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Chronik des KLV-Lagers Haus "Seeblick" in Fischerkathen (1943)

Diese "Chronik" wurde dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im Rahmen eines Projekts zur KLV im Jahr 1999 von Frau Lieselotte Schneider zu Reproduktionszwecken zur Verfügung gestellt.

Es handelt sich im vorliegenden Fall um eine Verschickung von Frankfurt/Oder an die Ostsee. Die 1925 geborene Lieselotte Schneider teilte zu der Quelle noch Folgendes mit:

"Ich war examinierte Kindergärtnerin und außerdem Jungmädelführerin und war für die außerschulische Betreuung der 4. Oberschulmädchenklasse (Höhere Mädchenschule / Lyzeum in Frankfurt/Oder) zuständig.
Meine Tätigkeit bei der KLV führte mich 1943 nach Fischerkathen an der Ostsee. Meine Teilnahme war freiwillig.
Besonders erinnere ich mich an ein vom Krieg unbehindertes Leben und Arbeiten in herrlicher Landschaft. Unser Briefkontakt war ohne Zensur. Jeder war im Lager - in gutem Einvernehmen - für seinen Bereich zuständig.

Die Rückreise Ende Oktober 1943 erfolgte mit den Lehrern.

Wesentlich war, daß wir nichts vom Krieg spürten und recht unbeschwert und heiter lebten und eine gute Kameradschaft hatten!"

Chronik des K.L.V.-Lagers Haus "Seeblick".

Wir wollen, daß ihr eine fröhliche und freudige Jugend sein sollt. Ihr sollt nicht mit vergrämten Gesichtern herumgehen, sondern ihr sollt lachend in die Welt hineinblicken. Und ihr habt Grund dazu, denn diese Welt, eure Welt, unser Volk, unser Reich: sie sind schöner geworden, als sie je zuvor waren! Und daher sollt ihr auch diese Schönheit kennenlernen. Ihr sollt und müßt Deutschland kennenlernen, damit ihr es so ganz in eure jungen Herzen aufnehmen und es ganz lieben könnt.

Der Führer.

K.L.V. nach Fischerkathen

Es geht nach Fischerkathen.

Endlich war der langersehnte Tag gekommen, der KLV-Transport unserer Schule sollte an die Ostsee abgehen. Um 3 Uhr morgens lag ich vor Aufregung schon wach in meinem Bett und überlegte, wie die Fahrt auf dem Dampfer wohl werden würde und ob in meinem Koffer auch nichts fehle. Pünktlich um 6 Uhr stand ich mit meinen Eltern und einem großen Koffer am Bollwerk, wo der Dampfer abfahren sollte. Dort wimmelte es von Menschen. Alle Mütter, Väter, Omas, Tanten und Geschwister waren fast vollzählig versammelt. Die Freundinnen erzählten sich aufgeregt, wieviel paar Schnitten sie mit hätten und was für Wurst darauf sei. Die Zeit verging und wir wunderten uns, daß der Dampfer noch

nicht kam. Ein Führer erzählte uns schließlich: "Die Wasserstände sind plötzlich um 30 cm gefallen, und bei Tebus liegen schon 2 Dampfer fest, nun müßt Ihr mit der Bahn fahren". Die Enttäuschung war aber bald vorbei, denn es kamen schon mehrere Wagen, die unsere Koffer zum Bahnhof fuhren. Wir mußten uns zu drei Gliedern aufstellen, und dann zogen wir fröhlich singend durch die Frankfurter Straßen zum Bahnhof, wo

schon ein Sonderzug auf uns wartete. Bald waren wir alle gut verfrachtet und verabschiedeten uns noch zum letzten Male von unseren Eltern. Jetzt ruckte der Zug an, der uns ein halbes Jahr von unseren Eltern trennen sollte. Die Taschentücher flatterten noch solange im Winde, bis Frankfurt unseren Augen entschwunden war. Wir aber fuhren frohen Herzens einem unbekannten Ziel entgegen.

Die ersten Tage im Lager.

Am 6. Mai abends, kurz nach sechs Uhr, treffen wir mit der Rheinbahn in Fischerkathen ein. Zuerst werden unsere Koffer fortgefahren. Dann ziehen wir mit fröhlichen Liedern nach dem Haus Seeblick, das uns für ein halbes Jahr das Zuhause sein soll. Unter der Tür empfängt uns freudestrahlend die freundliche Wirtin, Frau Klitzke, und geleitet uns in den Eßsaal. Dort stehen einladend auf sauberen,

einheitlichen Holztischen die dampfende Milchsuppe und Berge von appetitlichen Butterstullen. Heißhungrig stürzen wir uns an die Tische. Aber erst nachdem unsere Führerin einen fröhlichen Tischspruch gesagt hat, dürfen wir darangehen, uns zu stärken. Zum Sprechen hat fast niemand Zeit, man hört nur das Geklapper der Teller und Löffel. Endlich sind wir satt, nachdem wir mindestens jeder zwei bis drei Teller voll gegessen haben. Wenn wir bei solcher Nahrung nicht zunehmen! Nun dürfen wir auf-

stehen und Lilo Horn, die Lagermädelführerin, läßt uns vor dem Haus antreten. Es sollen die Zimmer verteilt werden. Alles plappert aufgeregt durcheinander. Jeder möchte ein Zimmer mit fließendem Wasser, den Blick nach der See zu. Ein Machtwort von Lilo bringt uns wieder zur Ruhe. Wir müssen uns noch ein Weilchen gedulden, denn es heißt, die vierten Klassen müssen wieder auswandern, es haben nicht alle Platz. Aber unsere Lehrer und die Hauptlagermädelführerin wissen Rat. Der Raum reicht aus. Nun beginnt die Verteilung der Zimmer. Alle Wünsche werden befriedigt, wenn auch nicht jeder ein Zimmer nach dem Meer zu bekommt.

Schnell packen wir noch unsere Sachen aus. Dann waschen wir uns, putzen die Zähne und sinken zufrieden in das Bett. Unsere Führerinnen und Lehrer sagen uns noch "Gute Nacht!" Dann wickeln wir uns in die Decken. Bald fallen uns die Augen zu und wir schlafen ein.

