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Lagertagebuch des KLV-Lagers "Forelle" in Ober-Seidorf von Heinz Rudersdorff (1944/45)

Heinz Rudersdorff stellte sein KLV-Lagertagebuch dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im Rahmen eines Projekts zur KLV im Jahr 2000 kurzfristig zur Reproduktion zur Verfügung.

Der im September 1930 geborene Schüler der Kölner Mittelschule Dagobertstraße wurde 1944 ins KLV-Lager „Forelle“ in Oberseidorf verschickt. Seine Eindrücke zu dieser Verschickung fasste er 1999 so zusammen

"Im Juli 1944 wurden mehrere Klassen unserer Schule wegen der vielen Bombenangriffe auf Köln mit den Lehrkräften in KLV geschickt. Unsere Klasse wurde in Ober-Seidorf bei Hirschberg im Riesengebirge im Ferienhaus "Forelle" einquartiert.

Im Januar 1945 hörten wir das Grollen der sich nähernden Ostfront bei Breslau. Deshalb wurden wir am 28.01.1945 mit dem Zug über Dresden nach Oberrheinsdorf bei Plauen im Vogtland verlegt. Die Unterbringung erfolgte in einem großen Tanzsaal, der als Schlaf-, Ess-, Unterrichts- und Freizeitraum diente.

Am 17.04.1945 wurde der Ort von amerikanischen Panzern eingenommen. Ab Juni fuhr unsere Lehrerin, Frau Feldmann, immer wieder zu der amerikanischen Kommandatur in die naheliegende Kreisstadt und verhandelte mit den Offizieren über unseren Rücktransport nach Köln.

Am 13. Juli 1945 kam sie mit der Nachricht zurück, dass wir am übernächsten Tag die Heimreise antreten würden, da das Gebiet den Russen übergeben würde. Wir wurden mit unserem Gepäck auf mehrere Anhänger verladen, und Traktoren brachten uns zur bayrischen Grenze nach Hof. Dort wurde uns ein Güterwagen zugewiesen, und wir wurden binnen fünf Tagen, in denen wir immer wieder an andere Güterzüge angehängt wurden, nach Bonn und von dort mit der Vorgebirgsbahn nach Köln gebracht.

Am 22. Juli 1945 kamen wir nach einjähriger Abwesenheit wieder in Köln an."

Erlebnisse aus der KLV

für

Heinz Rudersdorff

Mein Tagebuch

Ade mein Köln

 

 

Fahrt in Rübezahls Reich

"Hurra, es geht ins Lager!" Morgens um 11 Uhr haben wir uns auf dem Bahnhof Deutz Tief versammelt. Alle sind froh. Es soll ins schöne Riesengebirge gehen. Der Zug hat scheinbar noch keine Lust zu kommen. Es ist ½ 12 geworden. Da dampft unser Zug zum Bahnhof herein. Schnell wird von Vater und Schwester Abschied genommen. Nun heißt es aber nur rein, daß man noch einen guten Platz erwischt. Ein großes Gedränge findet vor der Wagentür statt. Nun bin ich glücklich mit meinem Gepäck drin. Doch leider kann ich nicht ans Fenster. Ein Ruck und der Zug zieht an. Noch schnell einmal einen Blick zum Dom, den wir für lange Zeit nicht mehr sehen sollten. Jetzt braust der Zug zum Bahnhof hinaus. Ade mein Köln.

Langsam ordnen wir unsere Gepäck-

 

 

stücke und jeder setzt sich auf einen Platz. Ich habe leider keinen Fensterplatz. Aber das macht auch nichts. Jeder sieht doch gleich viel. Langsam dampft der Zug Wuppertal zu. Nun wird aber einmal nachgesehen, was die Mutter eingepackt hat. Es sind viele leckere Sachen. Doch jetzt haben wir keinen Hunger dafür. Wir fahren die Wupper entlang. Alle bestaunen die große schöne Seilschwebebahn. Doch es geht weiter. Wir fahren durch Wuppertal. Ein Junge stimmt ein Lied an und alle singen mit. Die Wagenräder begleiten uns mit ihrem Takt. Der Zug braust weiter. Das Rheinland liegt hinter uns. Wir kommen an Hagen vorbei und nähern uns Soest. Hier wird Halt gemacht. Einige Jungen steigen aus und holen Kaffee und Butterbrote. Dann geht es wieder weiter. Alle

singen fröhliche Lieder. Der Zug braust durch Hamm. Von weitem ist der Paderborner Dom und die Porta Westfalika zu sehen. Ein Junge sieht zum Fenster hinaus. Doch plötzlich zieht er wieder schnell seinen Kopf zurück, schiebt das Fenster zu und sagt: "Do küt ne Tunnel." Und schon ist es völlig dunkel. Der Tunnel ist 300 m lang. Im Nu ist es wieder hell. Langsam bricht die Dämmerung herein. Wir sind jetzt in Thüringen. Es fängt an zu regnen. Der Zug dampft Nordhausen zu. Langsam begeben wir uns zur Ruhe. Ich ziehe mir meine Schuhe aus und hole meine Decke. Während ich langsam einschlummere, werde ich plötzlich wieder von lautem Getöse geweckt. Wir fahren über eine Brücke. Ich schaue zum Fenster hinaus. Gespensterhaft stehen die Bäume da und ragen ihre Kronen gegen den Himmel. Es regnet

 

 

in Strömen. Langsam schlafe ich ein. Die Räder singen mir ein Abendlied. Noch einmal werde ich in der Nacht geweckt. Wir rangieren im Leipziger Bahnhof. Doch ich schlafe wieder schnell ein. Am Morgen werde ich früh wach. Der Zug steht. Wir sind in Dresden-Neustadt. Unsere Maschine wird gewechselt. Nun geht es mit großen Schritten Schlesien zu. Es hat aufgehört zu regnen und die Sonne scheint warm zum Fenster hinein. Wir sehen viele große Bauernhöfe. Die Landschaft wird langsam gebirgisch. Um 8 Uhr sind wir in Görlitz. Hier bekommen wir eine elektrische Maschine, die sich für das hügelige Land besser eignet. Jetzt geht es schnell weiter. Bald haben wir Reichenberg passiert. Nun sehen wir schon die Umrisse des Riesengebirges. Jedes nächste größere Dorf ist

Hirschberg. Doch wir haben uns immer getäuscht. Wir stehen alle am Fenster und singen. Plötzlich ruft einer: "Do is jo de Schneekopp. Kuk ens do, om Kamm lid noch Schnee." Andere rufen: "Wo es dann de Schneekopp? Wo es dann Aupa?" Doch der Zug fährt weiter. Plötzlich läuft er im Bahnhof Hirschberg ein. Wir hätten vor Freude einen Luftsprung machen können. Schnell laden wir unser Gepäck aus. Dann be-

 

 

kommen wir von der N.S.V. Semmel und Kaffee. Nachdem wir sie gegessen haben, nehmen wir unsere Gepäckstücke und tragen sie zur Straßenbahnhaltestelle. Dort wird unsere Schule in drei Lager verteilt. In die Lager Rothengrundbaude, Forelle und Ferienheim. Ich komme in das Lager Forelle. Schnell laden wir unser Gepäck in die Wagen und dann geht es Richtung Giersdorf. Wir fahren an den Giersdorfer Teichen vorbei und kommen nach einstündiger Fahrt in Giersdorf an. Dort laden wir unsere Gepäckstücke auf einen Pferdewagen und machen uns zu Fuß auf den Weg nach Ober-Geidorf. Nach ¾ stündigem Gang stehen wir vor dem schönen Lager Forelle, das für die nächste Zeit unsere neue Heimat werden soll.

