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KLV-Lagertagebuch Hannelore Missy (1944) (Hollerath)

Die im September 1931 geborene Hannelore Missy besuchte die Kölner Mittelschule Niedrichstraße, mit der sie an zwei KLV-Verschickungen teilnahm: 1943 nach Ebensee am Traunsee und 1944 nach Hollerath in der Eifel.

Diese Verschickungen, so betonte Frau Hirsch, wie sie nach ihrer Heirat heißt, 1999 rückblickend, seien freiwillig erfolgt. Aus der Lagerzeit sei ihr nichts „Unangenehmes“ in Erinnerung geblieben. So sei auch unzensierter Briefverkehr nach außen erlaubt gewesen.

In Hollerath fertigte Hannelore Missy - wie ihre Klassenkameradinnen – ein Lagertagebuch an, das mit zahlreichen Zeichnungen illustriert wurde. Dieses Lagertagebuch stellte Frau Hirsch dem NS-Dokumentationszentrum im Jahr 1999 kurzzeitig zur Verfügung. Damals bestand leider noch nicht die Möglichkeit, auf schnelle und finanzierbare Art und Weise gute Reproduktionen anzufertigen. Daher liegen hier lediglich weniger gute Farbabbildungen oder gar nur herkömmliche Kopien des Lagertagebuchs vor. Die Reproduktionen werden im NS-Dokumentationzentrum der Stadt Köln im Bestand "KLV" aufbewahrt.

Mein
KLV-Lagertagebuch
aus dem
KLV-Lager Hotel Hollerather Hof
in der Hocheifel

vom: 30. März 1944
bis: 4. September 1944

13. April 1980

Spazierfahrt durch die Eifel mit Kaffeetrinken im Hollerather Hof, der sich innen und außen nicht verändert hatte.

Die ersten Tage im Lager

Nach einer langen, beschwerlichen Wanderung standen wir vor dem Eingang des Hollerather Hofes. Fräulein Brock hieß uns herzlich willkommen. Voller Neugier legten wir in der geräumigen Diele unsere Mäntel und Kletterwesten ab. Die Schuhe zogen wir auch aus, denn wir waren den Berg herauf durch den Schnee gewatet. Fräulein Brock führte uns in den Speiseraum. Dort sanken unsere Füße in dicke, mollige Teppiche. Zu vieren setzten wir uns an gedeckte Tische und warteten aufs Essen. Nachdem wir uns sattgegessen hatten, sang Lotti einige Lieder mit uns. Doch wir konnten gar nicht richtig aufpassen, denn unsere Gedanken waren immer in den Stuben. - Endlich kam Fräulein Brock und zeigte uns unsere Stuben. Unser Staunen hörte gar nicht auf. Auf Schlaraffiamatratzen

dürfen wir schlafen und mit Daunendecken decken wir uns zu. In den eingebauten Schrank legten wir Kante auf Kante unsere Wäsche. Das Waschbecken ist auch in einer gemütlichen Kachelnische eingebaut. Beim Waschen spendet uns eine darüberhängende Lampe das Licht. Neben jedem Doppelbett steht ein Nachttisch. Nach einem schmackhaften Abendessen legten wir uns ins Bett und schliefen bald ein.

Samstagmorgen!

Ganz verschlafen rieb ich mir die Augen als Klärchen uns mit der Quetsche weckte.

Nachdem wir Stubenabnahme und Kaffee getrunken hatten, lernte Kläre uns noch einige Singspiele. Am Mittag zogen wir uns alle hohe Schuhe an und gingen in den noch mit Schnee bedeckten Wald. Hei, war das fein im Schnee herumzuwaten!

 

Nach dem Abendessen gingen wir in unsere Stuben - und, wir trauten unseren Augen nicht, vor jedem Doppelbett und dem Waschbecken lag ein kleiner, geflochtener Teppich. Ach, hier ist es ja so schön! Genau so schön wie in Fichteneck.