Am anderen Morgen weckt uns ein Pfiff. "Alles aufstehen, in 45 Minuten unten zum Morgenappell antreten!" Munter springen wir aus den Betten. Schnell noch einen Blick aus dem Fenster, eh' es ans Waschbecken geht! Draußen ist herrliches Wetter. Haus Seeblick liegt mitten im Wald, der vor der emporragenden Düne zurücktritt. Hinter dieser aber dehnt sich eine endlose Fläche, die Ostsee, aus.

Wir sind alle in fröhlicher Stimmung und waschen uns gründ-

lich, damit wir ordentlich frisch für den Morgenappell sind. Nach kurzer Zeit, wir sind aber mit den Betten fertig geworden, ertönt von neuem der uns jetzt schon vertraute Pfiff: "Antreten zum Morgenappell!" Alle Türen öffnen sich und wir flitzen hinunter, um anzutreten. Barbara, die Unterführerin, gibt die Kommandos. Wir stellen uns im offenen Viereck auf. Nach einigen Minuten kommen die Lehrer und Lilo. Wir singen ein Morgenlied. Lilo gibt uns die Losung des Tages. Dann gehen wir

hinauf in den Eßsaal zum Frühstück. Es gibt schöne, süße Suppen und Butterstullen. Es mundet uns allen vortrefflich. Nach dem Frühstück ziehen wir uns schnell die Mäntel an, denn, trotzdem die Sonne scheint, ist der Wind doch ziemlich kalt. Nun gehen wir mit Lilo und Barbara hinunter an den Strand. Unsere Augen leuchten, sollen doch viele die See zum ersten Mal sehen. Lachend und schreiend klettern wir den Weg zur Düne hinauf, um von oben die See zu bewundern. Unsere Erwartungen wer-

den nicht getäuscht. Still schauen wir den brausenden Wogen zu, die sich schon weit draußen brechen. Aber nicht lange halten wir es auf der Düne aus. Jubelnd stürmen wir hinunter zum Strand. Dort verteilen wir uns. Einige suchen Muscheln, andere Steine. Viele Kleine aber erfreuen sich daran, daß sie, so weit das Wasser reicht, an die See herangehen, um bei der nächsten Welle zurückzulaufen. - Lange sind wir so am Strand, beobachten die Möwen und das Meer. Die Zeit wird uns gar nicht lang. So sind wir ganz erstaunt, als Lilo pfeift, um uns für den Heimweg zu versammeln, denn es ist Essenszeit. Nach dem Essen müssen wir zwei Stunden schlafen. Um 3 Uhr werden wir wieder geweckt. Wieder ganz frisch, machen wir uns fertig zum Kaffeetrinken. Im Eßsaal setzen wir uns wieder an unsere Plätze und greifen tüchtig zu. Dann geht es wieder an den Strand. Wir stellen uns im großen Kreis auf, singen Lieder und spielen. Um fünf Uhr ziehen wir dann

wieder in das Lager zurück. - Es ist Schreibstunde. Begeistert berichten wir unseren Eltern von der Fahrt, dem Haus Seeblick, von der See. Kaum ist die Schreibstunde zu Ende, als es auch schon wieder Abendbrot gibt. Herrliche Fruchtsuppe wird aufgetragen. Dazu gibt es drei Butterstullen. Wir sind alle genudelt voll. Eilig gehen wir hinauf in die Zimmer, denn Lilo kommt herum, um sich die Schränke anzusehen. Bei uns ist alles in Ordnung. Die Zeit bis zum Schlafengehen verkürzen wir uns noch durch Erzählen. Punkt einundzwanzig Uhr liegt das ganze Lager in tiefer Stille. Noch in den Ohren das Rauschen der Wellen, träumen wir von wundervollen, sonnigen Tagen an der Ostsee, von der wir kugelrund und wie Beduinen braun gebrannt zurückkehren werden.

Die erste Morgenfeier.

Zwei schöne Tage haben wir schon in Fischerkathen verlebt, nun rückt der Sonntag heran und mit ihm die erste Morgenfeier. Am Morgen lacht die Sonne vom Himmel herab, und fröhlich singend rücken die einzelnen Lager an den schönen Ostseestrand ab, denn dort soll die Feier stattfinden. Schon von weitem hören wir das Meer rauschen, u. als wir auf der Düne stehen, weht uns ein frischer Seewind entgegen. Wir sind von der unendlichen Weite des tiefblauen Meeres überwältigt, es braust heute besonders wuchtig mit seinen Wellen daher, diese überschlagen sich und tragen weiße Schaumkronen. Wir atmen ein-

mal ganz tief die schöne frische Seeluft ein und denken daran, daß wir noch fünf herrliche Monate in Licht, Luft und Sonne verleben dürfen. Am Strand nehmen wir im Viereck Aufstellung. Hie und da ertönen noch Kommandos, plötzlich erschallt ein kurzes "Achtung", die Mädel richten sich schnell aus, und dann blickt alles auf die Hauptlagermädelführerin. Die Morgenfeier steht unter dem Thema: Die Treue! "Wo wir stehen, steht die Treue...", klingt als Einleitung in den hellen Morgen, es folgt ein Spruch des Führers. Danach wird die

2. Strophe gesungen, wieder sagt eine Sprecherin Worte des Führers:

"Mögen die anderen auch spotten und lachen,
ihr werdet einmal Deutschlands Zukunft sein,
ihr seid das Volk und auf euch ruht die Vollendung dessen,
um was wir heute kämpfen!"

Dann berichten uns Sprecher vom Weltkrieg, der uns so viele Opfer gekostet hat, von den Männern, die ihr Leben für die Bewegung gelassen haben, bis Deutschland endlich in neuer Freiheit erstand und der greise Feldmarschall den Führer zum Reichskanzler ernannte und damit das Schicksal Deutschlands in seine Hände legte. Eine andere Sprecherin las nun mit fester und klarer Stimme die Worte des Führers an die Jugend vor.

"Wenn wir wieder ein Deutschland der Treue gestalten wollen, müßt ihr einst Träger dieser Treue sein!"

