck ab und fahren zurück. Diesmal geht es aber den Weg am Denkmal vorbei. Nun heißt es aufpassen. Im Park von der Burg geht es einen Berg hinunter. Soviel wir auch zurückhalten, der Wagen saust hinunter. Gisela läßt vor Schreck den Wagen los. Schnäuzchen ebenfalls. "Allein kann ich den Wagen nicht halten", rufe ich und lasse los. In einem Tempo rast der Bollerwagen den Berg

hinunter, gegen den Zaun und dann bleibt er liegen. Wir lachen uns die Bäuche voll. Der Wagen ist heil geblieben. Wir laden neue Koffer auf. Da kommen eine Menge Jungens und helfen uns. Nun geht es ganz leicht. Glücklich kommen wir in Fuchshollen an. Wir gehen gleich zum Essen. Dort treffen wir Ingrid Schmitz, einen stellvertretende L.M.F. aus Hollerath. Wir treten in einen großen Saal. An den Tischen flegeln sich schon die Jungens herum. Wir sind Tisch 6. Die Lehrersfrauen schenken aus großen Kesseln das Essen aus. Wir bekommen alles auf einen Teller. Ganz anders war es in der Burg. Es hat aber sonst ganz gut geschmeckt. Die Jungens sitzen sehr unanständig an den Tischen. Sie

 

reden wie die Papageien. Wir dagegen schweigen. Nachdem wir gedankt, gehen wir an die Arbeit. Wir beschauen uns die Zimmer. "O weh", rufe ich, "was ist unter der Heizung für ein Dreck."

Schnell nehme ich einen Lappen und wische den fingerdicken Staub weg. Wir fallen um vor Schreck, als wir die Matratzen ausklopfen. "Wir haben unsere aber doch sauber verlassen", meint Gisela. Wir richten unsere Stuben wieder fein säuberlich ein, falten die Wäsche wieder Kante auf Kante. Unsere Betten be-

ziehen wir mit weißen Leinentüchern. Leider müssen wir auf Strohsäcken schlafen, aber das schadet nichts. Die Stubenschilder werden wieder aufgehängt. Frl. Brock stattet den Tagesraum wieder mit den gepreßten Blumen aus. Jetzt gefällt es uns sehr gut im neuen Lager.

Werkarbeit

"Herr Weischer hat uns Häuschen gegeben zum Malen", erzählt Klärchen. Flink holen wir uns ein Häuschen und fangen an zu schmirgeln. Ab und zu streiche ich mit

 

dem Häuschen über meine Wange, ob es auch glatt wird. Dann bin ich im ganzen Gesicht voll Sägemehl. Es wird tüchtig gelacht. Wir singen lustige Lieder. Ich gehe mit meinem Häuschen zu Klärchen. Sie zeigt mir, welche Seiten noch nicht gut sind. Ich schmirgele noch weiter. Klärchen erlaubt mir, aufzuzeichnen. Nun gehe ich zu Frl. Herber. Sie verbessert meine Zeichnung und nun darf ich malen. Ich setze mich an einen Tisch extra. Dort sitzen schon Lisbeth und Gisela und malen eifrig. Hannelore kommt auch noch hinzu. Ich bekomme mein Häuschen noch so eben fertig, als wir einpacken müssen. Klärchen gibt mir 5 Punkte zu. Das nächste Mal darf ich ein Entchen aussägen.

Schnell packen wir ein und bereiten uns zum Essen vor.

Ein lustiger Abend im Mütterheim.

"Kinder", erzählt uns Frl. Brock, "morgen ist es soweit, dann gehen wir ins Mütterheim." Hei, wie wir uns da freuen. Wir haben schon Vorbereitungen getroffen. Rumpelstilzchen spielen wir. Wir haben es schon oft gespielt. Heute proben wir noch einmal schnell. Endlich ist es soweit. Wir marschieren nun los. Ich habe doch ein wenig Herzklopfen, als wir nun im Saal all die Mütter sehen. Ich muß nämlich Dirigent spielen, weil Klärchen am Klavier sitzt. Doch ich reiße mich zusammen. Wir singen Vorweihnachtslieder. Nun kommt das Schönste, "Rumpelstilzchen". Die Mütter sind alle sehr gespannt. Die Tür schiebt

 

sich auseinander. Das Spiel beginnt.