Ostern im KLV-Lager

a) Ostervorbereitungen

Hei, auf dem Tagesplan steht: Ostervorbereitungen. Was mag das denn sein? Dürfen wir etwa die Eier bunt malen? "Alle auf der Terrasse aufstellen!" ruft Klärchen. So, heute gehen wir in den Wald und suchen Sternchenmoos und Edeltannen. Freudestrahlend wandern wir in den duftenden Tannenwald. Große Raubvögel schwirren in der leichten Luft. - O, weh! der Förster. - Doch, Gott sei Dank, er sieht uns

nicht. Was ist denn das? Ein Goldfasan erhebt sich von der Erde hoch und fliegt mit unruhigen Flügelschlägen fort. "Still! Seid doch mal still!" tönt es aus allen Ecken. Horch! wie fein das klingt! Die ersten Waldvöglein zwitschern ein herrliches Konzert.

Zuhause legen wir alle Moosflächen in die Schwemme. Nach dem Kaffee holen wir uns sie herauf und hei! da ging's ans Nestchenformen. Das ist gar nicht so einfach wie es aussieht. Aber wir geben uns alle Mühe. - Ob wir nun auch die Eier in die Nestchen legen dürfen? Ach, nur Geduld!

 

b) Ostersonntag!

Flink sprangen wir aus den molligen Betten, zogen uns an, liefen hinunter und stellten uns vor dem Speisesaal auf. Das Warten dünkte uns eine Ewigkeit. Gemeinsam tranken wir an den festlich gedeckten Tischen Kaffee und aßen unser Weißbrot. Auf den sauberen Tischdecken standen bemalte Ostereier und in ihnen steckten zarte Frühlingsblümchen. Ganz festtäglich war uns zumute. Nach dem Morgenkaffee hieß es: "Zieht eure Schuhe und Mäntel an und stellt euch draußen stubenweise auf!" Hurra, der große Augenblick war da! Voller Freude stürzten wir in den Garten, um die Nestchen zu suchen. Unter jedes Tannenbäumchen schauten wir. Ach sieben Stuben hatten ihr Nestchen schon gefunden. Und wir? Ob der Osterhase Stube 3 vergessen hatte? Ach nein, das war doch unmöglich. "Suchen, suchen!" meinte lachend

Frl. Brock. Mit neuem Mut gings ans Suchen. "Ich, ich - ich hab's!" rief Ursula Umlauf jubelnd vor Freude. Ei, in jedem Nest lagen vier buntbemalte Eier. Wie freuten wir uns! Alle Stubenältesten wurden mit ihrem Nest geknipst. Freudestrahlend traten wir ins Haus. - Eine neue Überraschung! Die Osterpost und die Osterpäckchen wurden verteilt. Vor lauter Freude glühten unsere Backen. Um 11 Uhr fanden wir uns zur Morgenfeier zusammen, die uns ganz frühlingsfroh stimmte. Nach dem leckeren Mittagessen und einer ausgiebigen Bettruhe hatten wir Freizeit. Vergnügt tummelten wir uns im Garten, spielten und sangen. -

Vor dem Einschlafen dachte ich: "Wie schön war doch das Osterfest im Lager!"

 

Eine große Überraschung

"Fräulein Brock, Fräulein Brock - unser Traktor fährt nach Gemünd, er nimmt die Wäsche mit, aber zwei Kinder müssen mit!" ruft Frau Friedrichs, in den Schulraum stürzend. "Na gut" erwidert Frl. Brock. Wie ein Bienenschwarm sausen die Finger in Frl. Brocks Gesicht. "Immer langsam," sagt Frl. Brock mahnend, "setzt mal alle Euch auf Eure Plätze - so - hm, das fällt schwer die Richtigen zu angeln. Na gut, Hannelore Missy und Margret Wahlbrinck können mitfahren, zieht Euch aber warm an, denn es ist sehr windig." Hei, flink geht's auf den Traktor, o, Herr Wolter fährt ja mit! Hu! Was für ein Gewackel - aber nicht schlimm, wir haben uns ja so eifrig gemeldet, darum müssen wir auch schon eine

kleine Magenschwindsucht aushalten.