Weiter heißt es in dem Führerwort: "Ihr sollt das Deutschland der

Zukunft sein, und wenn einst die großen Kolonnen singend durch Deutschland marschieren, dann weiß ich, daß ihr euch anschließt, u. alle wissen wir: Vor uns liegt Deutschland, in uns marschiert Deutschland und hinter uns kommt Deutschland!" So fallen die letzten Worte aus. Das Meer im Hintergrund rauscht und es herrscht tiefe Stille, jeder ist in sich versunken, um das Gehörte voll in sich aufzunehmen. Durch die Begrüßungsworte der Hauptlagermädelführerin werden wir in unseren Gedanken unterbrochen. Sie macht uns klar, daß wir dankbar sein sollen, hier am schönen Ostseestrand 5 Monate verleben zu dürfen. Es sei ein einmaliges Geschenk des Führers, welches uns zu tiefstem Dank und Gehorsam verpflichtet. Vor allen Dingen in diesem Kriege, der das Sein oder Nichtsein unseres Volkes bestimme, sei die KLV etwas ganz Großes. Nach diesen Worten singen wir zum Abschluß: "Deutschland, heiliges Wort". Dann rücken die Lager lautlos ab. Vom Eindruck der Morgenfeier gefangen, gehen wir zurück.

Auf dem Leuchtturm.

Als wir beinahe drei Wochen im Lager waren, hieß es: "Morgen gehen wir zum Leuchtturm". Da hopsten wir alle vor Freude hoch. Unser Zimmer interessierte sich besonders dafür, denn von unserem Fenster konnen wir den Leuchtturm sehen. Nachts blinkte sein helles Licht an unserem Schrank. Eine Tanne, die vor unserem Haus stand, malte gespenstige Schatten darauf. Jede Bewegung durch den Wind konnten wir beobachten. Am anderen Tag marschierten wir um 8 Uhr los, immer nahe an den Dünen durch den Wald, dann bogen wir nach

Horst ein. Nun konnte man den Leuchtturm schon ganz deutlich mit allen Einzelheiten erkennen. Um 3/4 10 Uhr standen wir vor ihm. Um 10 Uhr wurde er aber erst geöffnet. Vorher bekamen wir noch unsere Stulle und lagerten uns ein bißchen, dann war es soweit. Schon war der 1. Schub oben. Sie riefen und winkten uns von oben zu. Dann kamen die Nächsten dran. Als diese oben standen, wurden wir ungeduldig. Uns dauerte die kurze Zeit, die sie oben waren, noch viel zu lange. Endlich war es soweit. Wir gingen mit Gestöhn und Gelach die 192 Stufen des Turmes nach oben. Zum Schluß kam noch die Hühnerleiter. Oben wehte ein frischer Wind. Ab und zu kamen Marienkäferchen hochgeflogen. Wir bewunderten die kleinen Tierchen, die 67 m in die Höhe geflogen waren. Bunt breitete sich die Erde aus, und im hellen Sonnenschein lag das Meer vor uns. Die Menschen unter uns waren zu Zwergen geworden. Alles war winzig klein. Die große Wiese, wo wir vorher gelegen

hatten, war zu einem Taschentuch zusammengeschrumpft. Bald hieß es, unserer Ansicht nach viel zu früh, "Hinuntergehen". Um 1 Uhr waren wir wieder im Lager. Nach einen kräftigen Mittagessen warfen wir uns todmüde zur Mittagsruhe in die Betten. Noch lange dachten wir an den schönen Ausflug.

Die Quarantäne.

Als wir am 2. Pfingstfeiertag nach einem aufregendem Völkerballspiel ins Haus traten, begegneten wir Frau Dr. Königer und einer Krankenschwester. Sofort begannen einige zu flüstern: "Wer ist krank?" Gisela kam gerade vorbei. Sie fragte ich. Aber Gisela hatte keine Zeit, sie sagte mir: "Gerda Zeserich", und fort war sie. Ich zerbrach mir den Kopf: Was mochte Gerda fehlen? Am Mittagstisch sollten wir es erfahren. Hörnchen verkündete: "Eine von uns hat Scharlach: Gerda Zeserich. Es ist euch strengstens untersagt, ihr Zimmer zu betreten. Wir haben Quarantäne, d.h. Lagersperre." Ein eisiger Schreck durchfuhr uns. Meine Güte, Scharlach, Quarantäne! Was sind das für

böse Worte! Schade, und am nächsten Tage wollten wir ins Kino fahren. Das war jetzt natürlich ausgeschlossen. Aber das war ja nicht das Schlimmste. Traurig nur, daß einige Mädel Eltern oder Geschwister hier hatten und mit ihnen nicht mehr zusammenkommen durften. Alles war bestürzt. Aber Hörnchen beruhigte uns. Auf einmal kam mir ein Gedanke: "Hurra, die Inspektion kann nicht kommen! Wir brauchen also nicht auf sie zu warten!" Na also, eine gute Seite hat die Sache doch! Na und wir haben uns dann auch langsam an diesen Zustand gewöhnt. Es ist zum Piepen, wie sämtliche Badegäste einen Bogen um uns machen, als seien wir Aussätzige. Wenn nur Gerda bald gesund wird und kein 2. Fall auftritt, das ist ja schließlich die Hauptsache. Die Quarantäne aber wird auch einmal ein Ende haben. Dann werden wir erst richtig sehen, wie schön es ist, von der Gemeinschaft nicht ausgeschlossen zu sein.

Die Inspektion.