Die Mütter lachen herzlich, wenn ich durch den Raum purzele. Es wird tüchtig Beifall beklatscht. Wir ziehen uns wieder um. Da gewahren wir im Tagesraum vor jedem Platz ein Tellerchen mit Kuchen. "Der ist für Euch", erklärt Frl. Robertson. Hastig wird der Kuchen vertilgt. Jetzt gehn wir noch einmal in die Krankenstation und singen einige Lieder. Die Mütter danken uns herzlich. "Jetzt dürft Ihr die kleinen Babys sehen", erklärt eine freundliche Schwester. Behutsam gehen wir durch den Flur und öffnen die

Tür in den Kindersaal.

Dort stehen eine Reihe kleiner Stubenwagen. Jeder besitzt einen kleinen Schläfer. Über den Wagen hängen kleine Namensschilder.

Neugierig schauen wir in jeden Wagen hinein. Das eine schaut uns verwundert an, das andere schlummert sanft. "Zu goldig", meint Lisbeth. "Jetzt habt Ihr sie wohl alle gesehen", meint die Schwester. Leise huschen wir wieder auf den Flur zurück. Inzwischen ist es schon dunkel geworden. Der Mond tritt aus den Wolken hervor. Wir dürfen aufgelöst gehen. Manchmal fallen wir der Länge nach hin, denn das Eis ist furchtbar glatt. Kurz vor dem Lager marschieren wir wieder in Reih' und

 

Glied. Wir haben auch einen tüchtigen Hunger mitgebracht. Die Jungens sind schon alle fertig. Sie erzählen sich. Es gibt Bratkartoffeln und Kürbis. Nach dem Essen haben wir Freizeit und dann geht es in die Klappen. Wir erzählen uns noch lange von dem schönen Tag.

Eine tolle Rutschpartie.

"Gertrud, Maria, Elsbeth! Wollt Ihr nicht meine Mutter nach Pension Heimatliebe bringen?" fragt Frl. Brock. "Gerne", jauchzen wir und machen uns gleich fertig. Auf dem Wege hinunter ins Dorf müssen wir eine Holztreppe über 100 Stufen hinabsteigen. Wir fassen uns Frau Brock zwischen und los geht's. Aber o weh, sämtliche Stufen sind vereist; das Treppengeländer ist teilweise nicht vorhanden. So müssen wir uns wohl oder übel samt Frau Brock auf unsere vier Buchstaben setzen und hinunterrutschen. Das war ein Spaß.

[Nachtrag 1956:]

Hier enden leider meine Eintragungen aus dem Jahre 1944 infolge der darauffolgenden Kriegsereignisse.

Ich will versuchen, nach 11 Jahren meine Lagerberichte bis zur Rückkehr nach Köln zu Ende zu schreiben.

 

Weihnachten 1944.

Es war herrlich draußen, die Tannen senkten ihre Zweige unter der Last des daraufliegenden Schnees.

Wir machten einen Waldspaziergang und suchten uns einen wunderschönen Tannenbaum, den wir später selbst schmücken durften. Wir hatten mit der LMF eine Weihnachtsfeier einstudiert. Manch einem kamen nun doch die Tränen und jeder gedachte seiner Angehörigen, die nun in Köln dem Ende des Krieges entgegensahen. Meine Mutter hatte mich besucht und war ganz gerührt über unsere Feier. Die Geschenke von Frl. Brock waren spärlich, aber mit so viel Liebe aufgebaut, daß wir uns alle riesig freuten. Für uns Mädel war es das erste Weihnachten im Lager.

[Nachtrag 1956:]

Wenn ich jetzt noch an meine Lagerzeit in Herchen zurückdenke, so fällt mir besonders immer wieder der herrl. Schnee ein, der im Winter 1944/45 gefallen war.

In der Neujahrsnacht war es klar und kalt. Da beschloß Frl. Brock, mit uns eine Nachtwanderung durch den Schnee zu machen. Diesem Vorschlag wurde allgemein begeistert zugestimmt. Um 12 Uhr gelangten wir an der Burg Reiffershardt an und brachten Frau Bast ein Mitternachtsständchen, worüber sie ganz gerührt war und uns alle für den nächsten Tag einlud.

Schließlich waren wir doch froh, als wir völlig durchfroren in unsere Betten kriechen konnten.

