Es handelt sich hier um das Tagebuch einer Lagermädelführerin aus Haltern in Westfalen, die im April 1944 zum Einsatz nach Bayern beordert wurde. Die Eintragungen erstrecken sich über den Zeitraum vom 5. April 1944 bis zum 12. März 1945. Leider konnte über die Autorin Magdalena Ranke nichts Näheres in Erfahrung gebracht werden.
Das Tagebuch wurde über die Internetplattform ebay erworben. Es wird im Original unter der Signatur N 1603/197 im NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln aufbewahrt.
April 1944
Ich habe noch nie ein Tagebuch geführt. Aber heute will ich damit anfangen. Denn alles Schöne, das ich in der KLV. erlebe will ich nie vergessen – sondern immer in Erinnerung behalten. Darum fange ich heute mit meinem Tagebuch an zu schreiben.
Edelweiß
5. April 1944
5. April
7.08 Uhr morgens. Nun geht meine große Reise nach Bayern los. Wir alle sind frohen Mutes – trotzdem wir nicht wissen, wo wir mal landen. Unser Reiseziel ist München. Um 8.20 morgens waren in Münster. 10 Uhr meldeten wir uns: Brunhilde, Agnes und ich aus Haltern, in der Dienststelle auf der Diepenbrockstraße. Unser Herz klopfte, denn die Entscheidung sollte fallen. Aber sehr enttäuscht zogen wir 3 Stunden später wieder ab, Reiseziel ist bis München, das andere findet sich in München. Das war freilich kein schöner Trost für uns, die wir sofort wissen wollten in welches KLV Lager wir kommen. Aber nichts konnte uns erschüttern. Sogar der Abschied von der Mutter, die uns bis Dortmund begleitete, fiel uns leicht. Keine einzige Träne wurde geweint. In Dortmund haben wir den D-Zug nach München nicht bekommen. Der war schon über alle Berge. Nun hieß es, wann und wie weiter und wo bleiben. Ich muß gestehen, unsere Stimmung war nun aber doch um einige Grade gesunken. Bis abends 8 Uhr saßen wir nun in Dortmund fest. Auf einmal: Vollalarm. Wir gaben
erst nichts darum, denn mit unseren vielen Koffern in einen überfüllten Bunker! Wahrlich keine schönen Aussichten. So saßen wir in einem Tunnel und harrten der Dinge, die da kommen sollten. Die Flieger brummten, die Flak schoß wie toll, als auch noch Bomben fielen war es mit unserer Ruhe aus. Wir packten unsere Klamotten und stürzten in den nächsten Bunker. So eine Schweinerei. Immer Treppen runter weiter runter. Und die Koffer o Herr o Herr. Brunhilde blieb auf einmal stehen und sagte: „Los wir bleiben hier stehen.“ Unsere Koffer setzten wir ab, und alle atmeten erlöst auf. Ich weiß nicht, wie lange wir so gestanden haben, endlich war Entwarnung. Nun wieder rauf. Bis abends 8 Uhr saßen wir dann im Dortmunder Wartesaal. Die Zeit wurde uns so unendlich lang. Endlich war es soweit. Der D-Zug lief ein – aber die Menschen darin. So eine Fülle. Wir trafen 2 Lagermannschaftsführer: Fred und Heinz. Die „besorgten ein Abteil für uns. Die lange Fahrt nach München verging uns viel zu schnell, das ist ja klar. Am 6. April um 11.30 Uhr landeten wir wieder vergnügt am Münchener Hauptbahnhof. Alle zogen los, wir meldeten uns an der Prinzregen-
tenstraße und bekamen unseren Einsatzbefehl. Nun waren wir noch mal enttäuscht. Wir blieben nicht zusammen, alle wurden getrennt und jetzt kam der schwere Abschied. Nachmittags um 15 Uhr fuhr mein Zug nach Obergrainau, mit Martha Birwes kam ich müde dort an. Wir konnten dort aber nicht bleiben. Am 7. fuhren wir zurück nach Garmisch und meldeten uns an der KLV. Dienststelle. Jetzt wurden auch wir getrennt.
8. April
Nun war ich in dem berühmten Garmisch-Partenkirchen. 3 Wochen blieb ich da. So richtig gefallen hat es mir trotz der herrlichen Landschaft nicht, denn alle paar Tage oder Wochen mußte ich in ein anderes KLV-Lager übersiedeln. Heimisch bin ich nie geworden. Manchmal war es nicht immer leicht, das Heimweh habe ich aber bekämpft und ich bin Sieger geworden.
9. April
Ostern 1944 – was bedeutet das Wort für jeden. Ostern das Frühlingsfest, das Fest der Freude und Auferstehung. Und ich bin nicht daheim. Das ist
das 1. Fest, das ich nicht daheim, sondern in der Fremde verlebe. Jetzt muß ich doch etwas weinen und an meine Lieben daheim denken. Meine Gedanken sind in Haltern. Jetzt läuten die Glocken das Osterfest ein. Gemütlich sitzen Vati, Mutti und Nati am Festtagstisch. Ach, wie schön war es Sonntags daheim, und erst das Osterfest und die anderen Feste. Wie schön wie schön und alles ist vorbei. Jäh werde ich in die Wirklichkeit zurückgerufen, ach, ich bin ja in Garmisch im KLV Lager „Trautheim“ Aber nachher wurde das Fest für mich doch noch schön. Alles Weinen und Jammern hilft ja nicht. Ich muß eben aushalten, wenn es auch oft sehr schwer wird. Ich habe mich ja freiwillig gemeldet und will nun auch durchhalten. Es wird schon noch alles, alles gut werden. Nur den Mut darf man nicht verlieren, und nicht das gläubige Herz. Ach, es ist nur oft so schwer, aber ich muß – und will durchhalten.
„Es ist die schönste Lust des Lebens,
andern die Last des Lebens zu erleichtern.“
Gottfried Keller
20. April
Geburtstag unseres geliebten Führers Adolf Hitler. Den Geburtstag begehe ich feierlich im KLV-Lager „Haus Viktoria“ in Garmisch. Schon wieder mußte ich umziehen. Wann hört das nur auf? Mutti macht sich auch schon Sorgen um mich. Aber ich kann nichts daran ändern, ich bin eben ein Pechvogel. Ein eigenes Lager werde ich ja doch wohl noch bekommen. Aber wann nur?
1. Mai.
Ja, nun bin ich wieder woanders und zwar im KLV-Lager „Zum Bad“ in Krün bei Mittenwald. Hier bin ich als Lagermädelführerin eingesetzt. Im Lager gefällt es mir sehr gut, am liebsten bliebe ich hier – aber das geht nicht, Ursel kommt ja wieder und ich muß wandern. Die 12 Mädel kommen aus Buer Erle – aus der Heimat. Alles geht vorüber, auch die schöne Zeit in diesem Lager. Am 24. Mai muß ich wieder fort. Wohin nur? Es macht keinen Spaß mehr.
24. Mai
Nun fahre ich heute zur 14 tägigen Lmf-Schulung auf der Fraueninsel im Chiemsee. Dort soll
es ja so schön sein. Aber was wird noch mit mir?
25. Mai.
Jetzt habe ich die 1. Nacht in „Villa Krautwurst auf der Fraueninsel geschlafen. Wir sind 24 Führerinnen aus allen Gegenden Deutschlands. 14 Tage, also bis zum 7. Juni bleiben wir hier. Abends wird immer noch allerlei Unsinn getrieben. Es ist hier sehr schön. – Aber wir haben nur wenig Freizeit und der herrliche Chiemsee lockt zum Rudern. Der Chiemsee ist herrlich. Erst mal die unermeßliche Weite, von Ferne sieht man Gstadt und die Herreninsel. Ein herrlicher Anblick. Er bleibt mir unvergessen.