"Na, sowas! Gerade Pfingsten muß die Inspektion kommen. Nun wird natürlich nichts aus dem geplanten Pfingstausflug. Und ich habe mich schon so darauf gefreut!" Wütend setze ich mich auf mein Bett und starre vor mich hin. Ich hatte mir den Ausflug schon so schön ausgemalt, und jetzt ... Aber, was sein muß, muß sein. Ich stand auf, machte Schrank und Schubfach auf und besah mir alles einmal gründlich. Nein, so konnte das nicht bleiben! Die ganzen Sachen wurden auf das Bett gepackt. Dann ging ich ans Einräumen. Zuerst das Fach im Schrank. "Alles muß genau auf Kante liegen!" Dachte ich immer wieder. Das war schon ein gutes Stück Arbeit. Aber

schließlich sah das Fach doch ganz ordentlich aus. Das Schubfach ging schneller einzuräumen. Ich war bald damit fertig. Nun wurden noch schnell Kamm und Bürste sauber gemacht und das Zahnglas überpoliert. So, nun konnte meinetwegen die Inspektion kommen. Sie kam aber nicht. Wir warteten bis zum Abend vergebens auf sie. Schließlich sagte unsere Lagermädelführerin: "Ich glaube nicht, daß die Inspektion heute noch kommt. Freut Euch aber nicht zu sehr, da kommt sie eben morgen!" Freilich konnte sie noch nicht ahnen, daß wir am nächsten Tage Quarantäne haben würden und daß es verboten wäre, zu uns ins Lager zu kommen.

Das erste Bad in der Ostsee.

Das erste Bad in der See war für uns, das heißt Klasse 3 und 4, ein Unerlaubtes. Die ganze Zeit hatte es uns schon geärgert, daß die Badeerlaubnis aus Stettin immer noch nicht da war und wir nur mit den Füßen ins Wasser durften. Die Ärztin und Hörnchen, unsere Lagermädelführerin, hätten uns das Baden bestimmt erlaubt.

Es war an einem ziemlich schwülen Tag. Wir hatten mit Hörnchen Sportnachmittag. Als wir schon ziemlich lange geturnt hatten, sagte

sie auf einmal: "Wir haben jetzt genug Sport getrieben. Wir gehen noch schnell einmal mit den Füßen ins Wasser und dann nach Hause!" Au, fein! Wir liefen und rannten auf das Wasser zu. Es war ein schöner Wellengang und wir wurden natürlich, mehr oder weniger absichtlich, etwas nasser, als wir eigentlich sollten. Da hörten wir Hörnchens Pfiff. Sollten wir etwa jetzt schon wieder 'raus? Neugierig versammelten wir uns um Hörnchen. An ihrem Gesicht merkten wir schon, daß es etwas Schönes sein mußte. "Hört mal!" sagte sie dann auch, "Ihr habt ja selbst gemerkt, daß es anfängt zu regnen. Tunkt Euch ruhig einmal unter. Wir sind eben durch den Regen so naß geworden. Aber nur, wenn Ihr zu Hause noch Wäsche zum Wechseln habt!" Das gab ein Hallo! Mit einem fröhlichen "Hinein!" warfen wir uns in die Wellen. Die meisten versuchten gleich ihre Schwimmkunst. Es war zu schön, sich von den schäumenden Wellen auf und ab werfen zu lassen. Leider dauerte

das Ganze nur sehr kurze Zeit. Aber für das erste Bad war es immerhin lange genug. Und weil es verboten war, war es doppelt schön.

Der Reichsjugendsportwettkampf.

Die Englein im Himmel schienen in dieser Woche ein großes Vergnügen daran zu haben, die alte Mutter Erde aus ihren mit Himmelwasser gefüllten silbernen Gießkannen zu beregnen. Sie freuten sich, daß da unten in Fischerkathen an dem großen Meer viele Kinder die Nasen an die Fensterscheibe drückten und nach einem Fleckchen blauen Himmels Ausschau hielten. Die Mädel hatten nämlich etwas Besonderes vor. Sie wollten im Nachbarort die Reichsjugendsportwettkämpfe machen, um die Siegernadel zu erwerben. Nach einigen Tagen hatte der weißbärtige alte Petrus endlich wieder gute Laune.

Freundlich schmunzelnd sah er auf die Erde. -

Dort unten in Fischerkathen marschierten die Jungmädel singend und mit frischem Mut zum Horster Sportplatz. Nach gemeinsamer Morgenfeier ging es an den Kampf. In drei verschiedenen Gruppen aufgeteilt, wollten wir zeigen, daß wir auch sportlich gute Leistungen erzielen können. In Weitsprung, Lauf und Ballweitwurf mußten 180 Punkte erreicht werden. Es war sehr viel Betrieb, aufgeregt wurden die Ergebnisse untereinander ausgetauscht. Pünktlich zum Mittag waren alle fertig. Sehr gespannt traten wir zur Siegerehrung an. Und dann, welcher Jubel, durchschnittlich war der Sportwettkampf recht gut ausgegangen, wir "Seeblicker" hatten die zweitbeste Gesamtpunktzahl. Froh singend marschierten wir ins Lager zurück. Die einen über ihre Leistungen erfreut, die anderen mit dem festen Willen, es das nächste Mal besser zu machen.

Der Abend des 21. Juni naht. Am Strand wartet ein großer Scheiterhaufen auf sein Verbrennen. Endlich ist es soweit. 75 Mädel treten an, um die Sonnenwendfeier mitzuerleben. Schweigend marschieren wir zum Strand. Im Halbkreis mit dem Gesicht zum Meer stellen wir uns auf. "Siehe es leuchtet die Schwelle ...", da wird das trockene und dürre Holz angezündet. Langsam frißt es sich weiter. Im Kreis ist tiefes Schweigen. Das Lied: "Wo immer das Leben erglommen ..." klingt auf. Fast wird der Gesang von dem ewig rauschenden Meer übertönt. "Was dich auch bedrohe, eine heilige Lohe gibt die Sonnenkraft ..." so heißt ein Spruch, der uns Aufruf und Verpflichtung ist. - Das Feuer hat sich durchgefressen, und hohe Flammen schla-

gen zum Himmel empor. Heiß brennt es in den Gesichtern der Mädel. Wieder werden Lieder gesungen und Sprüche aufgesagt, die in der Dämmerung des Abends verhallen und die feierliche Stimmung steigern. Dann werden Kränze geweiht. Der erste für die, die für Deutschland im Kriege starben. Der zweite den Toten der deutschen Revolution. Der dritte wurde der deutschen Jugend zum großen Einsatz geweiht. Wieder werden Feierlieder gesungen, der Sonnenball versinkt im Meer und langsam glimmt unser Feuer aus. Schweigend wie wir gekommen, so marschieren wir auch ab. Zwei bleiben als Feuerwache zurück. Ich glaube, jedes Mädel wird diese Feierstunde als die Schönste, und als Erinnerung an die KLV-Zeit, tief im Herzen bewahren.