 

Wir Mädels mußten abwechselnd Küchendienst machen, und wenn man für 150 Kinder abtrocknen muß, da vergehen Stunden drüber. Als wir endlich nach 2 1/2 Stunden mit der Arbeit fertig waren und in unser Haus Fuchshollen hinüber wollten, sahen wir schon von weitem, daß zwischen den Mädels und Jungens eine heiße Schneeballschlacht entbrannt war, kaum hatten mich einige Jungens entdeckt, schrien sie: "Da kommt die Wunderfloh". Ich bekam einen Schreck, denn was mich nun erwartete, war alles andere als angenehm. So versuchte ich zunächst auszureißen, aber ich kam leider nicht weit. Man hatte mich schon ergriffen und zurückgeschleppt. Mit viel Hallo wurden wir begrüßt, alsdann schmiß man mich ins Kohlfeld, wo der Schnee noch unberührt war, und dann ging die große Wäsche los.

[Nachtrag 1956:]

Ich glaube, ich hatte noch nie so rote Wangen, wie in diesem Augenblick. Als man mich endlich los ließ, hatte ich meine Mütze und die Zopfspängchen verloren.

Nun schloß ich mich den Mädels an und beteiligte mich an der Schneeballschlacht. Allmählich hatten wir ein wenig Kontakt mit den Jungens, die uns anfangs nicht leiden mochten, weil wir entgegen ihnen so mustergültig waren. (Wir hatten nämlich zu Weihnachten von der Mädelringführerin die Musterlagerplakette überreicht bekommen, über die wir natürlich sehr stolz waren.) So versprachen uns die Jungen, daß wir demnächst auf ihren Schlitten mitrodeln dürften. Am kommenden Tag hieß es, daß wir in Herchen mit den Schlitten Brikett holen müßten, 2 Jungen mit 1 Mädel. Das war für uns

 

ein Heidenspaß. Runter rodelten wir, abwechselnd landeten wir in einem Schneehaufen oder in einem Feld. Im Dorf wurden die Brikett aufgeladen und dann gings wieder hoch, den ganzen Nachmittag durch. Wir Mädel brauchten aber nicht viel zu schieben, das besorgten die Jungen. Eigentlich waren sie doch nicht so übel. Wir hatten jetzt sogar jeder einen stillen Schwarm.

Herchen wird Hauptverbandsplatz.

So vergingen die Wintermonate noch unberührt von den Kämpfen, die schon vor Köln tobten. Meine Mutter versuchte vergebens, mich mit nach Köln zu nehmen, aber ich hatte zuviel Angst vor den Amerikanern. Wir konnten uns damals überhaupt

[Nachtrag 1956:]

nicht vorstellen, daß wir den Krieg verlieren würden. So verblieb meine Mutter in Eitorf und ich fuhr manchmal zum Wochenende zu ihr.

Eines Tages wurde das R.A.D.-Lager geräumt und Rote Kreuz-Wagen fuhren vor und luden Kranke aus, die dort untergebracht wurden. Neugierig hatten wir dies von unserem Fenster aus beobachtet und liefen hinunter, um zuzuschauen. In einem Schuppen mit Stroh lagen lauter Soldaten, die sich nicht rührten, die Gesichter bedeckt. Mich durchlief ein eisiger Schreck, es waren lauter Tote. Auf dem Platz saßen Soldaten, notdürftig verbunden, furchtbar anzusehen. So etwas hatten wir Mädel noch nie gesehen. Es war grausam anzusehen. Mittlerweile war Köln in den Händen der Amerikaner. Wir

 

weinten und haßten unsere Feinde, die unsere Heimatstadt belagerten. Wir wußten nicht anders, als daß sie furchtbar mit den Menschen umgehen würden. Wenn meine Mutter mich nicht oft gütig beeinflußt hätte, daß es besser wäre, wenn der Krieg rasch zu Ende ginge, auch wenn er verloren ist, ich glaube, wir hätten aus lauter Patriotismus Streit bekommen. Unser Frl. Brock sprach nur noch von der Wunderwaffe, die bestimmt bald eingesetzt würde, auf die wir alle vergebens hofften und neuen Mut schöpften.

Mittlerweile war für uns Kinder auch hier keine Bleibe mehr und wir sollten weiter ins Hessenland verschickt werden. Viele Mädchen waren von ihren Eltern abgeholt worden, so daß wir zum Schluß noch zu 13 Mädchen übrigblieben.

[Nachtrag 1956:]

Abschied von Herchen.