Tagesplan
Dienstag 17.8.44

Tagesspruch: Dem Mutigen gehört die Welt!

7.00 Uhr Wecken
7.45 Uhr Stubenabnahme
8.00 Uhr Kaffee trinken
8.30 Uhr Schule
12.30 Uhr Mittagessen
13.00 - 14.30 Uhr Mittagsruhe
15.00 - 17.00 Uhr Pilze sammeln
17.00 Uhr Kaffee trinken
17.15 - 19.00 Uhr Silentium
19.00 Uhr Abendessen
19.30 - 21.00 Uhr Schreibstunde
21.00 Uhr Lagerruhe

L.M.F.     Lagerleiter: Knepper

 

Wir sammeln Pilze

Wanderung nach Groß Aupa

Heute stand auf dem Tagesplan: Wanderung. Unser Ziel sollte die kleine Teichbaude sein. Doch es war nicht so. Nachdem wir Kaffe getrunken hatten, verteilte unsere Wirtschaftsleiterin Frau Scholz Butterbrote. Dann ließ unser L.M.F. antreten und mit einem fröhlichen Lied marschierten wir zum Tor hinaus. Zuerst gingen wir eine Abkürzung durch den Wald. Es war ein herrlicher Morgen. Nach kurzer Zeit hatten wir die Raschkenhäuser erreicht. Von hieraus gingen wir über die Landstra-

 

 

ße und hatten nach kurzer Zeit die Brodbaude erreicht. Hier bogen wir rechts ab Richtung Schlingelbaude. Es war ein herrlicher Waldweg, der langsam anstieg.

Wir sangen fröhliche Wanderlieder und so hatten wir bald die Schlingbaude erreicht. Hier bogen wir links ab zur kleinen Teichbaude. Von der Schlingbaude aus hatten wir einen herrlichen Ausblick auf den Kamm. Die Prinz-Heinrich Baude blickte stolz zu uns herab. Doch wir gingen weiter. Auf dem Wege überquerten wir einen Gebirgsbach, der zur Talsperrenbaude in Krumhübel führte. Gegen 11 Uhr erreichten wir die kl. Teichbaude.

 

 

Hier machten wir Rast und aßen einen Teller Erbsensuppe und ein Butterbrot. Hier sollte unsere schöne Wanderung schon zu Ende sein? Nein, das konnte nicht sein. An einem so schönen Tag mußten wir weiter. Deshalb fragte unsere Klasse den Lagerleiter, ob wir nach Aupa gehen dürften. Doch die Antwort war leider Nein. Trotzdem, wir mußten hin. Wie, war gleich. Unsere Klasse war im vorigen Jahr dort in K.L.V. gewesen und wir wollten die Leute noch einmal besuchen. Also mußten wir eben ohne Erlaubnis gehen. Als unser Lagerleiter einen Augenblick nicht auf uns aufpaßte, waren wir auch schon fort. Im Eilmarsch ging es

bergauf zur Hampelbaude. Wir liefen förmlich. Schon nach einigen Minuten waren wir auf dem Kamm und von weitem sahen wir schon das Schlesierhaus und die Riesenbaude. Wir waren alle froh über die geglückte Tat. Mit Eilschritten ging es an einer Wetterstation vorbei und bald hatten wir auch das Schlesierhaus erreicht. Hier bogen wir rechts ab in den Riesengrund. Hier waren wir jetzt

 

 

im Sudetenland. Diese Seite des Riesengebirges gefiel mir viel besser. Es war ein herrlicher Blick in den Riesengrund. Gegenüber von uns liegt der Brunnenberg, der zweithöchste Berg im Riesengebirge. Langsam fangen wir an zu schwitzen. Wir ziehen uns unsere Winterblusen aus. Die Sonne drückt uns. Aber es geht weiter. Immer bergab. Am Ende des Riesengrundes liegt Petzer. Hier gehen drei Jungen in das Hotel "Post" herein, in welchem sie im vorigen Jahr waren. Zu 7 Jungen gehen wir über die Landstraße weiter nach Groß Aupa. Neben uns fließt die Aupa. Wir haben alle Durst und freuen uns schon auf ein kaltes Glas Wasser. Bald haben wir Groß Aupa erreicht. Bei dem Radium Hotel gehen wir über eine Brücke. Von hier führt ein schmaler Pfad zu den Häusern Mergans. Dort gehen (gehen) wir herein.

Die Leute freuen sich sehr über unseren Besuch. Wir bekommen zu trinken und zu essen. Es ist 1 Uhr. Um ½ 2 kommen die 3 Kameraden von Petzer nach. Dann müssen wir uns leider wieder von den Leuten verabschieden, denn wir wollen vor der Dunkelheit wieder zu Hause sein. Mit frischem Mut geht es den steilen Weg zur Leichnerbaude herauf. Die Sonne meint es zu gut mit uns. Der Schweiß kommt uns aus allen Poren heraus. Wir verzwei-

 

 

feln bald. Wir sind alle froh, als wir die Leichnerbaude erreicht haben. Schnell kehren wir ein und jeder trinkt ein Glas Skiwasser. Dann geht es über den Kamm weiter die Schneekoppe herauf. Auf der Schneekoppe wehte ein netter Wind. Wir hatten eine herrliche Aussicht. Doch leider müssen wir bald weiter, denn es fängt schon an zu dämmern. Im Eilmarsch geht es durch den Melzergrund nach Hause.

Auf unseren Wanderungen durchs Riesengebirge haben wir viele Blumen gepflückt.

 

 

Blumen aus dem Gebirge

Wir gehen schwimmen.