Unsere Sonnenwendfeier

Erzählerwettstreit.

Begeistert standen wir alle um dies große Plakat, daß Hörnchen soeben im Flur befestigt hatte. "Erzählerwettstreit". Das war doch mal ganz etwas Neues. Alle Mädel waren furchtbar aufgeregt, und in jedem Zimmer wurde eifrig getuschelt und beraten. -

Endlich war der große Tag herangerückt. Wir gingen mutig in den Eßraum, und jedem Erzähler hing das "Herz in der Hosentasche". Von einer Seite hörte man, daß sogar sämtliche Lehrer erscheinen sollten, doch dann hieß es: "Ach Blödsinn, die Lehrerschaft kommt doch dazu nicht!" Aber es war doch so! Wir hatten uns versammelt, da wurden sämtliche Ehrenplätze eingenommen. Drei große Preise

waren ausgesetzt, die uns Hörnchen aber nicht verraten wollte. "Strengt Euch nur tüchtig an", meinte sie, "Ihr werdet staunen", und dabei machte sie ein ganz geheimnisvolles Gesicht. Mit dem Lied: "Froh zu sein bedarf es wenig" begannen wir. Mir wurde abwechselnd heiß und kalt. Aber es ging alles besser, als wir dachten. Manchmal wollte das Lachen kein Ende nehmen. Einige Mädel erzählten ein Erlebnis von daheim, andere berichteten von lustigen Begebenheiten hier im Lager, andere wieder von Reisen und Fahrten. So war es sehr abwechslungsreich, und als sich der Prüfungsausschuß zurückzog, war es wirklich sehr schwer, das beste Zimmer zu bestimmen. Das "Dornröschenzimmer" errang den 1. Preis. Das Tuch wurde fortgehoben, alle waren bis zum äußersten gespannt, und als Belohnung prangte dort ein Napfkuchen, der mit seinem Zuckerguß wirklich verlockend aussah. Das Hallo war groß, und das Zimmer wurde beglück-

wünscht. Dann konnten sich die "Frösche" den 2. Preis wegschnappen, der in Gestalt des restlichen Kuchens dastand. "Max und Moritz" freuten sich diebisch über ihren dritten. Spitzbübisch lächelnd verzehrten sie 2 Stück Streuselkuchen.

Am nächsten Sonntag darauf fand im Haus "Waterland" dasselbe statt, bloß daß eben alle Lager dort versammelt waren. Die Mädel erzählten frisch und fröhlich. Es war sehr nett, und besonders die Mädel, welche in ihrem heimatlichen Dialekt sprachen, ernteten reichen Beifall. Den 1. Preis bekam Haus "Hubertus", den 2. Haus "Germana", den dritten schließlich Haus "Knispel". Wir gingen leer aus, aber das war nicht schlimm. Das nächste Mal machen wir es besser!

Die Fahrt nach Kolberg.

Bim - bim - bim - so fuhr die Rheinbahn mit den Frankfurter Mädeln aus Haus Seeblick in Fischerkathen ab. Das Ziel sollte Kolberg sein. Kolberg, ja von dieser schönen Stadt hatte ich schon oft gehört, nur hatte ich noch keine Gelegenheit, dort hinzukommen. Gerade in diesem Sommer wurde mir nun die große Freude bereitet. Wir freuten uns schon lange darauf. So fidel waren wir! Während der Bahnfahrt wurde gesungen und in den höchsten Tönen gejodelt. In Treptow mußten wir umsteigen, und in zweistündiger Fahrt gelangten wir vergnügt in Kolberg an. Dort empfingen uns zwei

Jungmädelführerinnen, die uns durch die Stadt führten und uns die Geschichte von Kolberg erzählten. Auch hatten wir das Glück zu sehen, daß ein Kriegsschiff, ein Küstenwachschiff, angelegt hatte. Als wir uns die größten und schönsten Sehenswürdigkeiten angesehen hatten, bekamen wir Freizeit. Wir teilten uns in Grüppchen auf, und jede schlug eine andere Richtung ein. Doch bald machte sich unser Magen bemerkbar, und wir gingen zunächst einmal essen. Es war uns ganz komisch, so allein ohne Vater und Mutter. Bald waren die Schüsseln geleert, und wir gingen noch ein wenig in den sehr gepflegten Anlagen spazieren. Viel zu schnell verging die Zeit. Pünktlich 3/4 2 Uhr mußten wir am Bahnhof sein. Da gab es viel zu erzählen. Schade, daß wir jetzt schon wieder heimfahren mußten. Aber es wäre nicht richtig gewesen, zu murren, hatten wir doch sooo viel Schönes erlebt.

Unser Märchenspiel.

Eines Tages verkündete Hörnchen: "Kinder, in nächster Zeit führen wir ein Märchenspiel auf. Es muß ganz fabelhaft werden. Strengt Euer Köpfchen mal ein bißchen mit an. Was für ein Märchen nehmen wir wohl? Jeder dachte nach. Verschiedene Ratschläge tauchten auf. Schließlich entschlossen wir uns für das Kunstmärchen von Volkmann-Leander: "Die drei Schwestern mit den gläsernen Herzen". Die Fragen schwirrten durcheinander: "Wann?" "Wo?" "Wie?"