Immer weiter geht es. Ach, wie schön ist doch die Natur, überall blüht und grünt schon alles. - - "Mein Gott, schon drei Stunden sind wir von Hollerath fort", staunt Margret. "Ja, aber bald sind wir da", erwidert Günter, der Sohn von Frau Friedrichs Schwester. Hurra! Wir sind am Ziel. Aber was müssen wir denn jetzt? "Holzaufladen?" "Ich meine, wir wollten die Wäsche fortbringen", entrüstet sich Margret. "Ran an die Arbeit!" befiehlt Herr Wolter lächelnd. "Och, 300 drei Meter lange Bretter!" stöhnen wir. Ganz mutlos beginnen wir.

Endlich können wir die Heimfahrt antreten. Und das Gewackel fängt wieder an! Hei! Eine Wirtschaft! "O, Herr Wolter, bitte, bitte ein Gläschen Bier!" Unser Wunsch ist erfüllt. Von einem ziemlich gemütlichen und einem arg dicken Herrn Wirt bekommen wir 1 Glas Bier auf den Tisch gestellt. Nach einigen Minütchen ist das Glas leer, und wieder geht es auf

 

den Traktor. Hin und her werden wir geworfen und sind froh, daß wir vor dem Hollerather Hof absteigen dürfen. Wir danken Herrn Wolter herzlich dafür. Diesen Tag werden wir so schnell nicht vergessen.

Ein ereignisreicher Tag

"Fräulein Brock, die Invasion hat begonnen!" Mit diesen Worten stürzt Gertrud, unsere Lagermädelführerin, in den Schulraum. "Sofort alles einpacken!" befiehlt uns Frl. Brock. In einer Aufregung laufen wir alle zum Radio. In den ersten Meldun-

gen hieß es: "Viele hundert britisch-amerikanische Fallschirmjäger sind zwischen Cherbourg und Le Havre und an der Seinemündung gelandet." Ich dachte sofort an meinen Vater. Aber voll Freude hörten wir, daß die Operationen an der Invasionsküste im Sinne der deutschen Führung voranschreiten. Den ganzen Tag haben wir das Radio an. Unsere Spannung wächst von Minute zu Minute. Immer

 

wollen wir neue Berichte hören. - "Unsere Truppen bekämpfen die Feinde mit der neuen Waffe, das 'Rommelspargel'", so hieß es am Abend im Bericht zur Lage. Nach dem Essen gingen wir ins Bett. Unsere Neugier wurde so bis zum anderen Tag verschoben.

Hier landeten die anglo-amerikanischen Truppen. [gezeichnete Karte]

Stubenabnahme

"Stubenabnahme!" ruft Elsbeth, das Mädel vom Dienst, durch den Flur. "Ach, Gott, wir sind noch nicht fertig. Mensch, Käte, beeil dich was!" flüstert Gisela ganz aufgeregt. Endlich - so jetzt noch schnell die Fingernägel rein, und - "Jungmädel! Stube Kölner Heinzelmänn-

chen ist mit vier Mädeln zur Stubenabnahme bereit", melde ich beim Eintreten unserer Lagerleiterin. "Hi, heute mache ich ganz gründlich Stubenabnahme", lächelt Frl. Brock. "Och ja, ist hier staubgeputzt worden?" fragt sie. "O ja, Fräulein Brock", "Na, das glaube ich nicht, also Punkt ab." "Hier die Gläser sind schmutzig und hier in Bürsten sind Haare, also noch fünf Punkte ab, das wären zusammen sechs Punkte ab, so, jetzt runter in die Schwemme." Flink laufen wir die Treppe herunter in die Schwemme. "Meine Güte!" staunt Frl. Brock, "wem gehören diese Schuhe?" "Mir", ruft Ursel ganz entsetzt. "Da müßten ja eigentlich zwei Punkte für abgehen, aber --." "So, jetzt schnell auf der Diele aufstellen", befiehlt uns Frl. Brock. "Junge, junge, zwei Punkte haben wir noch nie gehabt, jetzt strengen wir uns aber an!" nimmt sich Gisela ernst vor.