Heute ist herrliches Wetter. Die Sonne scheint schon seit einigen Tagen warm vom Himmel herab. Nach der Mittagsruhe wollen wir schwimmen gehen. Wir warten schon mit Sehnsucht auf den Befehl zum raustreten. Da, die Flöte des L.M.F.s ertönt. Wir sausen mit unserem Badezeug heraus. Schnell marschieren wir zum Schwimmbad. Im Nu stehen wir in unserem Badezeug da. Heute sollen wir unser Freischwimmerzeugnis machen. Schnell kühlen wir uns ab. Dann besteigt unser L.M.F. einen Kahn und ruft uns zu: "Fertigmachen!" Wir stellen uns auf die Startklötze. "Brrrrr", die Flöte des L.M.F. ertönt. Mit einem Startsprung sind wir alle in der Brühe. Ha, ist das Wasser heute schön warm. 21°.

 

 

Langsam schwimmen wir zum Kahn und unterhalten uns mit dem L.M.F. Dann schwimmen wir im Bassin noch einige Male auf und ab. Einer von uns fragt den L.M.F.: "Wieviel Uhr hammer?" Doch er antwortet: "Ihr sit jo etz grad erenjejange!" Er will uns aber bange machen. Schon kurze Zeit darauf ruft er "Freischwimmer raus!" Unsere ¼ Stunde (war) ist

schon vorbei. Nun mußte jeder noch 3 Kopfsprünge vom 1 m Brett machen. Das ist noch am schwersten. Aber mir glücken alle 3 Sprünge. Viele von uns machen auch Bauchplatscher. Das macht aber nichts. Die Hauptsache ist, daß wir unsere Prüfung bestanden haben. Wir schwimmen noch etwas und üben uns noch im Springen. Mit einem fröhlichen Lied auf den Lippen kehren wir [heim].

 

 

Tischsprüche

Wer jeden Tag nur Kuchen ißt,
Pastete und Schokolade,
der Kerl weiß nicht, wann Sonntag ist
und so was find ich schade.

In der aller größten Not,
schmeckt die Wurst auch ohne Brot.

Wir essen bis der Magen quillt
und der Blinddarm Hilfe brüllt.

Heute ist nicht schwer zu raten,
denn im Gang da riecht man`s schon,
heute gibt es einen Braten,
dieses ist der Wochenlohn.

Wenn keiner einen Tischspruch kann,
dann fangen wir eben ohne ihn an.

Wir waren auch im Cirkus Busch

In einer Papierfabrik.

Heute nachmittag waren wir mit dem Lagerleiter im Krumhübel eine Papierfabrik besichtigen. Wir konnten sehen, wie der Holzklotz zu Papier verarbeitet wurde. Dieser Vorgang war sehr interessant. Zuerst kommen die Stämme, die gleich lang geschnitten waren, in eine Schälmaschine. Von hieraus wurden die von der Rinde säuberlich befreiten Stämme mit einem Förderband in einen Stapelraum gebracht. Dort wurden sie von einem Mann in einen Aufzug gelegt. Der Aufzug wurde dann in einen großen Ofen herabgelassen, der eine Hitze von 1800° erzeugte. In dem Aufzug wurden sie gepreßt und zum Verarbeitungsraum gebracht. Hier wurde das Holz zerhackt und zerkleinert. Nachdem es mit Wasser verdünnt war, wurde dieser Brei mit Mühl-

 

 

steinen zerrieben und auf ein langes Band weiter geleitet. Dieses Band brachte den Brei zu großen Walzen, die ihn preßten. Da die Walzen stark erhitzt waren, wurde dieser Brei steif und formte sich zu einem langen Band. Mit der Zeit wurde dieses Band immer dünner und wurde so feines Papier. Am Ende der Walzen stand eine Schneidemaschine, die das Papier in bestimmte Größen schnitt. Zum Schluß bekamen wir noch den Hochofen gezeigt, der die Walzen antrieb. In dem Ofen befand sich eine Hitze von 1800°.

Sommerfest in [Mittel-] Schreiberhau.

Bei einem Lagertreffen in Schreiberhau kamen drei Junge- und Mädchenlager zusammen. Morgens fand ein Singwettstreit statt. Jedes Lager sang ein Feierlied, ein fröhliches und ein Marschlied. Mittags

Zeichnung: Nun habe ich kein Geld mehr!

 

 

aßen wir im Tonkünstlerheim. Nachmittags wurden Spiele aufgeführt. Die Mädchenlager führten Tänze auf. Unser Lager spielte das Stehgreifspiel: "Fritzchen in der Schule". Die anderen Jungenlager spielten: "Der Student aus dem Paradies" und "Das Radio". Nachher wurden die Preise im Singen bekannt gegeben. Unser Lager hatte morgens am zweitbesten gesungen.

Zeichnung: Fritzchen in der Schule

Eine schöne Kammwanderung.

Heute haben wir eine schöne Kammwanderung gemacht. Nach dem Morgenkaffee waren wir von zu Hause fortgegangen. Wir wollten zum Jugendkammhaus wandern. Deshalb gingen wir über Hainbergshöh nach Baberhäuser. Hier stießen wir auf eine schöne Bergstraße, die ins Hochgebirge führte. Diese Straße gingen wir. Die Sonne meinte es wirklich gut mit uns. Sie drückte sehr auf uns. Langsam zog sich die Straße höher und höher. An einer Brücke machten wir Rast. Doch nach kurzer Zeit gingen wir weiter. Wir bogen links ab und gingen durch den Wald einen kürzeren Weg, der aber sehr steil anstieg. Schon nach ¾ Stun-

 

 

den kamen wir auf eine Lichtung und sahen vor uns die Spindlerbaude. Wir konnten leider nicht

hineingehen, da sie mit einem K.L.V. Lager belegt war. Deshalb gingen wir noch etwas weiter und standen schon nach kurzer Zeit vor dem Jugendkammhaus "Rübezahl". Hier aß jeder einen Teller Suppe und ein Butterbrot. Als wir zum Fenster hinaus sahen, erblickten wir links von uns die Adolfbaude und die Peterbaude. Wir fragten gleich unseren Lagerleiter, ob wir dort hingehen dürften. Doch dieser sagte "Nein, wir wollen zu den Mittagssteine und weiter über den Kamm zur Hampelbaude gehen!" Also machten wir uns wieder auf den Weg Kurs Mittagssteine. Wir wanderten über die kleine Sturmhaube und das kleine Rad. Dann gelangten wir zu den Mittagssteinen. Hier machten wir Rast und kletterten auf einen (Stein) der hohen Steine. Doch hier konnten wir uns nicht sehr

 

 

lange aufhalten, denn es war schon vier Uhr. Deshalb wanderten wir wieder zur Prinz-Hein-

rich Baude. Von hier aus versuchte die ganze Lagermannschaft [???] in den großen Teich zu werfen. Doch keiner kam so weit. Deshalb gingen wir weiter bis zu dem steilen Abhang am kleinen Teich. Hier kletterten wir hinunter. Es war prima. Wir kamen uns vor wie Bergsteiger. Am Rande des Kl. T.[eiches] pflückten wir viel Enzian. Dann machten wir uns auf den Heimweg. Wir gingen den Weg kl. T.[eich] Baude, Schlingel-Baude, Brodbaude, Raschkenhäuser.