Hörnchen sagte: "Nun seid erst einmal ruhig, und dann hört her. Also, ich plane ein Freilichtspiel, das ist etwas sehr schönes. Herr Lemike hat einen schönen Platz im Wald ausgesucht, der sehr geeignet ist". Nun waren wir alle Feuer und Flamme. Das Märchen wollten wir sogar selbst reimen und gut ausschmücken. Die Personen wurden ausgesucht und alles durchgesprochen. Jetzt hieß die Hauptbeschäftigung: dichten, dichten und noch einmal dichten. Dann wurde geübt. Sogar ein kleines Orchester wurde zusammengestellt: Ein Cello,

eine Geige, zwei Altflöten und sechs C-Flöten. Die Kostümprobe war auch sehr aufregend! Den ganzen Sonntag probierten wir aus. Laken und alles nur irgend Mögliche wurde verwendet. Eine tolle Aufregung. Als alles soweit fertig war, galt unsere größte Sorge dem Wetter. Davon waren wir doch abhängig. Am Sonnabend wollten wir spielen. Aber Pech! Es regnete! Na, dafür wurde es dann am Sonntagnachmittag umso schöner. Der ganze Standort und unsere Bannbeauftragte sahen unserem Spiel zu. Es klappte gut, alle waren restlos begeistert, und wir jubelten!

Eine strohgedeckte Fischerkate

Das Leistungsabzeichen.

Als wir wieder einmal Quarantäne hatten, beschloß Hörnchen, unsere Lagermädelführerin, uns das Leistungsabzeichen abzunehmen. Da wir es doch einmal ablegen wollten, früher oder später, denn dies ist ja der Wunsch und die Pflicht eines jeden Mädels, freuten wir uns sehr darauf. Bei der Abnahme des Leistungsabzeichens sollen wir beweisen, was wir im Dienst gelernt, und daß wir mit offenen Augen durch die Welt gehen. - Am nächsten Tag ging es gleich los. Wir trainierten in den Turnstunden eifrig, um die geforderten Leistun-

gen noch zu übertreffen. Auf der Düne wurde eine Sprunggrube gebaut, ein Ständer für den Hochsprung aus Leisten gebastelt, und auf der Promenade liefen wir um die Wette. Auch das Kugelstoßen mußten wir erst lernen, schafften es aber bald. Die weltanschaulichen Fragen wurden noch einmal durchgesprochen, und dann ging es los. Zuerst legten wir die sportlichen Bedingungen ab. Wir gingen hinunter zum Strand zu Hechtrolle und Weitwurf, dann auf die Promenade zu 60 m Lauf und Weitsprung. Alles klappte besser, als erwartet. Am nächsten Tag wurden uns Zielwerfen, Seilspringen und Hochsprung abgenommen. Vor dem Heimnachmittag hatte jeder ein bißchen Angst, wenn er es auch nicht eingestehen oder zeigen wollte. Als es dann aber soweit war, fiel alle Scheu ab, und jeder erzählte begeistert vom Leben des Führers und seiner Mitarbeiter, von seiner Heimat und deren Dichter und großen Männern und von der Bedeutung der einzelnen Städte in seinem Heimatgau. Zum Schluß sagte uns

Hörnchen, daß sie mit uns ganz zufrieden sei, und allen fiel ein Stein vom Herzen. Nun folgte noch Kartenzeichnen und Schwimmen und wir Großen legten außerdem noch das Kugelstoßen ab. An einem schönen Sonnabend starteten wir zum 20 km Marsch. Wir marschierten am Eiersberger See vorüber und kamen durch Rewahl und Neuschlessin, wo die anderen Mädel und Jungen unserer Heimatstadt in KLV-Lagern untergebracht sind. Die Sonne brannte unbarmherzig vom Himmel, und wir stöhnten ein wenig, denn einige hatten sich von Blasen gelaufen. Aber auch dieser Marsch ging zu Ende, und wir trafen pünktlich zum Mittagessen ein. Am nächsten Tage, am letzten Quarantänesonntag, verkündete Hörnchen, daß wir alle unser Leistungsabzeichen geschafft hätten. Froh und stolz können wir später, wenn wir das Leistungsabzeichen tragen, an unsere KLV-Zeit zurückdenken.

Freizeit!

Unser Singwettstreit.

Es ist an einem schönen Sonntagnachmittag. Heute sollen wir im Singewettstreit des Standortes Fischerkathen beweisen, daß wir auch im Singen an uns gearbeitet und manches frohe und ernste Lied gelernt haben. Die letzten Happen unseres Sonntagskuchens werden hinuntergeschlungen, und dann geht es in großer Eile auf den Hof, wo wir nach wenigen Minuten angetreten sind. Hörnchen mustert uns ganz genau. "In deinem Rock sind ja noch Flecken, da fehlt ein Knopf, und Du hast ja kein Ärmeldreieck an deiner Bluse, nein,

wie kann man nur so unordentlich sein!" So hören wir sie tadeln. In letzter Minute erscheint Frau Lemike mit einer großen Flasche Salmiakgeist als rettender Engel. Sogleich bildet sich eine Schlange von Mädeln um sie, die von Flecken befreit werden möchten. Die arme Frau Lemike! Doch nach eifrigem Rubbeln sind die Röcke wieder sauber und nicht lange, so ertönt ein Pfiff zum Antreten. Mit blitzblank geputzten Schuhen, ordentlich gekämmten Haaren und weißen Söckchen marschieren wir durch den Wald zu unserem Sammelplatz, wo schon mehrere Lager angetreten sind. Wir haben fleißig geübt, denn wir möchten doch gern das beste Lager im Singewettstreit sein. Bald haben sich alle Lager und Führerinnen versammelt, und nach einer kurzen Begrüßung unserer Gäste beginnt der Wettstreit. Die schönsten alten Volkslieder, Feierlieder und fröhliche Kanons erklingen, und ein Lager singt immer besser als das andere. Endlich marschieren auch wir auf. Unser Feierlied "Land der ewigen Gedanken"

klingt sehr schön und wir freuen uns, daß es geklappt hat. Mit frohen Gesichtern singen wir darauf den Kanon "Wir haben die Jugend und lieben das Leben" und zum Schluß folgt das Volklied "Wach auf, meines Herzens Schöne" mit Orchester, welches aus Flöten, einem Cello und einer Geige zusammengestellt ist. Während die Gäste klatschen, marschieren wir zurück auf unseren Platz. Nachdem noch zwei Lager ihr Bestes gezeigt haben, entscheidet der Wettstreitausschuß, welche die drei besten Lager sind. Mit klopfendem Herzen hören wir gespannt der Bannbeauftragten Gerda Schwartz zu. Den 1. Preis hat das Lager "Haus Holz", den 2. Preis Haus "Seeblick" und den 3. Preis "Haus Alicia". Das ist die Siegerverkündunung! Trotzdem wir uns sehr freuen, sind wir doch etwas enttäuscht. Aber wir lassen uns den Mut nicht nehmen. Mit dem Vorsatz, es das nächste Mal noch besser zu machen, marschieren wir singend unserem Lager entgegen.