28. Mai
Pfingsten auf der Fraueninsel. Es ist herrliches Wetter. Die Sonne meint es bestimmt gerade heute viel zu gut mit uns, denn wir dürfen nicht aus unserer Villa raus, wir haben am 1. Pfingsttag Freizeitsperre. Was haben wir alle heute schon geschimpft, gebettelt und was nicht alles, aber vergebens. Wenn doch die
Sonne heute nicht schien, heute ärgert uns so furchtbar das herrliche Wetter. Wenn doch erst Abend wäre. So sitzen wir auf dem Balkon und müssen schreiben – schreiben. Und die Sonne und der Chiemsee lockt .... und wir müssen zusehen, wie auf dem Chiemsee die schneidigen Segelschiffe fahren. Pfingsten und Chiemsee für heute ade – ade – ade –
2. Juni
Wieder herrliches Wetter. Hurra wir dürfen endlich mal rudern. Brunhilde und Agnes sind auch hier gelandet. Wie haben wir uns alle gefreut. Nun ist es noch mal so schön. Auch meine Klassenkameradinnen von der Kinderpflege-Schule sind zum Teil hier. Prima ist es jetzt trotz wenig Freizeit.
7. Juni.
Und nun dampfen wir wieder ab. Jede fährt um einiges Wissen reicher wieder in ihr Lager. Nun ahoi Chiemsee und Fraueninsel. Ich fahre nach Krün ins KLV Lager „Zum Bad“. In München hatten wir 3 Stunden Aufenthalt. Da haben wir 3 uns noch 3 vergnügte Stunden gemacht. Und dann mußten wir Abschied nehmen.
9. Juni
Jetzt vertrete ich 14 Tage die Salma, also bis zum 28. Juni bleibe ich hier in Krün im KLV Lager Gasthof zur Post“. Und dann? Weiter darf ich noch nicht denken.
12. Juni
Salma fährt auch zum Chiemsee. Meine Arbeit als Lmf. beginnt. Hier im Lager sind 20 Mädel aus München im Alter von 9-11 Jahren. Wenn ich an den 1. Tag denke. Da waren wir uns so fremd wie sonst nie zuvor. Es war sehr kritisch. Aber jetzt verstehen wir uns so gut. Die Mädel wollen mich nicht wieder weglassen. Auch die Lagerleiterin möchte, daß ich hierbleibe. Sie hat nach Eva darum geschrieben.
22. Juni
Plötzlich, wir sitzen beim Kaffee, geht die Tür auf, wer ist da? Bannmädelbeauftragte Eva Etterich. Sie spricht mit den Mädeln, die fragen ob ich hierbleiben kann, auch die Lagerleiterin frägt. Eva sagt nicht ja und nicht nein. Sondern: „Ich will mal sehen.“ Sie schickt Nachricht wie es um mich steht. Da bin ich mal gespannt.
27. Juni
Vater kommt plötzlich. Von Eva trifft ein Brief ein, daß ich hierbleiben kann. Hurra. Nun bin ich erst restlos glücklich. In diesem Lager bin ich wie daheim. Wie schön wie schön.
30. Juni
Vati fährt wieder nach Haltern zurück. Bis Garmisch bin ich mitgefahren. Nun kann er beruhigt nach Hause fahren und ich bin froh und glücklich, denn ich habe ein eigenes Lager.
20. Juli
Nun bin ich erst richtig glücklich. Jetzt habe ich das Lager, das ich mir schon immer gewünscht habe. Ich habe meine kleinen Münchener Mädel so lieb, weiß ich doch, daß auch sie mich gernhaben. Aber manchmal muß ich auch schimpfen, nachher tut’s den Mädeln leid, daß sie so ungehorsam gewesen sind. Wir verstehen uns alle sehr gut, und das ist ja wohl die Hauptsache.
21. Juli
Als ich vom Ausmarsch zurückkomme und in mein Zimmer trete bleibe ich überrascht stehen.
Auf dem Tisch liegen 2 kleine Päckchen. Woher nur? Es ist doch keine Post am Abend gekommen. Ich nehme das 1. Päckchen in die Hand. Lese den Absender – aha – Mikimaus – beim 2. Päckchen – Dein schwarzer Peter. Jetzt erst ging mir ein Licht auf. Die Päckchen waren von meinen Mädeln. Ganz heimlich haben die sie in mein Zimmer gebracht. Ich habe mich riesig darüber gefreut. Was da nicht alles zum Vorschein kam. Kuchen, Keks, Bonbons, Zucker in dem einen, im anderen, 2 kl. Püppchen, mit vieler Mühe hatten es die kleinen Finger selbst gebastelt, dann noch Briefpapier, und andere Kleinigkeiten. Meine Mädel haben mir wirklich eine große Freude damit gemacht. Auch wenn es noch so wenig ist, wenn man weiß, daß es von liebender Hand kommt, freut man sich desto mehr.
17. Juli
Wieder kam ich in mein Zimmer. Etwas in weißem Papier eingebunden lag auf dem Tisch. Ich habe es erst garnicht bemerkt. Ich weiß
nicht, wo es herkommt. Ich packe es auseinander. Briefpapier usw. – So lieb und nett sind meine kleinen Mädel, sie wollen mir immer mit ihren kleinen Überraschungen Freude machen und es glückt ihnen auch immer. Jedes mal freue ich mich auf’s neue darüber.
21. Juli
Abends um 5 Uhr fuhr ich in Urlaub nach Hause. Die Fahrt war unendlich lang. Erst Sonntagmorgen um ½ 6 Uhr kam ich in Haltern an – und mein Urlaub begann. Es war eine herrliche Zeit, nur schade, daß die 14 Tage so schnell dahin gingen. Es geht eben alles alles vorüber.
2. August
Nun muß ich wieder zurück fahren. Heute um 12.38 Uhr Mittags fahre ich ab. Der Abschied von meinen Eltern fiel mir sehr schwer: aber ich will und muß tapfer sein. 1 Jahr geht auch vorüber.
3. August
Mittags um 10.30 kam ich in Garmisch an. Um 14.30 war ich in Krün. Großes Hallo auf dem Bahnsteig, alle Mädel des Lagers holten mich ab. Alle freuten sich, daß ich wieder da bin.
Jetzt muß ich mich wieder an das Leben im Lager gewöhnen; nach dem Heimaturlaub ist es doch schwer, sich wieder in die neue Lage zurechtzufinden. – aber es geht wenn man will.
15. August
Salma und ich waren in dem schönen Städtchen Seefeld in Tirol. Es war ein herrlicher Nachmittag und eine Abwechslung im Lagerleben. Ich muß gestehen, wir sind nur der guten Torten dorthin gefahren - - und wir wurden auch nicht enttäuscht. Zwar hatte das Geschäft mit den guten Wurstbroten geschlossen – aber im Sportcafe war es desto besser. Wir bekamen 2 x Eis serviert, das uns in Staunen versetzte und als dann eine Schokoladentortenstück erschien waren wir aus dem Häuschen. Wir denkten da an die längst entflohenen Kindheitsjahre im tiefen Frieden und jetzt bekamen wir noch sowas vorgesetzt. Diesen Nachmittag mit Schokoladentorte werde ich nie vergessen.
Seefeld ist ein niedliches kleines Städtchen am Fuße des Karwendelgebirges.
Ringsherum die hohen herrlichen Berge. Etwas außerhalb Seefelds das romantische Dörfchen Mösern und der stille Mösernsee.
Dort in Seefeld hat es uns gut gefallen. Dieses kleine Fleckchen Erde gehört wohl mit zu
den schönsten Gegenden Deutschlands. Seefeld bleibt mir wie vieles andere unvergessen.
24. August
Mit Bangen erwartete ich diesen Tag, denn ..... mein Lager soll heute aufgefüllt werden und zwar 7. Klasse einer Volksschule aus München.