 

 

Wir alten Fußballspieler

Wir basteln.

Da in der letzten Zeit das Wetter sehr regnerisch geworden war und der Winter immer näher rückte, hatte ein Stubenkamerad aus Hirschberg Bastelbogen mitgebracht. Es waren Flieger und Schiffe. Zwei Vickers Wellington, fünf Rata, zwei DB 3, eine Do 217, eine Me 110, eine Fw 189, eine Ju 88, zwei Torpedoboote und ein U-Boot. Leim hatten wir in Seidorf gekauft. Ich hatte eine Vickers Wellington und ein Torpedoboot. Nun ging es aber an die Arbeit. In jeder freien Minute wurde ausgeschnitten und geleimt. Schon abends konn-

 

 

ten wir an unserer Stubendecke feierlich zwei Ratas aufhängen. Am nächsten Nachmittag kam meine Vickers Wellington und eine Me 10 dazu. Mit jedem Tag kamen ein oder zwei Flugzeuge hinzu. In einer Woche hatte unsere Stube ein sehr verändertes Bild angenommen. Doch es sollte nicht lange dauern. Schon nach einigen Wochen gefiel uns dies schon nicht mehr. Jede Maschine wurde an einem Flügel oder Motor angezündet und mußte fliegend durch unser Fenster hinaus in die Welt segeln.

Ein bunter Abend.

Schon lange hatte man im Lager von einem bunten Abend gemunkelt. Endlich, heute sollte er steigen. Jede Stube sollte mehrere Stücke bringen. Alles war in großer Aufregung, denn das K.L.V. Lager Ferienheim sollte auch kommen. Also dürfte es keine Blamage geben. Gestern und heute morgen hatten wir schon tüchtig geübt. Also konnte es nicht fehlschlagen. Nachmittags wurde so etwas Ähnliches wie eine Bühne hergestellt. Um 6 Uhr wurde schon zu Abend gegessen. Um ½ 7 sollte es losgehen. Die

 

 

Zuschauer hatten sich pünktlich eingefunden. Also konnten wir anfangen. Zuerst spielte Stube 8. Sie hatte schöne Stücke. Als erstes brachte sie den "Rübezahl", der einige Worte zu uns sprach. Unter anderem sagte er: "I bin der Berggeist Riebezohl. Mei hom ist nich weit von hie. I hob a Nachts sahn, wie ihr an die Appala ganga sat. Das gehört sich aber für a K.L.V. Jungs nich. Loßts euch gesog sei. Loßt von mei Bäuma ab. Dos seins all mei Krika, und ohne Krika kann der olte Riebezahl die schläsische Appela nich hüta." Als zweites spielten sie das

Stehgreifspiel "Die große Oper" und als drittes Spiel "Till und der Parkwärter. Dann kam Stube 1 an die Reihe, auf welcher ich lag. Als erstes Spiel brachten wir: "Der Gänsebraten" und als zweites: "Blinde Kuh". Hierbei spielte ich einen Studenten. Bei dem Gewichtheben, das wir ebenfalls brachten, war ich ein Clown. Das letzte Stück möchte ich aber ausführlich erzählen. Es hieß: "Der heilige Antonius". Wie man auf dem Bild sieht, steht ein Junge als hl. Antonius verkleidet als Denkmal da. Ein Bäuerlein kommt herein und fängt an, mit sich zu reden, daß es ein gutes Geschäft gemacht habe. Eine Kuh habe er für 100 Taler verkauft. Dieses hörte ein abgedankter Offizier. Gleich kam er zum Bäuerlein und sagte: "Du, Bäuerlein, hast du Geld?" Da bekam das Bäuerlein Angst und verneinte die Frage.

 

 

Da machte er mit ihm aus, sie wollten den hl. Antonius bitten, daß er ihnen Geld gäbe. Erfüllte er ihnen den Wunsch, so wollten sie sich das Geld teilen. Gesagt, getan... Beide knieten sich nieder und baten um einige Taler. Doch das Bäuerlein wollte nicht recht. Es versuchte immer zu entkommen. Der Offizier hielt ihn aber immer fest. Plötzlich sagte der Offizier: "Bäuerle, er lächelt! Laßt uns nachsehen, wem er das Geld geschenkt hat." Beide fingen an zu suchen. Da sagte das Bäuerle: "Ich hab´nichts!" Doch da entriß ihm der Offizier das Beutelchen mit den 100 Talern aus der Tasche und fing an zu teilen. Traurig mußte dann das Bäuerle mit 50 Talern nach Hause gehen.

Dann spielten Stube 19 u. 18. Sie spielten hauptsächlich Witze. Um 9 Uhr war der schöne Abend beendet.

Der Überfall!

Es war Sonntagabend. Wir hatten schon gegessen und befanden uns alle auf unseren Stuben. Rum rum, rum bum, was war das? War da einer auf unserem Dach? Nein, das konnte nicht sein. Es war schon dunkel. Aber es schien so. Plötzlich hörten wir Rufe, Fenster klirrten, Flüche wurden ausgestoßen. Was war denn da los. Wir rannten über den Flur der Türe zu. Was wir da sahen, glaubten wir selber nicht. Steine flogen uns entgegen. Wir wurden geblendet. Keiner wußte, was los war. Draußen sahen wir Feuer. Das konnte nur ein Überfall sein. Im selben Augenblick

 

 

Zeichnungen: Bei der Verfolgung – Karl und ich beim Bearbeiten von „dem“.

erschien unser Lagerleiter und welche von der Klasse 5. Mit einem Satz waren sie vor der Tür. Da zogen sich die Angreifer zurück. Sofort nahm Herr Lehrer Knepper mit der Klasse 5 die Verfolgung auf. Diese Lumpen, es sollte ihnen teuer zu stehen kommen, diese Störung. Die Verfolgung ging in Laufschritt über. Da die Angreifer das Gebiet um uns schlecht kannten, ließen sie sich schön treiben. Also trieb man sie gegen einen großen Stacheldrahtzaun. Als sie dieses bemerkten, machten sie Halt und setzten sich zur Wehr. Es kam zu einem erbitterten Kampf, bei dem unser Lagerleiter tüchtig mit schlug. Hierbei wurden vier Gefangene eingebracht. Die anderen ergriffen die Flucht. Diese mußten aber auch noch abgefangen [werden]. Als die Gefangenen

 

 

eingebracht wurden, gab uns der Lagerleiter die Erlaubnis, daß die Klasse 4 die Verfolgung mit aufnehmen durfte. Also ihnen nach. Hinter dem Teichmannshof fingen wir noch einen ab. Old Elefant und ich sollten ihn zum Lagerleiter bringen. Also machten wir uns mit ihm auf den Weg. Plötzlich, als wir uns unter der großen Buche kurz vor unserem Lager befanden, sagte [er]: "Weiter gehe ich nicht!" Also mußten wir ihm nachhelfen. Doch er setzte sich stark zur Wehr. Also nieder mit ihm und vermöbelt. Als wir ihn fragten, ob er nun mitginge, verneinte er. Nun ja, dann mußten wir ihn noch schlimmer zurichten. Nach ungefähr 5 Minuten schnappten wir ihn beim Fraß [?] und schleppten ihn zum Ll.. Noch 2 folgten ihm. Der Überfall war abgeschlagen.