Frl. Brock erklärte uns eines Tages, daß wir unser Lager nach Mandern bei Bad Wildungen verlegen würden. Ich erklärte dies meiner Mutter bei ihrem nächsten Besuch und sie versprach, nachzukommen, da wir uns jetzt nicht mehr aus den Augen verlieren durften. So fuhr denn eines Morgens ein großer Bus vor, in dem etwa 20 Mädel aus dem ehemaligen KLV-Lager Robert-Ville-Eifel saßen. Diese stammten von der Mittelschule Grafenrenthste. Nach 6-stündiger Fahrt erreichten wir schließlich Mandern, es war ein sauberes, gemütliches Dorf, 6 km von Bad Wildungen entfernt. Wir wurden im Gasthof "Haus Ulenberg" untergebracht.

 

Wir machten uns zunächst alle einmal bekannt und wurden in unsere neuen Wohnstuben eingeführt. Nun hatten wir jedoch 3 Lagerleiterinnen, die abwechselnd die Leitung übernahmen. Klärchen blieb nach wie vor unsere LMF. Das Essen war hier vorzüglich, es gefiel uns allen sehr gut hier.

Die schwarze Hand.

Von den neu hinzugekommenen Mädels war besonders Hilde Wischerhoff sehr burschikos. Überhaupt waren alle Mädel viel couragierter als wir, wahrscheinlich, weil sie nicht so streng und diszipliniert erzogen worden waren. Hilde schlug also den Mädchen und einigen von uns vor, einen Club zu gründen. Dieser Vorschlag wurde allgemein begeistert angenommen. Mittlerweile hatten sich hierdurch 2 Gruppen gebildet. Wir setzten uns heimlich zusammen, nähten

[Nachtrag 1956:]

auf unsere Trainingsblusen einen weißen Streifen Stoff mit einer schwarzen Hand.

Links der Eder erstreckte sich herrl. Waldgebiet. Wir hatten uns nun ein verstecktes Plätzchen ausgesucht, eine Hütte aus Ästen und Laub gebaut, wo wir nun unseren Club feierlichst eröffneten. Wir gaben ihm den Namen "die schwarze Hand". Ein jeder mußte sich in den Finger schneiden, mit dem Blut wurde unser Bund besiegelt. Unser Clublied hieß "Wo's noch Felsen gibt, da bin ich geboren!" Uns hat das einen Heidenspaß gemacht. Nun kannten wir im Dorf einen Jungen, den wir seines großen Muttermals im Gesicht wegen "Leberfleck" nannten. Er hatte bereits des öfteren versucht, mit uns Gespräche anzuknüpfen. Leberfleck hatte uns nun eines Tages verfolgt und unser Versteck entdeckt. Er machte sich über

 

unseren Club lustig, aber da kam er schlecht an. Wie die Meute fielen wir über ihn her und fesselten ihn so, daß er sich nicht mehr bewegen konnte. Lange haben wir ihn in diesem jämmerlichen Zustand liegenlassen und ihn ausgelacht. Schließlich bat er, ihn frei zu lassen, er wolle auch unser Mitglied werden, was wir ihm schließlich gewährten. Nun hatten wir sogar einen Burschen in unserer Mitte, aber bald flog unser Club in die Luft, denn unsere Lagerleiterin hatte von "Leberfleck" erfahren und verbat uns energisch diese weiteren Zusammenkünfte. Das war denn das Ende der "Schwarzen Hand".

[Nachtrag Mai 1999:]

Für die NS-Dokumentation „KLV-Lager" schreibe ich noch etwas über das Kriegsende.

[Nachtrag Mai 1999:]

Meine Mutter wollte mich nun nicht mehr aus den Augen verlieren und ist mir mit ihren paar Habseligkeiten per Fahrrad von Eitorf/Sieg gefolgt.

(In Köln waren wir ausgebombt.)

Sie quartierte sich bei Bauern ein, zahlte Kost und Logis und half bei der Arbeit.

Mittlerweile rückte die Front immer näher. Von überall hörte man schießen. In verschiedenen Dörfern hatten sich noch deutsche Soldaten verschanzt. Unsere Lagerleiterin sagte: Kein Kind in die Hände der Amerikaner.

So wurden wir alle auf die einheimischen Fam. verteilt.

 

Unsere Uniformjacken (Kletterweste genannt) sowie unsere Musterlagerplaketten (wir waren als mustergültigstes Lager vom Gau Köln-Aachen ausgezeichnet worden) mußten wir in einen Sack stecken, der in der Eder versenkt wurde. Ich blieb bei meiner Mutter und so erwarteten wir die Amerikaner.