25. August
Meine Sorgen waren umsonst. Zwar kamen am Donnerstag die gefürchteten Mädel 21 an der Zahl mit ihrer Lmf. Rosemarie Düngfelder. – aber es scheint – als wenn sie ganz in Ordnung wären und auch Rosmarie. Die ersten Tage waren wir nicht oft zusammen. Als aber Rosemarie am 30. August in mein Zimmer übersiedelte war der Bann gebrochen. Jetzt verstehen wir uns sehr gut. Abends bis 11 Uhr ist es für uns beide am Schönsten. Wir liegen im Bett und lesen oder treiben allerhand Schabernack. Auf jeden Fall: „Peterle“ ist ein guter Kamerad.
3. Septem.
Es ist nur schade, daß ich bald wieder allein bin, denn Rosmarie wird eingezogen als Marinehelferin. Dann ist das schöne Leben mal wieder aus. Aber es ist Krieg und da muß jeder auch allein fertig werden.
7. Septem.
Herrlicher Septembertag. Die Sonne scheint noch so schön vom Himmel. Aber bald wird es doch schon Herbst und dann Winter.
Morgen, Freitag, wollen wir, Peterle und ich nach Murnau beim Staffelsee und dann zum Torte essen nach Seefeld. Hoffentlich wird es was. Das es nicht noch in letzter Minute ins Wasser fällt. Wir hoffen alles alles Gute.
8. Sept.
Die Fahrt nach Murnau hat doch geklappt – aber das mit Seefeld ging doch daneben. Dafür waren wir beiden als Entschädigung dafür am Nachmittag in Garmisch im Kino Hochland. Der Film „Ein schöner Tag“ gefiel uns sehr gut. Das war mal eine schöne Abwechslung in unserem Lagerleben, denn leider gibt es in unserem Dörfchen fast alles
außer Cafe und Kino. Naja, da fahrn wir eben nach Garmisch oder sonst wohin. Zu unserem Recht kommen wir schon.
9. Sept.
Heute Morgen war ich furchtbar enttäuscht. Von daheim heute keinen Brief – nicht einmal eine Karte erhalten. Aber meine Lieben haben ganz bestimmt geschrieben. Es kann ja sein, daß der Brief bei den Terrorangriffen auf Münster oder München mit verloren gegangen ist. Vielleicht ist Morgen ein Brief für mich dabei - - - oder – in den nächsten Tagen.
15. Sept.
Wir beiden mußten dienstlich nach Garmisch. Wir sollten zur Dienststelle des KLV. Uns fielen sämtliche Sünden ein, wir überlegten und überlegten was gerade wir beiden wohl bei der Mädelbeauftragten Eva Etterich sollten. Uns fiel auch garnichts ein – was wir wohl gemacht haben könnten. So fuhren wir Morgen 6.45 Uhr los mit bangen teils schwerem Herzen. Denn daß man was von uns wollte lag ja
klar auf der Hand.
Punkt 9.25 Uhr betraten wir das Allerheiligste – Verzeihung, das Zimmer der Mädelbeauftragten. Freundlich wurden wir begrüßt. – und dann ging es los. Uns fiel eine Zentnerlast vom Herzen. Eva erkundigte sich danach, ob die Zusammenarbeit mit den großen und kleinen Mädeln klappt, wie der Jm.-Dienst ist und dieses und jenes. Wir mußten auch Einzelheiten erzählen. Nach etwa 45 Minuten wurden wir mit Gnaden entlassen. Jetzt erst fing der richtige Tag für uns an. Körperlich stärkten wir uns erst mal von dem überstandenen Schrecken. Am Nachmittag wurde dann auch noch das seelische Gleichgewicht wiederhergestellt durch den Film im Kino Hochland: „Liebe dumme Mama“.
So verlief auch der sooooo gefürchtete Tag am Ende doch noch sehr schön. Es geht eben auch das Schlimmste vorrüber.
16. Sept.
Morgens 7 Uhr. Rosmarie muß wecken, denn ich liege krank im Bett. Hals- und Kopfschmerzen mit 39° Grad Fieber. Aber das kann mich ja nicht erschüttern.
17. Sept.
Ein strahlender Sonntagmorgen ist angebrochen – und ich muß im Bett liegen. Gerade heute ist wieder Elternbesuchstag. Wie gut, daß Rosmarie da ist. Ich habe eine Wut, gerade heute im Bett liegen wo am Nachmittag Freizeit ist und wo es gerade nur heute im stillen Krün so spannend ist, denn 1 Regiment Infanterie hat 3 Tage hier Übung. – Der Nachmittag ist da und damit die Freizeit. Ich bin aufgestanden und gehe in den Saal hinunter. Da sitzt Rosmarie inmitten der Soldaten, schöne Klaviermusik ertönt von Soldatenhänden. Bald war eine Unterhaltung im Gange. Es war sehr schön.
Nur unsere 4 Soldaten von Freitagabend fehlten noch. Auch später kam nur einer.
die andern blieben unsichtbar. Schon am Freitag, als wir von Garmisch zurück kamen, waren die Soldaten da. Unser Abendessen konnten wir nicht mehr essen. Die 4 Soldaten haben es mit Freuden unter sich verteilt. Sie aßen im Tagesraum. Nachher kamen sie wie kleine Buben an und wollten Knöpfe an ihren Uniformen wieder angenäht haben. So haben wir 2 noch genäht und kamen mit ihnen ins Gespräch. Nachher saßen wir 6 noch gemütlich im Tagesraum zusammen bis ½ 10 Uhr. Der Abend war sehr schön. Ich glaube, der „kleine Schwarze“ hat für Rosmarie Feuer gefangen und sie für ihn. Obwohl sie nichts davon wissen möchte. Der „Schwarze“ ist überhaupt ein hübscher Kerl, anständig und [..] fröhlich. Seine Reden werden von dem Rollen der dunklen Augen und von Bewegungen seiner feinen Hände verschönert. Er versteht es ausgezeichnet, ein Herz in glühende Lohe zu entfackeln. Da ist es kein Wunder, wenn Rosmarie für in schwärmt.
und bin auch ich nicht von ihm begeistert? Das ist und bleibt ein Fragezeichen. Sonntagabend stand er bis 10 Uhr draußen vor der Tür und wartete auf Rosmarie. Und sie kam nicht.
18. Sept.
So mußte „Er“ am Montag früh um 5 Uhr wieder mit seinem Regiment fort, denn die Übung ist beendet. Vielleicht schreibt er - - vielleicht ist er aber auch zutiefst beleidigt. Wir wissen die Namen des Kleeblattes nicht einmal.
Nun ist wieder Ruhe in Krün bis zur nächsten Truppenübung. Wie lange wird die Ruhe dauern??? - !?
„Es geht alles vorrüber -
es geht alles vorbei .......“
18. Sept.
Heute habe ich wieder keine Post von Daheim erhalten. Ich fange schon an zu grübeln und mache mir Sorgen um meine Lieben. Seit 10 Tagen habe ich nichts mehr von meinen Eltern gehört. Hoffentlich kommt bald Post.
1. Okt.
Erntedankfest.
In diesem Jahr feier ich das Fest des Dankes in der KLV. in meinem Lager in Krün. Am Morgen fand unsere Feier statt. Auch unsere Mädel dankten dem Bauer für das tägliche Brot.
9. Okt.
Heute ist nun wieder wie jeden Montag großer Waschtag. Seit heute früh 9 Uhr stehe ich mit Käthi in der Waschküche. Im klaren Kransbach haben wir die Wäsche gespült. Käthi mußt 1 Hemd nachlaufen und fing es mit großer Mühe wieder glücklich auf. So ist hier unser Waschtag. Wir zwei sind dabei immer guter Laune, denn Morgens wird gesungen. Augenblicklich müssen wir uns von dem Mittagessen erhohlen – natürlich nicht vom Waschen.
9. Okt.
Mittags ½ 2 Uhr. Ich sitze oben in meinem Zimmer und schreibe. Schon über 14 Tage habe ich von meinen Lieben daheim keine Nachricht mehr. Aber ich glaube ganz fest – daß morgen ein Zeichen von Daheim für mich kommt.
9. Okt.
Meine lieben großen Mädel.