Der Winter zieht ins Land

Der Nikolaus kommt.

Wir saßen alle, gespannt, was da kommen mag, in unserem Eßsaal. Der Nikolaus sollte kommen. Ei, war das eine Freude. Wir hatten schon einige Weihnachtslieder gesungen, bei denen uns die beiden Akkordeonspieler Hans Karl Schmidt und Helmut Greis begleiteten. Nun war es soweit. Draußen hörten wir [es] schellen. Da ging die Tür auf und herein trat ein Nikolaus. Sein Haupt bedeckte eine Pelzmütze. Ein langer, weißer Bart floß auf seine Brust herab. Aus weißem Fell hatte er einen Mantel um. In der linken Hand hatte er einen Stock und eine Schelle und in der rechten einen

 

 

prall gefüllten Sack. Würdevoll blickte er uns an. Dann fragte er: "Bin ich hier in dem K.L.V. Lager Forelle?" Nachdem wir seine Frage bejaht hatten, legte er seinen Sack nieder. Dann richtete er einige liebe Worte an uns und zog einen Zettel aus der Tasche. Langsam las er einige Namen vor und ließ die

aufgerufenen Jungen zu sich kommen. Nachdem er sie auf Fehler der vergangenen Lagerzeit aufmerksam gemachte hatte, gab er jedem eine Tüte mit Leckereien und sie waren entlassen. Bei jedem Jungen hatte er etwas auszusetzen. Nun kam auch [ich] an die Reihe. Zu mir sagte er: "Du bist ja sonst ein ganz anständiger Junge, aber du mußt morgens früher aufstehen." Dann reichte er mir eine Tüte und ich konnte mich wieder setzen. Bei anderen sagte er z. B. "Du darfst nicht so viel mit den Kuchenmädchen poussieren", oder "Du darfst das nächste Mal nicht mehr so lange Finger machen", oder zum Ll.: "Sie sind ein guter Ll., machen sie nur so weiter." Zum Abschied sangen wir noch ein Lied und er ging wieder.

 

 

Zeichnung: Zum erstenmal auf Brettern

Schon lange hatten wir unsere Bretter startbereit gemacht. Heih, heute sollte es endlich losgehen. Als wir heute morgen aus dem Fenster hinaus blickten, sahen wir, daß alle Hänge bedeckt waren. War das eine Freude. Sehnsüchtige Blicke hatten wir in den Schulstunden zum Fenster hinausgeworfen. Es war noch feste am Schneien. Wäre es doch nur schon Nachmittag. Doch die Zeit verging schnell. Nach dem Mittagessen bekamen wir vom Lagerleiter Erlaubnis, unsere Bretter anzuschnallen. Also ging es hinaus auf den Hang gleich am Hause. Die Bretter wurden angeschnallt. Die Bindung saß gut. Aber, war das ein Gefühl. Nun sausten auch schon die ersten, welche schon Ski fahren konnten, den Hang hinunter. Oh,

 

 

wie sah sich das schön und leicht an. Aber nachmachen, nein, das war nicht so leicht. Nun stieß ich mich mit meinen Stöcken ab. Heih, wie ging das schön. Aber, was war das denn? Die Bretter liefen mir ja unter den Füßen fort und Plums, da lag ich auch schon. Doch ich richtete mich so schnell es ging mit viel Mühe wieder auf und stieß mich wieder ab. Dieses Mal beugte ich mich mehr vorne über und es ging auch schon besser. Allmählich wurde die Fahrt immer schneller. Was sollte das geben? Ich näherte mich immer mehr dem Bretterzaun. Ich versuchte eine Kurve zu fahren. Aber Plums, da lag ich auch schon wieder im Schnee. Langsam erhob ich mich wieder und wollte den Hang (wieder) hinaufgehen. Doch das war nicht leicht. Kaum

stand ich aufrecht und versuchte hinaufzugehen, da lag ich auch schon wieder mit der Nase im Schnee. Also mußte ich es machen wie die anderen, nämlich im Zickzackkurs hinaufgehen. Ich fiel aber trotzdem noch bald zehnmal, bis ich oben angelangt war. So übten wir nun den ganzen Nachmittag bis ½ 6 Uhr. Oft fiel ich noch hin. Aber das machte nichts. Am nächsten Tag lernte ich schon eine Linkskurve fahren. Das war aber nicht leicht. Doch durch Übung lernt man alles.

 

 

Gespenster in der Nacht

Ein Hilfeschrei tönt durch die Stube. Im Nu sind wir alle wach. Es ist dunkel, als wir zum Fenster hinaus sehen. Aber woher kam dann der Schrei? Da läßt sich unser Stubenkamerad Paliwoda hören: "Da, da draußen sind Kerle. Einer von ihnen hat einen Zylinder an. Da, jetzt stehen sie hinter der Bude. Eben standen sie vor unserem Fenster." Im Nu sind wir aus den Betten und stehen am Fenster. Doch es ist nichts zu sehen. Da kommt auch schon unser L.M.F., der von dem Lärm erwachte, herein. Egon erzählt ihm den Verlauf der Sache. Da beruhigt ihn

unser L.M.F. und sagt, daß wir wieder ins Bett gehen sollen. Das tun wir. Doch kaum liegen wir im Bett, da fängt Egon schon wieder an: "Da draußen, da gehen sie schon wieder. Sie gehen an der Mauer entlang zum Schuppen." Nun wollten wir aber doch einmal sehen, was sie machten. Deshalb mußten immer 2 Wache halten. Doch wir bekamen nichts von ihnen zu sehen.

 

 

Trara, die Post ist da!

Endlich geht die Tür auf und herein tritt die Briefträgerin. Sie gibt Fräulein Feldheim die Post für die Jungen aus dem Ferienheim. Dann bekommen noch einige Jungen einen Einschreibebrief. Nach den Schulstunden gehen wir in unser Lager. Vor dem Essen muß alles raustreten. Post wird verteilt. Gespannt höre ich hin. Da ertönt auch schon mein Name. Es ist ein Brief von Mutter. Hastig öffne ich ihn und im nächsten Augenblick habe ich mich in ihn vertieft.