Unsere Gastfamilie hatte sich im Garten einen Unterstand gebaut. Hier gingen wir alle hinein, samt Kesseln von eingemachtem Fleisch und Milchkannen voller Mettwürste. Als ich einmal herausschaute, sah ich neben dem Nachbarhaus ein langes Rohr hervorschauen. Es war das Rohr eines Panzers. Mit weißer Fahne und erhobenen Händen verließen wir den Bunker

[Nachtrag Mai 1999:]

und begrüßten die Amerikaner. Sie schenkten uns Kaugummi, Schokolade und kleine Büchsen Leberwurst.

Abends kamen die Amerikaner mit Gewehr im Anschlag ins Haus, mißtrauisch nach versteckten deutschen Soldaten suchend. Da ich gut Englisch sprach, konnten wir uns gut verständigen. Sie setzten sich zu uns an den Tisch, zeigten Bilder ihrer Familienangehörigen, aßen mit uns zu Abend.

Wir waren froh, daß der Krieg zu Ende war. Vor den Amerikanern hatten wir keine Angst mehr. Nach ein paar Tagen gingen wir Kinder in unser Lager zurück. Als während einer Mahlzeit plötzlich ein paar

 

Amerikaner hereinkamen und fragten, wer wir seien, erklärte unsere Lagerleiterin, daß wir Kölner Kinder seien, die wegen der Luftangriffe evakuiert wurden.

Damit war die Sache erledigt. Es war März. Wir hatten weiter Schulunterricht, halfen auf den Feldern (Kartoffelkäfer suchen, Runkeln verziehen). Essensvorräte waren noch genügend da. Hungern brauchten wir nicht. Außerdem standen in dem Zimmer meiner Mutter Milchkannen mit luftgetrockneten Mettwürsten. Daraus haben wir uns immer bedient.

So verging die Zeit bis Juni. Mittlerweile hat der große Treck begonnen. Täglich zogen Menschen mit Handwagen und Fahrrädern durch unser Dorf.

[Nachtrag Mai 1999:]

Auch in unserem Lager wurde es unruhig. Alles wollte nach Hause. Zwei Mädchen hatten sich zu Fuß auf den Heimmarsch gemacht. Sie waren sozusagen abgehauen, ohne etwas zu sagen. Meine Mutter hielt es nicht in Mandern. Täglich fuhren Lastwagen Richtung Köln. Meine Mutter übernahm die Verantwortung, und so fuhren eines Morgens ein Teil der Mädchen mit uns per Lkw nach Köln. Wir waren den ganzen Tag unterwegs.

In Deutz angekommen, haben wir im Bunker Helenenwall übernachtet. Am anderen Morgen wurden wir entlaust und registriert.

Meine Mutter nahm ihr Fahrrad und fuhr über die provisorische

 

Holzbrücke nach Köln zu Verwandten nach Nippes, um zu sehen, wo wir evtl. unterkommen konnten. Ich verblieb solange im Bunker. Nach etlichen Stunden, ich stand erwartungsvoll auf der Straße, kamen Vater und Mutter mit einem Bollerwagen mir entgegen. Mein Vater war aus der amerikanischen Gefangenschaft schon entlassen worden. So war die Freude groß, daß wir alle wieder beisammen waren. Wir gingen zurück mit unseren paar Habseligkeiten Richtung Nippes, wo wir bei Verwandten, die ihre Wohnung nicht durch Bombenangriffe verloren hatten, vorläufig eine Bleibe hatten. Erschüttert war ich über die zerbombte Stadt, die ich ja fast 2 Jahre nicht gesehen

[Nachtrag Mai 1999:]

Ich machte mich gleich auf den Weg zur Kasparstr., wo wir bis zu dem schweren Luftangriff gewohnt hatten. Es war nur ein Haufen Schutt von unserem Haus übrig. Ich stieg auf den Schuttberg in der Hoffnung, noch irgend etwas, was uns einmal gehörte, zu finden. Nur an der Seitenhauswand konnte man noch Kacheln aus der Küche erkennen.

Nach einigen Wochen erhielten wir vom Wohnungsamt eine Wohnung zugeteilt. Nun hieß es, mit vereinten Kräften an einen Neuanfang zu denken.

Ämterplan

Becken: Lisbeth
Schrank: Margret
Staubputzen: Christel
Außendienst: Ursel
Stubenälteste: Ursel

Ämterplan

Außendienst: Gisela
Staubputzen/Kehren: Elsbeth
Schrankdienst: Elisabeth
Blumendienst: Ursel
Stubenälteste: Elsbeth