Wenn ich noch daran denke, welche Angst und Not ich ausgestanden habe, als die Mädel kamen – o jeh – und jetzt? Es hat sich alles gewandelt wie in einem Traum. Wir verstehen uns prima, nur manchmal muß ich schimpfen. Und das geht meinen „Großen“ doch zu Herzen. Dann kommen sie zu mir und sagen in ihrer schönen bayrischen Sprache: „Madylein, du darfst doch nicht uns schimpfen.“ Das sind meine Großen. Fast alle schon größer als ich, aber ich werde schon mit ihnen fertig, gehorchen müssen sie mir ob sie wollen oder nicht.
Und verwöhnt werde ich. Ich sitze augenblicklich beim Essen am Tisch 3. Es gab bei manchen „Kleinen“ Zank und auch Tränen, als „ihre Mady“ sie
verließ und nach Tisch 3 übersiedelte. Elma und Judith setzten natürlich ihren Dickkopf auf und essen einfach nicht. Elma brachte es sogar fertig, meinen Tisch, also Tisch 3, als letzten zu bedienen. Na, das war dann doch des Guten zuviel. Nachdem ich den Kleinen klargemacht hatte, daß ich nicht nur „Ihre“ Lmf. bin sondern auch Lmf. der „Großen“ legte sich der Dickkopf. Am Abend saßen wir alle, ob groß oder klein durcheinander, friedlich unten im Tagesraum und sangen lustige Lieder. – Es hat aber schon Geduld dazu gehört, bis meine Kleinen verstanden haben, daß ich nicht nur für sie da bin – sondern auch für die „Großen“. Wir sind doch auch ein Ganzes und wollen auch nicht ein getrenntes Mädellager sein. Jetzt geht alles so schön harmonisch. Fast täglich abends um 7 Uhr versammeln sich alle Mädel im Tagesraum zur Lese- oder Singstunde. Meinen Mädel habe ich schöne 2 und 3 stimmige Lieder besonders Abendlieder gelernt.
So vergeht der Abend immer sehr schnell. Wenn ich sage: „..Nun ist Schluß für heute“,
dann wollen sie noch dieses oder jenes Abendlied singen. Meist bildet das schöne Lied „Abendstille überall“ den Schluß unserer Singstunde am Abend.
10. Okt.
Abends 9.30 Uhr
Soeben kehre ich von Garmisch-Partenkirchen zurück. Es war ein schöner Tag. Mit viel Gepäck, wir hatten nämlich Bücher usw. von der Dienststelle geholt, standen wir, Rosmarie u. ich am Bahnhof. Und der Zug kam und kam nicht. Aber uns wurde die Zeit garnicht lang. Zwei Wallgauer Buben, hatten sich zu uns gesellt und nun flog die Zeit dahin. Plötzlich war der Zug schon da und unter viel Ach und Weh stiegen wir ein. Die 20 Minuten Bahnfahrt auf der Plattform des Zuges war spannend. – In Klais angelangt, kamen wir trotz allem noch in den Omnibus und die Fahrt nach Krün ging los. Daß wir mitgekommen sind, haben wir nur den 2 Buben Max und Heini zu verdanken. - - - !!!
Und wir versprachen, uns wieder sehen zu lassen!!!
12.10.
Ich besuchte Rosmarie in Garmisch, nun muß ich wieder zurück in mein Lager. Es ist 6 Uhr am Abend. Gleich muß der Zug kommen. – Mit 80 Min. Verspätung kam das Zügele doch noch und nahm uns mit, denn ich traf am Bahnhof Max, einer von den beiden Wallgauern.
In Klais angekommen, es fuhr aber kein Omnibus. So schwang ich mich kurzerhand auf das Rad vom Max und wir brausten los nach Krün. Es war schon sehr dunkel. Nur vereinzelt leuchten die Sterne. Nur sehr schwer konnte ich die Schatten der nahen Berge erkennen, und es war empfindlich kalt. Max fuhr so furchtbar schnell, daß ich jeden Moment glaubte, wir stürzen und ich muß meine Überreste im Straßengraben wieder zusammensuchen. Aber – Gott sei Dank, es ging für dieses mal noch gut ab. Gut, daß wir am Rad Licht hatten, sonst hätten wir nicht heimgefunden. Vorm Lager angekommen verabschiedeten wir uns. Am Sonntag, den 15.10. so hatten wir ausgemacht, wollten wir einen kleinen Berg besteigen. Hoffentlich klappt es.
14. Okt. Abends 8.30 Uhr.
Soeben ist Rosmarie gekommen und bleibt über Sonntag da. Mit unserem Plan am Sonntagnachmittag in punkto „Bergsteigen, ist sie einverstanden.
19. Okt.
Nun sind schon wieder 4 Wochen vergangen seit dem letzten Elternbesuchstag. Jetzt ist es wieder soweit. Heute ist Elternbesuchssonntag.
Morgens 8 Uhr. Ich habe soeben meine Mädel geweckt. Jetzt stehe ich allein auf meinem Balkon. Ein schöner Herbsttag bricht an. Noch sehe ich nicht die Berge. Alles liegt noch im Nebel und Morgentau. Der Kuhhirt bläst sein Morgenruf und alle Kühes strömen zusammen. Man hört die Tiere schon von weitem kommen, ihre kleinen, silberhellen Glocken am Halse läuten bei jedem Schritt. Heute Morgen ist es so schön. Ich freue mich, daß wieder Sonntag ist und ich bin heute so froh, so innerlich froh und glücklich. Nun bricht siegreich die Sonne durch. Sie streckt ihre Herbststrahlen über
die Bergspitzen. Und nun lüften sich die weißen Nebelschleier und ziehen sich zurück. Golden glänzt das bunte Herbstlaub der Bäume im Morgenglanz. Ganz ganz langsam erkenne ich die Berge. Jetzt ist die Karwendelspitze frei. Unten wallt noch der Nebel. Aber jetzt ist die Sonne da, die goldene Herbstsonne, und sie drängt den Nebel zurück. Nun sehe ich meine geliebten Berge klar vor meinen Augen. Die Sonne hat gesiegt, ein neuer Tag bricht an, ein neuer, herrlicher Sonntag für mich.
Um 10 Uhr waren alle Eltern unten im Saal versammelt. Leider waren die Eltern nicht zahlreich erschienen, aber die Dorfjugend von Krün war dafür sehr stark vertreten. Es waren so ungefähr 50-60 Kinder. Sogar der Kinderhort war da. So etwas hatten wir noch nie erlebt. Und jetzt begann unser „Froher Sonntagmorgen für groß und klein.
Wir begannen mit dem Lied: „Von allen blauen Hügeln“. Und dann wechselten Lieder, Spiel, Gedichte und Volkstänze einander ab. Es war ein
buntes durcheinander, hat aber allen gut gefallen. Der kl. Chor meiner Mädel sang auf der Bühne „Zu Ingolstadt... und „Die Fröschelein... und andere lustige Lieder. Das Spiel von den „7 kleinen Heinzelmännern“ hat besonders unseren kleinsten Gästen gut gefallen. Nun wurde der Höhepunkt angesagt, unser Märchenspiel: „Schneewittchen“
Alles war bis aufs äußerste gespannt, denn ich spielte auch mit und verkörperte die böse Stiefmutter Schneewittchens. Der Vorhang geht auf und das Märchen beginnt. Es klappte alles prima. Die Kinder waren mit Leib und Seele dabei, denn die böse böse Stiefmutter. Manche fingen an zu weinen, als die Stiefmutter Schneewittchen mit dem Apfel vergiftete. Am Schluß des Märchens brach ein Beifall los wie noch nie zuvor. Und wir freuten uns auch alle, denn wir hatten wieder viele Kinderherzen beglückt.
Frl. Knoll sprach mir nachher Dank und Anerkennung aus. Ich hätte fabelhaft gespielt als 2. Königin und hatte meine schauspielerischen Talente gezeigt. Naja, ich war auch ganz vertieft
in meinem Spiel.