Weihnachten im Lager

 

 

Heute herrschte reges Treiben im Lager. Es war der 24. Dezember 44. Die letzten Vorbereitungen für Weihnachten mußte noch getroffen werden. Gerstern hatten wir schon ein Bäumchen für unsere Stube geholt. Unser Baumschmuck war auch schon fertig. Kerzen hatten wir uns aus Skiwachs gemacht. Also machten wir uns dran, unsere Stube so schön wie möglich zu machen. Um 11 Uhr gab es zum zweiten Frühstück eine Nudelsuppe da es in Schlesien Sitte ist, Heiligabend erst um 5 Uhr zu Mittag zu essen. Nachmittags machten wir unser Bäumchen fertig. Um 5 Uhr aßen wir im kleinen Eßsaal zu Mittag. Es gab Salzkartoffeln, Sose und eine lange Knackwurst. Dann stellten wir uns vor unserem großen Eßsaal auf. Die Spannung war groß. Alles war fertig zur Bescherung.

Da ging auch schon die Tür auf. Als erstes trat der Lagerleiter ein. Dann folgte einer nach dem anderen. Oh, welch ein herrlicher Anblick war das. Das Zimmer war von Kerzenflammen erleuchtet. In einer Ecke stand ein großer, schön geschmückter Weihnachtsbaum. Da drunter stand eine Krippe mit wunderschönen Figuren. Die Tische waren mit weißen Tischtüchern bedeckt und mit Geschenken hoch beladen. Jeder ging an seinen Platz der mit seinem Namen bezeichnet war. Zuerst hielt uns unser Lagerleiter eine Ansprache in der er besonders uns an die zu Hause und an die Soldaten die das Weihnachtsfest nicht feiern konnten, erinnerte. Dann sangen wir gemeinsam das Lied: „Stille Nacht, heilige Nacht“. In Gedanken waren wir alle bei denen daheim. Anschließend

 

 

richtete Herr Dr. Greiser und unser L.M.F. einige Worte an [uns]. Als wir noch ein Weihnachtslied gesungen hatten, durften wir uns unsere Gaben ansehen und sie mit auf unsere Stuben nehmen. Aber was lag da nicht alle[s]? Was war das Christkind doch reich gewesen. Auf meinem Platz standen: ein Teller mit leckeren Sachen, darauf lag ein Sparbuch mit drei Reichsmark, ein Leneal, ein Kamm, zwei schöne Bücher, eine Briefmappe mit Briefpapier, ein Sträußchen Edelweiß und viele andere Sachen. Freudig nahmen wir unsere Sachen und gingen auf unsere Stuben. Hier zündeten wir die Kerzen an unserem Bäumchen an und sangen noch viele Weihnachtslieder bei denen uns unser Stubenkamerad Hans Karl Schmitt mit seinem Akordion begleitete.

Mit den Brettern zur Schlingbaude

Für heute nachmittag war Ski fahren angesetzt. Hei, das sollte prima werden, denn heute nacht hatte es feste geschneit. Aber ich hatte keine Lust, auf unserer alten Übungswiese zu fahren. Heute wollte ich zur Schlingelbaude. Doch aus unserer Klasse wollte keiner mit mir fahren. Dafür fanden sich aber zwei Jungen aus der Klasse 5, Peter Schlömer und Jochem Prevo. Nach dem Essen machten wir uns auf. Vor der Tür schnallten wir unsere Skier an und mit frischem Mut zogen wir hin-

 

 

tereinander zum Tor hinaus. Wir bogen gleich rechts ab und waren bald im weißen Märchenwald verschwunden. Der Weg stieg langsam an. Bald kamen die Schneekappen der Raschkenhäuser in Sicht. Nun noch ein gutes Stück über die Landstraße und wir hatten die Brodbaude erreicht. Doch hier halten wir uns nicht lange auf. Bald sind wir wieder im Wald verschwunden auf dem Weg zur Schlingelbaude. Der Weg wurde

steiler, und bald kam uns der Schweiß aus allen Poren. Ein flinker Rodelschlitten oder Jungen und Mädchen auf Brettern sausten zuweilen an uns vorüber. Nach einer Weile hatten wir auf einer weiten Lichtung die Schlingelbaude erreicht. Die Hänge waren mit Skifahrern übersät. Hier oben lag ein W.E. Lager. Wir schnallten unsere Bretter ab und traten ein. Nachdem jeder ein Glas Skiwasser getrunken hatte, traten wir den Heimweg an. (Vo) Draußen schnallten wir uns wie-

 

 

der unsere Bretter an, und nun ging es los. In rasender Fahrt sausten wir wie der Wind durch den Wald. Die Wegweiser huschten nur so an uns vorbei. Schon nach ganz kurzer Zeit hatten wir die Brodbaude erreicht. Gleich waren wir wieder im Wald verschwunden und sausten Kurs Lager. Es fing schon an zu dämmern. Die Raschkenhäuser konnten wir nur als Schatten erkennen. Vor unserem Lager machte Jochem noch Spitzensalat. Stolz fuhren wir zum Tor hinein.

Prosit Neujahr!

 

 

Die Uhr hatte 10 geschlagen. Nun noch 2 Stunden und es war soweit. Unsere Stubenbelegschaft saß in froher Runde um den Tisch. Jeder hatte ein Glas Bier vor sich stehen. Auf dem Tisch stand eine Schüssel mit Kuchen und Plätzchen von denen zu Hause. Gegen 11 Uhr aßen wir Brötchen und Würstchen. Zwei Jungen hatten nämlich Brot- und Fleischmarken geschickt bekommen. Dann erzählten wir lustige Geschichten und Witze. Langsam kam Stimmung in den Laden. Hans Karl Schmitt nahm sein Akkordeon hervor und spielte was das Zeug hielt. Wir sangen viele Rheinlieder. Um ¼ 12 Uhr kamen wir im Eßsaal zusammen. Jeder bekam einen Teller mit Kuchen und Karamellen. Um 12 Uhr wünschte uns unser Lagerl. ein glückliches neues Jahr und hielt eine kurze Ansprache. Anschließend gingen wir in unseren Spiegelsaal und hörten die Füh-

rerrede. Dann gingen wir wieder auf unsere Stuben. Nun wurde Krach gemacht. Wir ließen hohle Schlüssel, die mit Pulver gefüllt waren losgehen. Es krachte an allen Ecken im Hause. Auf unserer Stube sangen wir noch einige Lieder und um 12 ½ Uhr legten wir uns in unsere Betten.

Als wir morgens aufstanden, hatte es feste geschneit. Mit noch einigen Kameraden fuhr ich mit den Brettern ins Dorf zur Kirche. Es war eine herrliche Fahrt die Wüstliche hinunter.