Unser Lagerwettbewerb.

Zeichnung: HART SEIN UND NICHT VON DER EHR WEICHEN.

Schon lange wußten wir, daß bald ein Wettbewerb, "wir gestalten unsere Räume" zwischen den einzelnen Lagern steigen sollte. Dazu wurde schon viel Material herangeschafft, z.B. Pappe, Sperr- und Treibholz, Farben, Sägen und, was man sonst noch alles zur Werkarbeit braucht. Als wir so ungefähr alle Sachen zusammen hatten, ging es los. Es fing mit einem Zimmerwettbewerb gegen die einzelnen Zimmer unserer Klasse an. Man kann wohl sagen, wir schuf-

teten Tag und Nacht. In den Mittagsstunden berieten wir, machten Vorschläge und Entwürfe, und in der übrigen Zeit wurde gearbeitet, daß der Schweiß nur so perlte! Viel zu schnell war der 15. August gekommen. An diesem Tag sollte die Entscheidung getroffen werden. Viele Zimmer "hofften leise!" Der "hohe Rat" Führerinnen und Lehrer kamen zur Besichtigung. Die Würfel waren gefallen. Hörnchen ließ uns erst eine Weile zappeln. Dann erfolgte die Siegerehrung. Alle hatten sich viel Mühe gegeben und wir hatten dadurch einen Vorsprung für den Lagerwettbewerb. Nun wollten wir dafür feste mitarbeiten. Große Aufregung herrschte in unserem Lager. Überall, wo man nur hinsah, saßen die Jungmädel vor ihren Bastelarbeiten für den Wettbewerb. Aus allen Ecken hörte man ein eifriges Hämmern, Sägen und dazwischen immer wieder die Worte: "Wir müssen den 1. Preis bekommen!" Mit diesem Gedanken ging alles doppelt so gut. Vor dem Haus

wurde an unserem Frankfurter Wappen gemauert, und Steine geklopft. Da sägte einer Rahmen für die selbst angefertigten Zeichnungen, und dort zeichnete eine Blumenbilder. Jedes Jungmädel hatte seine Arbeit. Und, wie kam es nur, daß man in den Tagen gar nicht an das Baden, Essen und Schlafen dachte?

Alles war zur Inspektion fertig, und unsere Lagermädelführerin ging noch einmal durch die Zimmer. Die Lämpchen, Haartüten, Papierkörbe, Untersetzer, Postkartenständer, Handtuchbrettchen, Bilder

und Türschilder wurden noch einmal geprüft, außerdem die Ordnung und Sauberkeit im Zimmer. Hörnchen war sehr zufrieden mit uns, der Bewertungsausschuß konnte kommen. Waren das aufregende Minuten, als alle Führerinnen in unserem kleinen Zimmer standen. Alle waren begeistert, und das gab uns Hoffnung.

Am Vortage des KLV-Tages kamen alle Lager an der Liebelose zusammen. Wir sangen, spielten unser Märchen noch einmal vor, und dann gab Gerda Schwarz, unsere Bannbeauftragte, das beste Lager in punkto "Ausgestaltung" bekannt. Sie sagte: "Das KLV-Lager "Seeblick" Fischerkathen hat den Vogel abgeschossen. Über dieses Lager habe ich mich ganz besonders gefreut. Ich wünsche nur, daß alle Eltern dieses Lager einmal sehen könnten. Das ganze Haus ist ein richtiges kleines Schmuckkästchen". Das war zuviel! Vor Freude schrien wir, so laut wir konnten. Wir hatten ja so viel Freude daran, und nun wurde unsere Arbeit noch so belohnt.

Unser K.L.V.-Tag.

Nein, ist denn das die Möglichkeit, heute am KLV-Tag regnet es in Strippen? Entrüstete Gesichter drückten sich an den Fensterscheiben bald die Nasen platt. Aber noch größer war der Aufruhr, als es hieß: "Der KLV-Tag fällt aus!" Doch die liebe Sonne meinte es noch gut mit uns. Gegen Mittag klärte sich der Himmel auf. Mitten in die Mittagsstunde herein rasselte immerzu das Telephon. "Da, der KLV-Tag findet statt", ging es von Mund zu Mund. Das war ein Jubel! In einer halben Stunde standen auch alle Mädel des KLV-Lagers 199 fertig zum Abmarsch nach Horst. Mit Decken und Trainingsanzügen

zogen wir singend unserem Ziel entgegen. Auf dem Sportplatz wimmelte es schon von Jungen und Mädeln. Wir bekamen unseren Platz angewiesen, von wo wir den ganzen Sportplatz übersehen konnten. Die Jungen begannen mit dem lustigen Spiel "Kanonen über Hummelstädt". Dann folgte eine Vorführung nach der anderen. Endlich sollten auch wir Mädel zeigen, was wir in der KLV-Zeit geleistet hatten. Schnell zogen wir unser Sportzeug an, und standen bereit. Wir begannen mit der Körperschule, gleichmäßig und gut wurden die Übungen ausgeführt. Dann folgte der Volkstanz. In unseren selbstgemachten Volkstanzkleidern sahen wir sehr nett aus. Auf den ganzen Platz verteilt sah es bunt und lustig aus. Ich hätte nie gedacht, daß ich mein Nachthemd einmal als Volkstanzkleid gebrauchen könnte. Dann nach uns folgte die Spielwiese unserer Küken, anschließend die der Jungen. Eine Viertelstunde später standen wir in Dienstkleidung zur großen Abschlußkundgebung angetre-

ten. Der Stabsleiter sprach zu uns. "In einigen Wochen werdet ihr die Heimreise antreten", sagte er unter anderem. Ja, wir freuen uns darauf, denn so schön es auch im Lager ist und soviel Abwechslung uns das Lagerleben bietet, zu Hause ist es doch am besten. Ich glaube aber, wir werden diesen schönen Tag und die ganze KLV-Zeit, die uns der Führer schenkte, nie vergessen u. zu unseren schönsten Erlebnissen rechnen.