2 Uhr Mittag. Nun haben wir frei bis 6 Uhr abends. Wir gingen nach Wallgau und trafen die 2 Buben. Jetzt begann unter vielen Lachen der Aufstieg. Ich nenne das einen Berg besteigen, aber die 2 Buben lachten und sagten: „O der kleine Hügel. Nach ¾ Std. waren wir auf der „Bergspitze“ angelangt. Wir ließen uns auf der Bank nieder und staunten über die Schönheit dieser Gegend. Es war gerade heute sehr klar und wir hatten einen herrlichen Blick auf Mittenwald und die umliegenden Berge. Unter uns lag Wallgau und Krün wie ein Puppenspielzeug. Wir machten auch Aufnahmen, hoffentlich werden sie schön. Bekanntlich werde ich nichts auf Bildern. Na, für dieses mal hoffe ich ja doch alles Gute. Bis 5 Uhr blieben wir auf dem „Schröttelschroffen“. Dann begann der Abstieg. O haben wir gelacht und Rosmarie verlor den Absatz vom Schuh. Unter gegenseitigem Necken und Fangen kamen wir nicht sehr schnell vorwärts. Aber endlich hatten wir
doch wieder festen Boden unter den Füßen. Punkt 5.45 waren wir wieder daheim. Es war ein schöner Tag und ich will ihn nicht vergessen. Gespannt bin ich nur, wie die Aufnahmen werden. !! - !!
25. Okt.
Heute Abend bekomm ich die Aufnahmen vom Max. Ach, die sind furchtbar geworden. Auch der 2. Film ist gut geworden.
5. Nov.
Am Sonntagnachmittag um 3 Uhr traf ich den Arbeitsdienstler wieder. Ich hatte nicht geglaubt, daß er kommt. Wie ich ihn kennengelernt habe ist interessant. Also. Am letzten Sonntag standen 6 Arbeitsdienstler vor der Tür des Tagesraumes. Ich kam gerade heraus und so kamen wir ins Gespräch. Am Abend um 8 Uhr rief mich Kathi nach draußen. Wer steht da? Ein Arbeitsmann vom Nachmittag. Ich war ja platt. Sonntag trafen wir uns dann wieder. Wir gingen zusammen den Weg zur Fischbachalm rauf. Dort war es sehr schön. Oben nach ¾ Std. Aufstieg ange-
gekommen hatten wir einen herrlichen Blick auf Wallgau. Lange konnten wir uns nicht aufhalten, denn ich mußte ja um 4 Uhr wieder im Lager sein. So stiegen wir langsam wieder herunter. Es ging steil herunter. Er war sehr besorgt und gab mir seine Hand zur Stütze. Wieder auf dem Weg angekommen blieb er plötzlich stehen und fragte wie ich heiße und ob wir nicht lieber „Du“ sagen wollen. Na, so weit war es ja doch noch nicht. Für dies mal bin ich noch mal dran vorbeigekommen. Ich gehe einfach weiter. Er legt seinen rechten Arm um meine Hüfte und so gehen wir weiter. Und er erzählt aus seinem Leben. Seine Heimatstadt ist München. 1 Bruder ist im Osten gefallen. Ach Gott. Seinen Namen weiß ich garnicht mehr. Also muß ich immer „er“ schreiben. Der Vater ist Ingenieur. Nach Besuch der Oberschule wurde er als Luftwaffenhelfer eingezogen und kam nun vor 3 Wochen zum RAD ins Barmseelager. Ich weiß nicht. Was mit mir los ist. Ich bin mir nicht klar darüber. Mag ich ihn oder nicht. Er ist anständig, höflich und liebenswürdig. Und trotzdem. So ganz recht mag ich ihn nicht. Wie
es kommt weiß ich eben auch nicht. Vielleicht seh ich ihn nie wieder, denn er sah mich noch am selben Tag mit Max. Er ist nun bestimmt schwer gekränkt. Sonntag wird es sich nun entscheiden wenn er kommt. Abwarten? ....!
Nun ist es schon aus ... Ich bin froh!
10. Nov.
Herrliches, herrliches Winterwetter. Es schneit seit Mittwoch Morgen. Frau Holle schüttelt ihre Betten tüchtig über Krün aus. Es schneit ohne Unterlaß. Wunderschön ist es draußen. Die Berge sieht man nicht mehr. Der Schnee deckt alles alles weiß und warm zu. Am Nachmittag des heutigen Tages bin ich mit meinen Mädeln hinaus in den Wintertag. Wir haben eine tüchtige Schneeballschlacht mit Krüner Buben bestanden.
Oben an der Hochstr. sind wir im tiefen Schnee gestapft. So schön wie es jetzt hier ist. Die grünen Tannenbäume biegen sich unter der Last des weißen Schneegewandes. Die Buckelwiesen sind ganz verschneit. Und erst die niedlichen kleinen Häuschen an den Bergen. Wie Puppenspielzeug sieht das Dörfchen Krün von der Hochstraße aus aus. Es ist
ja mein 1. Winter den ich in den herrlichen oberbayrischen Bergen verlebe. Durch die KLV. lerne ich ja erst alles Schöne kennen. So schön wie es hier im Winter ist kann ich nicht beschreiben. Alles schneit zu und sieht aus wie Spielzeug. Jetzt ist der Winter aber eingezogen. Es schneit und schneit und wird auch nicht so bald aufhören.
19. Nov.
Zum ersten Mal in meinem bisherigen Leben stehe ich auf Brettern. Hier, in dem schönen Krün will und muß ich Skilaufen lernen. Es ist doch ein komisches Gefühl. Ich stehe auf meinen Brettl und soll nun den kleinen Abhang hinuntersausen. Das Gelände ist wie geschaffen zum Skilauf. Weit und breit ist keine Menschenseele zu sehen – und das ist gut so. Wenn ich lerne brauche ich keine Zuschauer. Mit den Stöcken stoße ich mich leicht ab und schon geht es los in sausender Fahrt. Tief feder ich in den Knien um das Gleichgewicht zu halten, die Stöcke halte ich nach hinten. Da – ein kleiner Buckel. Ich verliere das Gleichgewicht und falle zur Seite in den schönen glitzernden Schnee. Na,
das Aufstehen ist bestimmt nicht ganz so einfach. Meine Brettl stoßen immer wieder zusammen. Abschnallen kommt ja nicht in Frage – ich will auch so hochkommen. Endlich – stehe ich wieder und weiter gehts. Ja – aller Anfang ist schwer, und lernen will ich Skilaufen trotz allem, denn es ist herrlich, in sausender Fahrt an schneebedeckten Tannen vorbeizuflitzen. So ist es ja bei mir noch nicht. Aber was nicht ist kann noch werden. – Schade, sehr schade daß es taut.
23. Nov.
Nun schneit es wieder Tag und Nacht. Der Schnee liegt 50 cm hoch. Noch nie habe ich soviel Schnee gesehen. Die ganze herrliche Berglandschaft liegt unter der weißen winterlichen Schneedecke. Die Berge sind ja so schön in ihrer Winterpracht.
28. Nov.
Schnee, Schnee und nochmals Schnee so weit das Auge reicht. Jeden Tag gehe ich mit meinen Mädeln rodeln. Natürlich laufe ich Ski. Ruth, die kleine freche, fährt mit mir. Wir beiden haben natürlich nicht viel Ahnung vom Skifahren. Aber wir haben es wenigstens immer richtig vor.
1. Dezember
Ja, jetzt ist der 1. Advent wieder da. In 4 Wochen feier ich mein 1. Weihnachtsfest fern der Heimat. 1. Advent, schon der Name allein bringt in mir den ganzen Weihnachtszauber. Um 5 Uhr sitze ich mit meinen Mädeln im Tagesraum. Alle sind mit Mühe und Freude dabei, Adventkränze zu binden. Auch im KLV. Lager begehen wir die schöne Vorweihnachtszeit. Abends komme ich in mein Zimmer, und sehe einen Kranz auf meinem Tisch liegen. Nun holte ich mir eine Vase und steckte die duftenden Tannenzweige
hinein. So ist auch in meiner Seele und auch in meinem Zimmer das nahe Weihnachtsfest zu spüren. Heute ertönen auch zum 1. Mal weihnachtliche Lieder „Tal und Hügel sind verschneit...“ und „Bald nun ist Weihnachtszeit“.
