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KLV-Lagertagebücher Helmut Stuckert (1943/44)

Nachdem Anfang Dezember 1993 in der Kölner Lokalpresse ein Zeitungsartikel erschienen war, in dem über die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an den erfolgreichen Unternehmer Helmut Stuckert wegen dessen sozialem Engagement berichtet wurde, erhielt der Geehrte kurze Zeit später den Anruf eines früheren Mitschülers. Helmut Stuckert berichtet weiter:

„Bei einem Treffen, zusammen mit einem weiteren Mitschüler (…) wurden, wie das so üblich ist, viele Erinnerungen ausgetauscht. Dann kamen die Tagebücher auf den Tisch. Helle Begeisterung ob all der festgehaltenen vielen Namen und Ereignisse! Das müsste man doch veröffentlichen und... (aber das ganz zum Schluss!). Dann fand sich im Nachlass der Mutter auch noch der umfangreiche Briefwechsel.“

Helmut Stuckert setzte sich intensiv mit den Inhalten auseinander und transkribierte sowohl Tagebücher als auch Briefe – „wortwörtlich“, wie er betonte. „Ganz bewusst unterblieb jegliche Bearbeitung. Der Originaltext des- 14/15-Jährigen soll für sich sprechen. Ohne jeden Kommentar.“

Er plante die Veröffentlichung der Unterlagen, wozu es letztlich aber nicht kam. In der hierfür bereits formulierten „Einleitung“ heißt es:

„Der Verfasser will nicht langweilen mit allzu detaillierten und präzisen Schilderungen der Zeit umstände. Die Einleitung soll helfen, jungen Lesern das damalige Umfeld verständlich zu machen und damaligen Zeitgenossen behilflich sein, eigene Erinnerungen aufzufrischen.“ Zum Aufenthalt in KLV-Lagern führte Stuckert u.a. aus:

„Es bestand eine straffe Organisation unter Führung der Hitlerjugend. Den Kern bildete die Schule mit ihrem aus der Heimat mitgebrachten Stamm an Schülern und Lehrern. Statt Direktor hieß der Chef des Schulbetriebes jetzt ‚Lagerleiter‘. Die aus der Heimat bekannte Organisation ‚Jungvolk‘ (10-14 Jahre) und HJ (14-18. Jahre) (…) war die politische Klammer des Lagerlebens. Hier hieß der Chef ‚Lagermannschaftsführer‘ und war meist ein von außen kommender HJ-Führer. Er unterstand den regionalen Vorgesetzen in der HJ -- und Parteihierarchie. Funktionen unterhalb des Lagermannschaftsführers wurden mit Lagerinsassen, mi t deren heimatlichen Jungvolk- oder HJ-Dienstgraden - sofern vorhanden - oder einfach nach Eignung besetzt. Gesteuert wurde das alles von einer Leitstelle, die etwa das Gebiet von der Größe eines heutigen Regierungsbezirkes kontrollierte. In diesem Fall war die Leitstelle in Reichenberg. Das System war perfekt und hatte alles absolut fest im Griff.

Wir konnten naturgemäß in dem Alter keine Nazis sein. Wir waren vielmehr Kinder und Jugendliche in einer Diktatur, die es, wie alle Diktaturen, verstanden hat, die Jugendlichen für ihre Zwecke einzuspannen und in einer nicht zu bestreitenden Perfektion zu begeistern, vormilitärisch auszubilden, um sie dann später zu missbrauchen.

Die Auszüge, oft nur kurze aus zig Zeilen, sollen deutlich machen, wie ein 14/15-Jähriger unter den geschilderten Umständen lebte, dachte und fühlte, was ihn wie und wie stark beschäftigte. Wie alltäglich der Tod erschien und schon als beinahe normal - wenn auch traurig - akzeptiert werden musste.“

Weil sich eine Veröffentlichung zerschlug, stellte Helmut die drei Tagebücher seiner KLV-Zeit in Einsiedl und Rokitnitz aus den Jahren 1943/44 dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im Rahmen eines Projekts zur KLV im Jahr 1999 in voller Länge zur Verfügung. Weil es damals noch nicht die heute übliche Form der Reproduktion durch Scan gab, wurden die einzelnen Seiten herkömmlich kopiert. Nur einige wenige Seiten wurden abfotografiert. Sie sind hier jeweils an der passenden Stelle eingefügt. Nach intensiven, leider vergeblichen Recherchen im Jahr 2016 müssen die Originale leider als verschollen gelten.

Aus der KLV-Zeit Helmut Stuckerts sind in den „Editionen zur Geschichte“ zudem zahlreiche Briefe von seiner Mutter an ihn und jene, die er an seine Mutter richtete, ebenso abrufbar wie ein weiteres Tagebuch, das die Zeit nach der KLV bis weit ins Jahr 1945 hinein umfasst.