Eine Waschlappenschlacht.

Jetzt ist Mittagsruhe. Ich stürze in unser Zimmer. Doch da ist es schon vor meinen Augen dunkel. So etwas! Jemand hat mir eine Decke um den Kopf geschlungen. Na wartet! Ich schlage mit den Fäusten um mich, und die Decke fällt von mir ab. Dann greife ich schnell zu meinem Waschlappen, tauche ihn ins Wasser und fange an, meine Stubenkameradinnen zu waschen. Doch da laufen die anderen auch schon zu ihren Waschlappen, und die Schlacht beginnt. Unsere Gesichter sind mit Waschlappen bedeckt. Immer wieder werden sie abgerissen, und an das nächste Gesicht geworfen. Plötzlich ein Schrei und ein Aufpoltern. Ein Glas haben wir

zertöppert!! Das hatte ja noch gefehlt! Na, Rat wissen wir doch. Eine meiner Stubenkameradinnen geht in das Zimmer nebenan und, während sie erzählt, tauscht sie, ohne daß es jemand merkt, das zerschlagene Glas um. Als ich es später Gisela, unserem G.D.-Mädel erzählte, hat das die Besitzerin des Glases gehört und sich ihr gutes wieder abgeholt. So ein Pech!

Kl. 4 – Kl. 5
Unsere "Leidenschaft".

Nun sind wir schon seit Mai hier im Lager. In den ersten Tagen war es ziemlich kalt. Wir wußten nie so recht, was wir in der Freizeit treiben sollten. Da bekamen wir eines Tages einen schönen Lederball aus Frankfurt geschickt. Da begann unsere Leidenschaft! Wir spielten Völkerball, ein Spiel nach dem anderen, so wurden wir gleich warm. Wo man uns auch antraf, am Strand oder vor dem Haus, wir spielten Völkerball! In jeder freien Minute. Bald konnten auch die schlechtesten Spieler den Ball fangen und ihn blitzschnell einem Mädel aus der Gegenpartei auf den Puckel brennen. Bald verwandten wir nicht nur die Freizeit zum Völkerball spie-

len, jetzt baten wir sogar unsere Sportlehrerin, uns in der Turnstunde spielen zu lassen.

Eines Tages, wir hatten gerade das 1. Mal Quarantäne, sollten wir nun zeigen, wie wir spielen können. Es sollte Klasse 4 gegen Klasse 5 spielen. Wir meinten, das Spiel sei zwecklos, die 5. Klasse würde ja doch gewinnen. Aber wir spielten. Bald waren die ersten von uns abgeworfen, dagegen aus der Gegenpartei noch keine. Jetzt aber hatte Inge, unsere beste Spielerin, den Ball gefangen. Ein Wurf und die 1. war ab. Jetzt flogen die aus der Gegenpartei nur so. Aber auch wir hatten erhebliche Verluste. In unserem Feld war nur noch Jutta. Wir hatten schon allen Mut verloren, aber sie hielt den Bällen stand. In beiden Feldern war nur noch eine. Es ging hart auf hart. Aber Jutta hielt sich tapfer. Da hatte sie wieder den Ball, warf ... und ...? Hurra, das letzte Mädel aus der Gegenpartei war getroffen. Hurra! Wir hatten gewonnen! Jut-

ta, die tapfere Verteidigerin unserer Klasse und unserer Ehre, wurde von uns umringt. In stürmischem Jubel fielen wir ihr um den Hals. Unsere Gegenpartei saß mit gesenkten Köpfen in einer stillen Ecke. Der Sieger bekam ein großes Stück Kuchen. Da bissen wir nun jede einmal ab, den Rest bekam Jutta.

So hatte doch unser vieles Spielen seinen Zweck gehabt. Wenn wir nach Hause kommen, dann werden wir den anderen Kameradinnen mal unsre Muskeln zeigen und uns mal mit ihnen messen. Ich glaube, die kriegen wir dann unter!

Die verstopfte Trompete.

Eines Tages hatte ich den Einfall, mir meine alte Trompete schicken zu lassen, um morgens das Wecksignal zu blasen. Gesagt, getan! Nach einigen Tagen kam sie an. Bald blies das ganze Lager Trompete. Alle möglichen und unmöglichen Töne wurden ihr entlockt. Es klang schaurig. Wir bliesen vor dem Haus, wir bliesen im Garten, im Gartenhaus und zum höchsten Dachfenster hinaus. Manchmal klang es richtig, meistens aber falsch. Morgens schmetterte ich immer das Wecksignal, dabei waren natürlich mehr richtige Töne. Eines Abends sagten mir die Mädel meiner Stube, morgen gäbe es eine Überraschung. Als ich fragte, was es denn sei, blieben sie verschwiegen. Ich dachte nicht weiter nach und schlief bald ein. Am näch-

sten Morgen griff ich wie gewöhnlich nach der Trompete, ging hinaus und wollte blasen. Ja, denkste! Kein Ton kam heraus. Nur mit äußerster Kraftanstrengung meiner Lunge gelang es einen leisen, klagenden Ton zu erzeugen. Sie war anscheinend traurig über das ihr und mir angetane Leid u. Unrecht. Ich drehte sie um und sah, daß sie mit Zeitungspapier verstopft war. So eine Frechheit! Ich nahm einen Zweig und versuchte, das Papier herauszubefördern. Leider ging es nicht so schnell, und dann war es zu spät zum Blasen. Die Mädel aus meiner Klasse hat-

ten von dem Verbrechen gewußt; den Schurken verrieten sie zu seinem Glück nicht, denn ich habe bei allen Heiligen und Teufeln geschworen: "Wenn ich den Übeltäter erwische, haue ich ihn windelweich, bis er grün und blau wird und um Gnade bittet!"

Und wenige Wochen später...

startete in Frankfurt [an der Oder] unser großer Elternabend!

mit Werkausstellung!