6. Dezember.
Nun ist endlich der langersehnte Nikolausabend angebrochen. Wie hatten wir uns alle darauf gefreut. Vor Aufregung wurde beim Abendbrot schon wenig gegessen. – Und dann war es doch endlich soweit. Im Tagesraum hatte ich Tische und Stühle hinausstellen lassen. Wir saßen auf Bänken, so war in der Mitte des Zimmers genügend Platz. Wir sangen gerade „Bald nun ist Weihnachtszeit“. Da – pumbert es draußen an den Fenstern, und wir hören vor der Tür das Klirren der Ketten. Die Mädel schreien und einige springen auf vor Angst. Die Tür fliegt auf und mit viel Lärm und Gepolter stürzen 3 vermummte Gestalten zu uns herein. Die Gesichter knallrot angemalt, schwarze Mäntel und lang herabwallende Bärte sahen sie furchtbar aus.
In der Hand trugen sie einen riesengroßen Sack in der andern eine schleifende Ochsenkette. Das sind die sogenannten „Krampusse“. Sie kommen in jedes Haus und kurz danach kommt der heilige Nikolaus. Die Krampusse sprangen mit viel Geschrei im Zimmer umher, die Ketten immer auf den Boden schlagend. Plötzlich packten sie mich und steckten mich halb in den Sack. Meine kleinen Mädel fingen zu schreien an, als sie mich reinsteckten. Die 3 hatten aber nicht damit gerechnet, daß die Mädel mir helfen. Mit viel Geschrei stürzten 13 Mädel auf uns los und rissen mich aus dem Sack. Wie ich eigentlich wieder saß weiß ich selber nicht, denn es ging ja alles drunter und drüber. Gelacht habe ich wie noch nie und das ärgerte die „Bösen“. Mit viel Reden und guten Worten brachte ich sie doch endlich nach draußen und da stand auch schon der Nikolaus da. Jedes Mädel mußte vortreten und bekam eine Standpauke zu hören. Zum Schluß teilte ich jedem Mädel eine Tüte voll Leckereien aus und die überstandene Angst
war schon bald restlos vergessen.
Jedes Mädel bekam 4 Äpfel, 1 Stück Marzipan, 20 Bonbons, 40 Plätzchen und 3 Kastanien.
25. Dez. 1944
Das schon lang erwartete Weihnachtsfest ist nun schon endlich da. Zum 1. mal in meinem Leben feier ich das Fest fern der Heimat im KLV. Lager in Oberbayern. Als wir alle am „Heiligen Abend um den Lichterbaum standen, dachten wir alle, ob groß ob klein an unsere Lieben in der Ferne. Bei der Bescherung war aller Kummer leicht und schnell vergessen, denn das Christkind hatte auch im 6. Kriegsjahr noch viel gebracht. Das 6. Kriegsweihnachtsfest 1944 werde ich nie vergessen, es gehört wohl mit zu eines der schönsten Feste meines Lebens. Als Erinnerung an meine KLV. Lagerzeit in Krün bekam ich 3 schöne Bilder von der hiesigen Gegend. Auch die Spanschachtel mit dem „Schuhplattler“ erinnert mich an diese schöne Zeit zurück.
31. Dez. 1944 Silvester 1944 abends 21.45 Uhr
Nun geht in 3 Stunden wieder ein Jahr vorbei. Ein hartes und schweres Jahr voll Arbeit und Kampf für uns. Mit meinen 27 Mädeln im Lager wollen wir das neue Jahr 1945 erwarten. Abends um 20.15 Uhr hörten wir gemeinsam im Tagesraum die Rede von Dr. Goebbels zum Jahreswechsel. Nach einigen Tischspielen gab es dann Tee mit Rum und Plätzchen und Bonbons. Immer näher und näher rückte der Zeiger der Stunde entgegen, die uns allen das neue Jahr bringen soll. Da erklangen im Radio Rufe: „Prosit Neujahr“. Das Jahr 1945 ist angebrochen. Meine Mädel stürzten auf mich los, jede wollte mir doch zuerst ein „Glückliches neues Jahr“ wünschen. Und dann sprach zu unsrer aller Freude noch unser geliebter Führer Adolf Hitler um 5 Min. nach 12 Uhr. Seine Worte brannten tief in unsrer Seele. Ich glaube, Neujahr 1945 werden wir alle nicht so leicht vergessen. Möge uns das Jahr 1945 das schenken, was uns 1944 versagt war, den Sieg unserer Truppen und damit wieder den Frieden für unser Vaterland. Dazu helfe uns Gott.
1. Jan. 1945
Zum 1. Mal schreibe ich 1945. Schon am Morgen des 1. Tages im Jahr zanken und schlagen sich die Mädel. Wenn das so weitergeht?
2. Jan. 1945
Der Tag begann so friedlich. Wer hätte gedacht, daß er so traurig enden wird. Jetzt ist es ¼ vor 11 Uhr abends. Ich liege im Bett und schreibe in mein Tagebuch. Heute Morgen fing es schon an. Bei der Postverteilung war wieder nichts für mich dabei. Da soll man dann noch Lust haben. Am Abend bei der Singstunde war Friedel so ausgelassen und ungezogen und steckte mir am Schluß alle andern Mädel mit an. Kurzerhand setzte ich sie draußen vor die Tür. Sie lachte noch frech, scheinbar war ihr noch sauwohl dabei. Die Lust zum Singen war mir aber endgültig vergangen. Gerade schickte ich die Mädel hinauf, da steckte Friedel ihr Gesicht zur Tür herein und lachte. Da war es aber geschehen. Ich ging hin und knallte ihr eine Watsche mitten ins Gesicht. Da verzog sie sich heulend. Vor der Lagerruhe habe ich den ganzen Mädel noch ordentlich mei-
ne Meinung gesagt von Frechheit gegenüber den Vorgesetzten usw. Da zogen sie aber kleinlaut ab u. versprachen sich zu bessern.
3. Jan. 1945
Peppi, mein Berliner, ist nun auch untreu geworden. Ich glaube aber, die Schuld liegt bei mir, denn eines Abends stand ich mit Heini unten vor der Tür und Peppi kam. Nachher verzog er sich wieder und nun läßt er sich nicht mehr blicken. Mir ist das egal, es gibt ja sooo viel andere. Es braucht ja nicht immer ein Peppi (Werner) sein. Da fällt mir gerade ein, und das ist ein ewiges Andenken an Peppi. An einem schönen, mondhellen Abend gingen wir 4, Kathi mit Willi und ich mit Peppi noch um ½ 9 Uhr zum Rodeln. Die Fahrt war herrlich und wir haben viel gelacht und gescherzt. Ich merkte sofort, daß der Werner in mich verliebt ist. Mit der Sturheit eines Westfalen schüttel ich ihn immer wieder ab, denn er versucht, mich an sich zu ziehen und zu küssen. Fiel mir ja im Traum nicht ein, mich von unbekannten Männern in
mondheller Nacht küssen zu lassen. So verlief die 1 Stunde sehr schnell und schön. Zum Abschied sah Peppi mich so treuherzig mit seinen braunen Augen an, und küßte mich ganz stürmisch. Ich wußte garnicht wie mir geschah, mit geschlossenen Augen lag ich in seinen Armen und immer wieder küßte er mich. Gewaltsam riß ich mich los und stürzte ins Haus. Was war denn mit mir geschehen? Nachdenken konnte ich nicht mehr – zum 1. Mal bin ich geküßt worden zum 1. Mal. Er kam noch mehrere Male wieder und nun ist es scheinbar wieder aus. Ja, Träume sind wirklich Schäume.
