Während eines KLV-Aufenthalts von Schülern des Kölner Gymnasiums Spiesergasse in Johannisbad im Jahr 1943 führte der mitgereiste Lehrer Neumärker ein persönliches Reisetagebuch, dessen Eintragungen aus der KLV-Zeit hier wiedergegeben werden.
Der gleiche Lehrer führte ein Aufsatztagebuch, in das er ausgewählte Schülerarbeiten aufnahm – etwa über Bombenangriffe auf Köln oder die Beurteilung der Kriegsgeschehnisse. Während des KLV-Aufenthalts wurde dieses Aufsatztagebuch dann zu einer Art Chronik des KLV-Lagers „Wartburg“.
Beide Quellen wurden dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln im Rahmen eines Projekts im Jahr 1999 zur Verfügung gestellt. Die Quellen wurden sorgsam transkribiert, aber aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten nicht reproduziert. Daher können hier nur die Transkriptionen eingesehen werden.
Der im Juni 1928 geborene Erwin K. Scheuch nahm als Schüler des Kölner Gymnasiums Spiesergasse 1943 an der KLV-Verschickung nach Johannisbad teil, wo die Schüler der Schule die beiden Lager „Wartburg“ und „Grüne Eiche“ belegten. Er erinnerte sich hieran im Jahr 1999:
„Die ganze große Mehrheit meiner Mitschüler war der NSDAP gegenüber ablehnend. Das galt auch mit einer Ausnahme für die Lehrer. Diese Ausnahme war unser Biologielehrer, der ungefähr Lindau hieß, und sich als ziemlich unangenehmer Nazi aggressiv gebärdete.
Ich war Teil der Verschickung, weil die Klasse insgesamt auf Befehl nach Johannisbad gebracht wurde. Auch die Lehrer hatten mitzugehen. Neben dem Schulunterricht hatten wir an einer vormilitärischen Ausbildung teilzunehmen, die Nachtmärsche und ziemlich leichtsinnige Mutproben einschlossen. Von uns wurde das allerdings eher als Abenteuerspiele erlebt. Für mich galt das sehr entschieden so, deshalb machte ich auch die Prüfung als Ausbilder für Geländekunde. Mit zu den unangenehmsten Erinnerungen gehörte der Hurra-Patriotismus der sudetendeutschen Bevölkerung und deren schon rassistische Ablehnung der benachbarten Böhmen. Ich bin ziemlich sicher, daß das als Schüler unsere Abneigung gegen den NS-Staat verstärkte.“
Der im September 1926 geborene Günter Storck, von dem sich im „Aufsatztagebuch“ von Lehrer Neumärker ein Beitrag aus dem Jahr 1942 findet, war Insasse des Lagers „Grüne Eiche“. Er erinnerte sich 1999:
„Im März 1943 teilte mir der Schulleiter, Oberstudiendirektor Dr. Kopfermann mit, daß ich die Klassen 4 und 5 der Schule in die KLV als Lagermannschaftsführer begleiten sollte. Ich hätte mich weigern können, dann wäre eben ein anderer älterer Schüler gefragt worden. Ein Zwang wurde da nicht ausgeübt. Es kamen ja auch nicht alle Schüler mit in die KLV. Es gab Familien, die Verwandte in weniger luftkriegsgefährdeten Gebieten hatten, die brachten ihre Kinder halt dort unter. Als Lagerleiter fuhr mein damaliger Deutschlehrer, Dr. Peusquens, mit. Ein zurückhaltender, geradezu vornehmer älterer Herr mit einer für die damalige Zeit und unter den damaligen Umständen bemerkenswerten Haltung. Z.B. hielt er jeden Sonntagmorgen den üblichen "Flaggenappell" ab, - er trug hier meist die wesentlichen Inhalte der letzten Wehrmachtsberichte in beruhigender Art vor -, um dann zielstrebig in den Gottesdienst der katholischen Kirche zu eilen, gefolgt von einigen katholischen Schülern.
Das Verhältnis zwischen Lagerleiter / Lehrer, Lagermannschaftsführer und "Mannschaft" (Schülern) war unter den ruhigeren Kriegsverhältnissen im Riesengebirge - vergleichsweise zum Schulalltag in Köln - gelöster, teilweise heiter. Es gab hier nicht die Übermüdungsspannung nach langen Luftschutznächten in Bunkern und Kellern, nicht die schrecklichen Erlebnisse brennender und zusammenstürzender Häuser und sterbender Nachbarn oder gar Angehöriger nach den großen Bombenangriffen - gerade auf Köln.
Ich selbst wurde im September 1943 versetzt, nahm dann im August / September an den Schwimmwettbewerben der Deutschen Jugendmeisterschaften in Breslau teil und fuhr anschließend alleine nach Köln zurück. Auf dem zitierten Treffen vor vierzehn Tagen erfuhr ich, daß auch einige andere damalige Schüler von Eltern oder Verwandten im Spätsommer 1943 "einzeln" zurück nach Köln, nach Hause oder zu Verwandten aufs Land geholt wurden. Eine Restgruppe ist dann unter Aufsicht des Lagerleiters im Herbst 1943 nach Köln zurückgekehrt. Hier wurden wir - die Jahrgänge 1926, 1927, 1928 und 1929, dann noch "Flakhelfer" und kurze Zeit später Soldat, ich selbst am 15. Februar 1944.
In Erinnerung geblieben sind mir besonders das Heimweh und der monotone Rhythmus des Lagerlebens. Brieflichen Kontakt mit Zuhause hatten wir. Wenn es Kontrollen gegeben haben sollte, so blieben sie unbemerkt. Das Verhältnis zwischen Lagerleiter und Lagermannschaftsführer war gut, wobei das "Sagen" eindeutig der Lagerleiter hatte.“