 

 

Umzug ins K.L.V. Lager: Ferienheim

Bald hatte die ganz Lagermannschaft sich in der Küche versammelt. Was war dann eigentlich los? Frau Scholz war von Breslau zurückgekommen und hatte die traurige Nachricht mitgebracht, daß unser Lager aufgelöst werden sollte. Klasse 2 und 4 sollten ins Ferienheim und Klasse 5 in die Rothengrundbaude kommen. So eine Schiete. Sollten wir wegen Berlinern unser Lager, das uns schon zur zweiten Heimat geworden war, verlassen. Aber es war nicht s mehr dran zu ändern. Alles Schimpfen half nichts. Also fingen wir an unsere Sachen zu packen. Als alles fertig war, begann der Umzug. Pakete und Koffer wurden auf einen Schlitten geladen und dann ging es schnell wie der Wind den Weg hinunter. Vor dem Ferienheim nahmen wir unsere Koffer vom Schlitten und gingen auf die Stuben, wo wir mit Freuden aufgenommen wurden.

 

 

Eine schöne Schlittenfahrt

Heute sind Sonntag. Da Frau Ruthe mich zum Kaffee eingeladen hat, will ich auch hingehen. Aber, zu Fuß gehen? Nein, warum das denn? Draußen liegt Schnee. Die Straße ist spiegelglatt. Ich nehme mir einen Schlitten und gehe vor unser Haus. Kaum sitze ich drauf, geht es auch schon los. Die Geschwindigkeit steigt schnell an. Schnell wie der Wind geht es die Landstraße hinunter. Ich komme mir vor, als flöge ich an den Häusern vorbei. Plötzlich sehe ich kurz vor mir einen Pferdeschlitten. Schnell ein wenig den linken Ansatz auf die Erde und ich bin auch schon an ihm vorbei. Jetzt bin ich auch schon an der Abkürzung nach Seidorf,

die Wüstliche. Schnell eine halbe Linkskurve und die wilde Fahrt geht los. Eine Kurve nach der anderen. Plötzlich eine Rinne vor mir. Mein Schlitten fliegt mit mir durch die Luft. Kaum bin ich wieder auf der Erde, geht die tolle Fahrt schon weiter. Schon wieder eine Rinne. "Rums" und es geht schon wieder weiter. Noch mehrere Rinnen folgen. Nun bin ich schon am Kriegerdenkmal. Ich reiße meinen Schlitten herum und es geht auf der Landstraße wieder weiter ins Dorf hinein. Langsam nimmt mein Schlitten an Geschwindigkeit ab. Am Hotel "Schneekoppe" komme ich zum Stehen. Ich nehme mir den Schlitten und gehe zu Familie Ruthe, wo ich mit Freude empfangen werde.

 

 

Die Russen kommen!

Voll Besorgnis schauten wir täglich auf die Landkarte. Nun standen die Russen schon vor Breslau. Das war bedenklich nahe. Als wir eines Morgens in der Schule sitzen, geht plötzlich die Tür auf und die Briefträgerin tritt herein. Sie überreicht Frl. Feldmann ein Telegramm in dem steht, daß wir so schnell wie möglich unser Lager verlassen sollten und uns in Dresden melden mußten. Der Unter-

richt wird sofort abgebrochen und das Packen beginnt. Am Sonntag, den 28. Januar geht es los. In Hirschberg ist der Bahnhof propfenvoll. Mit unserem Gepäck scheint es fast unmöglich, durchzukommen, aber auch das [haben] wir geschafft. Gestern abend erwischten wir einen Zug nach Polaun. Am Zugende wird ein Güterwagen angehängt, in dem wir mit unserem Gepäck kommen. Ein paar Kameraden und Gepäck bleiben in Hirschberg zurück. In der gleichen Nacht holen sie uns aber noch ein. In dem Güterwagen herrscht eine Saukälte. Trotzdem wir sehr warm angezogen sind, frieren wir sehr. Ein Junge stimmt ein Lied an und alle

 

 

singen feste mit. In der Nacht erreichen wir Polaun. Hier nehmen wir unser Gepäck und steigen in die Personenwagen um. Doch hier ist es auch nicht wärmer. Wir schnallen unsere Decken ab und drehen uns darin ein. Morgens um 6 Uhr fahren wir weiter. Doch wir sind noch keine 5 Minuten gefahren, da steht der Zug schon wieder. Doch am selben Morgen erreichen wir noch Gablons und bald darauf Reichenberg.

Hier bekommen wir Suppe und trockene Schnitten von der N.S.V. Nach längerem Warten fahren wir wieder weiter. In der Nacht vom 29. zum 30. um 3 Uhr erreichen wir Dresden-Neustadt. Hier laden wir unser Gepäck aus und stellen es im Bahnhof unter. 8 Jungen werden zur Kofferwache bestimmt. Jeder bekommt von der N.S.V. ein Paketchen Butterbrote. Dann fahren wir mit der Straßenbahn nach Radebeul. Nach langem Suchen finden wir in einer Schule Quartier. Nachdem wir uns gewaschen haben, bekommen wir Schnitten mit Wurst, Käse und Tee. Als wir uns satt gegessen haben, gehen wir in einen uns angewiesenen Schulraum. Ermattet lassen wir uns auf die Strohsäcke fallen, die auf der Erde liegen

 

 

und schlafen schnell ein. Morgens um 10 Uhr werden wir geweckt. Schnell waschen wir uns und essen noch einmal gut. Dann verlassen wir die Schule und fahren mit der Straßenbahn wieder zum Bahnhof. Um 12 Uhr sollten wir mit einem Zug nach Auerbach fahren. Doch diesen Zug verpassen wir. Der nächste soll um 3 Uhr vom Hauptbahnhof fahren. Deshalb fahren wir mit unserem Gepäck hin. Kurz vor 2 Uhr fährt der Zug ein. Wir stürmen die Wagentüren. Doch im Augenblick ist alles besetzt. Mit viel Drängen gelingt es mir aber doch noch, mit meinem Gepäck in ein Abtei zu kommen. Im Nu sind die Gepäcknetze mit Gepäck überfüllt. Dann fangen wir an, unsere Koffer zu stapeln. Bald ist das ganze Abteil voll

Gepäck gepropft. Mit Mühe finden wir noch Platz zum Stehen. Ich stehe mit mehreren Kameraden an der Tür. Als die N.S.V. Schwester mit Butterbroten vorbei kommt, springe ich mit meinen Kameraden heraus und versorge unser Abteil mit Butterbroten. Endlich, abends um 6 Uhr fährt unser Zug ab. Über Chemnitz fahrend erreichen wir um Mitternacht Zwickau. Hier bekommen wir Suppe. Am anderen Morgen geht's weiter nach Auerbach. Langweilig müssen wir den ganzen Tag auf dem Bahnhof sitzen, um abends nach Reichenbach weiterzufahren. Dort werden wir mit einem Autobus abgeholt. Wohl heißt es in Oberheinsdorf, es sei ein Durchgangslager, aber es soll ganz anders werden.