9. Jan. 1945
Ein klarer, strahlender Wintermorgen ist angebrochen. Noch ist es draußen sehr kalt, aber schon in wenigen Stunden wird die Sonne hervorkommen und die herrliche Winterlandschaft in Krün noch verschönern. Tagelang hat es nun geschneit. Unser Dörfchen liegt still und sehr einsam im Schnee. Friedlich und still ist es auch im Dorf selber. Nur ab und zu der Glockenschlag
der Uhr vom nahen Kirchturm. Ruhig liegt das Bergdorf wie im tiefsten Frieden. Wetterstein und Karwendelgebirge säumen das Dorf ringsherum ein. Spatzen und Meisen fliegen schreiend nach Futter suchend umher – sonst ist es still. Der Schnee erstickt jeden Laut durch sanfte Gewalt. Ab und zu gleiten Skifahrer daher und verschwinden wieder. Hier in den Bergen fährt ja alles Ski, ob groß oder klein, alles gibt sich mit viel Freude und Schwung diesem herrlichen Wintersport hin. Auch ich schnallte heute wieder meine Ski unter und fahre hinaus. Auch ein Mädel, Eugenie fährt mit. Die andern Mädel gehen die Straße nach Mittenwald runter und wir fuhren nach. Dort im Wald unter den vielen Tannen und im tiefen Schnee haben wir herrliche Spiele wie „Räuber und Schandi“ usw. gemacht. Wie Schneemänner kehrten alle um 3 Uhr ins Lager zurück. Das war mal wieder eine tolle Abwechslung und dann noch fast im meterhohen Schnee.
13. Jan. 45
Heute Nachmittag gehe ich zum Fotograf Wisberger, und lasse mich fotografieren im Winterdirndl. Ob das Bild nett wird ist sehr fraglich. Ich hoffe es aber, denn ich will es meinen Eltern schicken.
13. Jan. 45
Nun ist bald April – und damit ist auch bald meine KLV. Zeit abgelaufen. Ich überleg Tag für Tag, ob ich noch in der KLV. bleiben soll oder ob ich nach Hause fahren soll. Beides ist gleich schön, daheim bleiben kann ich ja doch nicht. Was soll ich denn nur machen. Mit meinen Eltern muß ich mal darüber reden – aber ich brauche Urlaub und bekomme keinen.
15. Jan. 1945
Heute fahre ich nun nach Weißbach bei Reichenhall zur 4tägigen Schulung. In Innsbruck traf ich eine Lmf. aus Recklinghausen und wir fuhren gemeinsam weiter. Die Fahrt war sehr schön. Um 4 Uhr am Nachmittag kamen wir in Reichenhall an. Jetzt stand uns noch ein 10 km Fußmarsch bevor. Denn unser Ziel, das Weißbach-Hotel, lag hoch in den Bergen. Nun stehe ich mit meinen anderen Kame-
radinnen im Bahnhof. Ich traue meinen Augen nicht, da kommt doch wirklich und wahrhaftig Brunhilde und Agnes an. Die Begrüßung war sehr herzlich – und wir 3 Halteraner freuten uns sehr, daß wir uns wiedersahen. Seit der letzten Schulung im Juni hatten wir uns nicht mehr gesehen. Gemeinsam setzten wir uns nun in Marsch. Wir hatten uns ja auch so viel zu erzählen und die 10 km kamen uns garnicht lang vor. Unser Weg führte steil herauf, den herrlichen Tubensee ließen wir links tief unter uns liegen. Immer höher ging es, langsam wurde es dunkel, nur der Mond beleuchtete still die Gebirgslandschaft. Steil stiegen die gigantischen Berge an der Hochstraße auf. Oft blieben wir stehen, um uns diese schöne Gegend im Mondenschein anzusehen. So erreichten wir doch um ½ 8 unser Ziel. Ein warmes Abendessen wartete auf uns – und dann bekamen wir unsere Zimmer zugewiesen. Wir 3 erhielten Zimmer Nr. 16 im 1. Stock. Das war nun unser gemeinsames Reich von Montag bis Samstag. Unsere schönen Daunenbetten belegten wir sofort und hauten uns in die Klappe. Bis ½ 11 Uhr
erzählten wir von unserer Heimat und von unseren lieben Eltern und Geschwistern. So verlief der 1. Abend im Schulungslager.
16. Jan. 1945
Morgens 7 Uhr. Mit einem frischen Morgenlied wurden wir geweckt und sprangen aus den Betten. Schnell zogen wir uns an und dann wurde auch schon gegongt. ¼ vor 8 Uhr. Morgenappell und dann um 8 Uhr Kaffee. Punkt ½ 9 Uhr war Singstunde. Es war die schönste Stunde des Tages natürlich neben der Freizeit. Von 10 Uhr bis zum Mittag um 12 Uhr war gemeinsame Besprechung über KLV. Fragen usw. Und dann begannen von 1-2 Uhr die allerschönsten Stunden. Wir 3 verzogen uns in unser Gemach Nr. 16. legten uns aufs Bett und erzählten wieder von der Heimat und auch alte liebe Schulerinnerungen. Viel zu schnell gingen die 2 Stunden herum. Der Gong rief uns um 2 Uhr wieder zum Sport, der kurz unterbrochen wurde durch Stehkaffee. Dann ging der Sport weiter bis zum Abendessen. Bis 10 Uhr abends hatten wir noch Referent und konnten auch unsere
kleinen und großen Sorgen in der KLV. vorbringen. Ich muß ehrlich sagen, uns Dreien war es immer sehr langweilig und fast fielen uns die Augen zu. Endlich war dann doch noch Schluß. Schnell kletterten wir ins Bett und erzählten bis 11-12 Uhr und trieben auch sonst allerhand Unsinn. Nur die Nacht bis 7 Uhr war für uns dann sehr kurz.
17. Jan. 1945
Ein Tag verläuft nach dem andern sehr schnell. Wir freuen uns schon immer auf den schönen Abend nach der Lagerruhe. Der heutige Tag brachte für mich ein entscheidendes Ergebnis. Nach einer persönlichen Einzelbesprechung mit Gerda Schauerte habe ich mich heute entschlossen, noch ein weiteres Jahr als Lmf. in der KLV. zu bleiben. Auch Brunhilde und Agnes bleiben noch ein Jahr.
Ob meine Eltern wohl damit einverstanden sind? Ich weiß es nicht – aber ich hoffe, daß sie ihre Einwilligung geben. Urlaub, um erst meine Eltern zu fragen, bekomme ich nicht. Also bleibe ich ohne zu fragen, wenn alles gut weitergeht fahre ich im
April nach Hause.
20. Jan. 1945
Morgens ½ 5 Uhr wecken. Ach ja, schon heute müssen wir wieder fort und fahren ins Lager zurück. Viel zu schnell sind uns allen die 4 schönen, aber viel zu kurzen Tage vergangen. Um 8 Uhr fahren wir alle 30 bis Freilassing und dann müssen wir uns trennen. Mit 6 anderen Lmfs. fahre ich über Rosenheim-München nach Garmisch. Nachts um ½ 1 Uhr waren wir erst in Garmisch und konnten nicht weiterfahren. Um 8 Uhr fuhr der Zug nach Klais. Dort angekommen mußte ich noch 4 km laufen. Endlich war ich wieder in meinem Lager. Zuerst begrüßte mich stürmisch Kathi dann kamen meine Mädel angelaufen. Frl. Knoll und Frl. Manser kamen auch, und alle freuten sich, daß ich wieder da bin. Ob es aber in allen Herzen so ist wie äußerlich kann ich nicht glauben.
Gerade brachte Franzi die Post. Schon wieder habe ich vergeblich gewartet. Wie gern möchte ich wieder von meinen lieben Eltern einen Brief. Ach
31. Jan.
Ich weiß nicht, was in den letzten Tagen mit mir los ist. So unlustig und unfroh habe ich noch nie meine Arbeit getan. Meine Mädel ärgern mich nun oft, besonders Franzi, Ruth und Friedel. Aber das allein ist es auch wieder nicht. Ach, ich weiß es selber ja nicht. Gestern erhielt ich nun Post von daheim. Vier Briefe kamen auf einmal an. Beim Lesen mußte ich doch weinen, ja, meine Lieben müssen dort im Westen so furchtbar viel mitmachen und ich sitze hier in Bayern so einsam und verlassen, mutterseelenallein so allein. Jetzt kommen schon wieder Tränen und lassen sich nicht zurückdrängen. Was ist nur mit mir los, täglich habe ich Kopfschmerzen. Aber das kommt wohl vom vielen Denken und Nachsinnen. Oft ertappe ich mich selber dabei, daß ich ohne irgend etwas zu tun dasitze und in die Weite schaue. Meine Gedanken und ich selber sind weit fort. Sie wandern über Berge und Länder nach Westfalen, meinem Heimatstädtchen Haltern, zu meinen Lieben daheim. Was werden sie jetzt im Augenblick machen? Geht es ihnen gut, denken sie auch an mich? Ich weiß, meine liebe gute Mutti
macht sich so viel Sorgen um mich. Wie hat sie mich auch verwöhnt mein liebste Muttel – und nun stehe ich hier hinten im KLV. Lager so allein und doch wieder nicht allein. Da sind ja meine Mädel und Frl. Knoll. Ich habe meine Mädel ja so lieb und möchte auch nicht von ihnen fort. Nur manchmal, wenn etwas daneben geraten ist, die Köchin mich schimpft so wie heute Morgen, dann habe ich Heimweh nach meinen Lieben, richtiggehendes Heimweh. Ich bin einmal heute Morgen wieder so komisch, ich kenne mich selber nicht mehr. Mitten im frohen Spiel werde ich plötzlich ernst und denke an meine Eltern und an Nati, meinem Schwesterlein. Wie gerne möchte ich nur für ein paar Tage wieder nach Hause, um dann wieder im mein Lager zurückzukehren. Eben habe ich ein Urlaubsgesuch geschrieben. Im April bekomme ich Urlaub, aber ich möchte Anfang März schon fahren. Ich glaube, wenn ich Urlaub bekomme wird alles, alles wieder gut und ich kann wieder froh sein mit meinen Mädeln. Seit Ende Juli war ich nun nicht mehr daheim, da wird es bald
Zeit, daß ich mal wieder heimkomme.
In den letzten Tagen überstürzten sich auch die Ereignisse. Von Weißbach kehrte ich zurück mit dem Entschluß, noch ein Jahr als Lmf. in der KLV. zu bleiben. Ob meine Eltern damit einverstanden sind? Eben darum will ich vor April noch nach Hause. Und dann das Geschehen an den Fronten will mich oft schier erdrücken. Immer weiter rücken die Feinde in unser liebes Land ein. In Breslau sind nun auch schon Kämpfe, ebenso in Posen, Bromberg, Thorn. Die alte Marienburg hat sich nun auch zu beweisen. Und im Westen, meiner Heimat geht es auch so zu. Oft will ich ganz verzagen und einfach nicht mehr weiter, aber immer wieder reiße ich mich von dem Nachdenken los und schäme mich nachher, daß ich schlapp gemacht habe und feige war – jawohl feige.
Nun ist es mir schon viel viel leichter ums Herz. All meine Sorgen und alle meinen Kummer habe ich mir nun vom Herzen geschrieben. Meiner Mutter kann ich doch nicht alles schreiben, denn sonst sorgt sie sich noch mehr, da muß denn eben
mein Tagebuch herhalten und meinen Jammer mitanhören. Jetzt ist mir, als ob ich mit meiner Muttel geredet habe, und die hat mir alles Schwere abgenommen. Ich brauche ja auch noch eine Stütze, denn ich bin noch jung, erst am 5.4.45 werde ich 17 Jahre alt. Sehnsucht nach Daheim und Pflicht und Arbeit reißen mein Herz hin und her. Komm April nach Hause, dort ist es schön, sagt die eine Hälfte – es ist Krieg und du mußt deine Pflicht und noch mehr erfüllen sagt die andere Hälfte. Oft schwanke ich wie ein dünner Halm hin und her und weiß nicht recht. Aber mein Entschluß steht nun fest, ich bleibe dort, wo ich gebraucht werde, als Lagermädelführerin in der Kinderlandverschickung mitzuhelfen an der Erziehung der Jugend. Und ich halte mein Wort und werde nicht fahnenflüchtig, mag da kommen was da will, nichts soll mich kleinlaut und verzagt sehen, das sei mein Wort.
Lieber im Sturme stehn als Erde und Steine küssen. Lieber im Leid vergehn, als betteln und schmeicheln müssen.
diese Worte will ich mir einprägen und nicht vergessen.
18.2.45
Das Geschehen an allen Fronten spitzt sich täglich immer mehr zu. Der gestrige Wehrmachtsbericht versetzte mich in Unruhe. Im Westen wird um die Straße Cleve-Kalkar schon gekämpft. So sehr weit ist das ja nicht mehr von meiner Heimatstadt entfernt. Wie alles wohl noch ausgeht wissen wir ja nicht. Auch in Breslau wird schwer gekämpft. Immer wieder bewähren sich Jungen aus der Hitler-Jugend an allen Fronten. Erst kürzlich erhielt ein 16 Jähriger das Ritterkreuz. Alle, und besonders in Ostpreußen, ob jung oder alt, mit ihrem Leben verteidigen sie ihre Heimat bis zum Letzten. Unserer aller Heimat ist in größter Gefahr.
Wir in der Fürsorge der KLV. sind ja von allem verschont. Nur ab und zu Alarm. Die Verpflegung ist trotz allem noch sehr gut. Klagen können wir bestimmt nicht – und trotzdem fehlt mir hier etwas. Nachricht von meinen Lieben daheim. Hoffentlich bekomme ich nun Morgen wieder Post.
4.3.45
Es schneit vom Himmel in dichten Flocken. Vorige Tage saßen wir bei strahlendem Sonnenschein schon auf dem Balkon – und heute rodeln wir wieder. Der Winter will und will noch nicht weichen. Wieder liegt der Schnee 1.10 m hoch. Soviel Schnee.
10.3.45
Mit meinem Fuß geht es nun besser. Heute war ich nun mit meinen Mädeln wieder raus zum rodeln. Es war herrlich, trotzdem wir erst garnicht zum rodeln kamen. Mit Arbeitsmänner haben wir Schneeballschlachten geschlagen. Oft ging es hart auf hart. Im meterhohen Schnee läßt sich ja auch allerhand anfangen. Schneebälle flogen in dichten Haufen hin und her. Wir lagen oft mit der Nase im Schnee und krochen wie Schneemänner wieder draus hervor. Einfach herrlich. Froh und heiter kehrten wir alle siegesbewußt ins Lager zurück.
12.3.45
Ich warte täglich auf Post von Daheim. Immer und immer wieder vergebens. Die Feinde dringen auch schon in Westfalen ein. Wesel ist genommen, und bis zu meinem Heimatstädtchen sind es noch 50 km. Wirklich,
in den letzten Tagen bin ich auffallend zerstreut. Gedanken fliegen hin zu meinen Eltern. Sind sie schon geflüchtet und leben sie noch? Jetzt tritt der Krieg mit all‘ seinen furchtbaren Folgen erst richtig an mich heran. Allein bin ich in Bayern und sorge mich um meine Angehörigen im Westen. Aber was hilft alles Denken und Grübeln. Donnerstag fahre ich in Urlaub. 4 lange Urlaubstage. Hoffentlich finde ich meine Eltern in Westfalen, denn sonst muß ich wieder zurück nach Thüringen. Wir bringen aus der Schule entlassene Mädel und Jungen in ihre Heimat zurück. Für die Fahrt hoffen wir alles alles Gute. Es kann ja nicht jede Bombe treffen. Wir fahren auf jeden Fall, komme was das will. Wir sind bereit – als deutsche Führerinnen wenn es sein muß, auch zu sterben. Wir fahren vom Frieden in den Krieg nach Westen. – Auch wir sind tapfer.