 

 

Im neuen Lager

Das sogenannte Durchgangslager in Oberheinsdorf ist ein großer Saal, in dem viele doppelte Holzbetten stehen. Eine Bühne ist auch vorhanden, die mittlerweile schon oft von uns benutzt wurde. Besonders erfolgreich war unser Abend bei den Stücken "Förster und Wilddieb" und "Gustav Nachtigall unter Kannibalen". Die nächstliegende Stadt von hier ist Reichenbach. Die Verbindung dorthin besteht mit einer Rollbahn. Unsere Umgebung ist ziemlich hügelig. Nach einem Gang von 10 Minuten können wir

den nächsten Wald erreichen.

Als wir im Lager Oberheinsdorf ankamen, waren wir alle sehr enttäuscht. Wir sagten alle: "In 14 Tagen bin ich fort, hier bleibe ich nicht lang". Obwohl die Räumlichkeit sehr begrenzt ist, geht das Essen. Trotz dem Saal, in dem wir essen, Schule halten und schlafen, sind wir froh, daß [wir] von den Russen gut fortgekommen sind.

 

 

Unser "Osterfest"

Am 1. April feierten wir unser erstes Osterfest in der K.L.V. Morgens ging bald die ganze Lagermannschaft nach Reichenbach zur Kirche. Um 10.30 Uhr wurden wir beschert. Als wir in unseren Saal kamen, bot sich uns ein herrlicher Anblick. Auf den Tischen waren weiße Tischtücher. Jeder ging an seinen Platz. Dort stand ein Teller mit einem gebackenen Osterhasen, eine Butterschnitte mit Ei, zwei Plätzchen und ein Osterei, das schön bunt angemalt war. Unser Lagerleiter hielt eine kleine Ansprache. Dann setzten wir uns nieder und ließen es uns gut schmecken. Zu Mittag gab es eine Fleischsuppe, Salzkartoffeln, Fleisch und Soße. An diesem Tag hielten wir aber mit vollen Bäuchen die Mittagsruhe. Zum Kaffee gab es Kuchen.

 

 

Zeichnung: Zum KLV-Lager --- Nach Köln

Die "Amerikaner" kommen

 

 

Jeden Tag kreisen die alliierten Fliegerverbände über uns, in der Ferne wimmert die Arie. Man merkt es, die Front rückt näher. Am 16. April räumen wir uns im Keller einen Platz ein, wenn es zu einer Artilleriebeschießung kommen sollte, so sind wir wenigstens gesichert. Amerikanische Tiefflieger beschießen täglich Reichenbach und Neumarkt. Herr Blechschmied bekommt heute wieder eine

Sendung Fleischkonserven und verteilt diese an die Bevölkerung von Oberheinsdorf. Dieselben Verteilungen sind auch in allen anderen Städten und Dörfern. Die Nacht vom 16. zum 17. April ist sehr unruhig. Feindliche Artillerie schießt nach Reichenbach. Die Bevölkerung ist durch die vielen Gerüchte sehr aufgeregt. Einige wollen schon die Panzer gesehen haben, andere schon die Besatzungen, die, wie sie sagen, aus schwarzen Soldaten bestünde. Aber alles ist nur Wichtigtuerei. Am 17. April wird plötzlich Panzeralarm gegeben. Alles rennt wie verrückt. Wir packen uns die wichtigsten Sachen in den Schulranzen. Jeder bekommt eine Büchse Fleisch, die sofort aufgemacht und ein Teil ver-

 

 

speist wird. Es ist ½ 3 Uhr. Auf der Straße entsteht plötzlich reges Leben. Ich trete auf die Straße und höre in der Ferne leises Rasseln. Bald macht mich einer auf einen Panzer aufmerksam, der am Waldrande steht. Da sind ja noch welche, also sind die Amerikaner schon da. Beim Bürgermeister fährt ein amerikanisches Auto vor. An den Häusern hängen die ersten weißen Fahnen. Kein Schuß fällt. Auf

der Straße kann man keinen mehr sehen, sie ist wie leer gefegt. Bald rasseln über die Straße, die an unserem Lager vorbei führt, die ersten Panzer vorüber, der Ort ist also sang- und klanglos dem Feind überlassen. Wir Jungen hängen an den Fenstern und beschauen uns die unendlichen Mengen von amerikanischem Material. Unsere Lehrpersonen haben furchtbare Mühe, uns von den Fenstern fernzuhalten. Schließlich wird uns auch noch der Gang im Saal verwehrt, auf die Betten dürfen wir auch nicht. Also bleibt uns nichts anderes übrig, als uns an den Tisch zu setzen. Plötzlich hören wir, daß ein Auto vor unserem Haus hält. Bald darauf treten zwei Yankees in unseren Saal. Einer, wir hatten bald

 

 

einen Spitznamen für ihn, hatte 5 Pistolen an, sowie einige Messer in seinem Stiefelschaft. Er hieß bei uns der "Pistolenheld". Leider fanden die Herren Amerikaner nichts bei uns, was für sie feindselig sein könnte. Alle Leute mußten ihre Waffen abgeben, dazu gehörten auch unsere schönen Fahrtenmesser. Die Amerikaner vertrieben sich den ganzen Nachmittag mit Messerwerfen und Pistolenschnappen. Jeder versuchte seine Varietekünste. Einer wirbelte seine Pistole hoch in die Luft, ergriff sie aber sofort so, daß er den Finger sofort am Abzug hatte. Ein Amerikaner riß

plötzlich, als wir austreten wollten, seine Pistole aus dem Gurt und zielte auf uns. Wir hauten ab wie die Teufel und über sein Gesicht glitt ein herrisches Lächeln. Abends gingen wir schlafen, in dem Gedanken an die jetzt so folgenschweren, verflossenen Stunden des Einmarsches. Wo mochten jetzt die Eltern sein? Auch bei unseren Feinden? War ihnen auch nichts passiert? Haben sie den Einmarsch auch so verbracht wie wir? Hoffentlich. Aber alle diese Fragen können wir leider noch nicht beantworten.

 

 

Unser Lesestoff Karl May

Bald nach dem Einmarsch der Amerikaner erschienen auf den Plakatsäulen die ersten Bekanntmachungen. Unter anderem stand dort auch: Sämtliche Schulen sind bis auf weiteres geschlossen. Jetzt waren wir diese Qual Gott sei Dank los. Es dauerte nicht lange, so hatten wir auch schon die Schulbücherei von Oberheinsdorf entdeckt. Nun schmökerten wir von morgens bis abends Karl May. Besonders der alte Dessauer, Halbblut, der blaurote Metusalem und vom Rhein zur Mapime vertreiben uns gut die Zeit. Nun hatten wir keine Langeweile mehr.

Wir sammeln Wildgemüse

[spätere Ergänzungen?:]

fiel wegen Regen aus!

Heimkehr zur Mutter!

Am 22. Juli 1945 Wiedersehen in Colonia.

 

 

Und wieder zur Schule.