 

16.7.

Sport bei Fräulein Brock

"Alle draußen antreten!" ruft Frl. Brock, "wir haben jetzt Sport!"

"Hurra!" Flink laufen wir heraus. "So, alle auf die Erde setzen! Jetzt aber fleißig ran! Knie anziehen, grätschen, anziehen und strecken! Schnell immer schneller. Anziehen, grätschen, anziehen und strecken!" befiehlt uns Frl. Brock. Nachdem wir uns etwas ausgeruht haben, üben wir für den nächsten Elternbesuchstag. Aber dieses Mal kein Märchen, sondern Gymnastik. "Ach, ist das anstrengend!" Zum Schluß tanzen wir einen Reigen. Und Kniebeugen, Gleichgewichtsübungen, der Hampelmann, alles kommt in dem "schönen" Sport vor. Aber, aber Muskelkater haben wir auch nach dem "schönen" Sport bekommen. Nach dem Essen machen wir noch einmal die Übungen, damit wir sie bis zum nächsten Sport nicht vergessen.

Am Abend, im Bett dachte ich nochmal über den frohen Mittag nach. So schön war selten eine Sportstunde!

29.6.

Wir schöpfen den Brunnen aus

"Vier Mädel schöpfen heute mittag den Brunnen aus, wenn die anderen Rumpelstilzchen üben", meint Gertrud zu Fräulein Brock. "Das können wir machen, aber wen nehmen wir?" antwortet sie. "O, Fräulein Brock, ich spiele nicht mit!" rufen alle durcheinander. "Immer langsam, na gut, nehmen wir mal Magda Schumacher, Maria Roeb, Gertrud Spenrath und Hannelore Missy! Einverstanden, Gertrud?" fragt Fräulein Brock. "Natürlich, dann geht ihr vier rauf und zieht Euer Turnzeug an." antwortet Gertrud. In ein paar Minuten sind wir wieder unten. Jetzt organisieren wir uns noch flink ein paar Eimer, und dann geht's zum Brunnen. "Uh!" stöhnen wir, "was ist der schmutzig!"

 

"Ach was, nur flink an die Arbeit!" Bald haben wir den Brunnen ausgeschöpft und all das Wasser durchs Kaffeesiebchen gesiebt! Das war eine Arbeit! Zum Abendessen waren wir fertig. Von Frl. Brock bekam jedes Kind fünf Punkte zu. Hei, da haben wir uns gefreut.

23.5.

Der erste Elternbesuchstag

"Hurra, morgen kommen ja die Eltern!" rufen wir jubelnd und sind ganz außer Rand und Band. "Wir müssen auch noch Blumen pflücken", verkündet uns Fräulein Brock, "wir gehen am Besten jetzt sofort." Singend marschieren wir zum Tor hinaus ins Oleftal. Bald kommen wir mit dicken Sträußen von Osterglocken zurück. Unsere Stuben, den Schulraum und den Tagesraum werden reichlich geschmückt. Aufgeregt und voller Erwartung schlafen wir am Abend ein.

"Ach, schon wieder aufstehen?" knüttere ich

beim ersten Quetschenton. "Hurra, heute ist ja Elternbesuchstag!" freut sich Käte. "O ja!" jubelt Gisela. Alle Müdigkeit ist nun verschwunden und ich springe als erste aus dem molligwarmen Bett. Im Nu sind wir fertig. Beim Kaffeetrinken erscheinen schon die ersten Eltern. Wir wackeln auf den Stühlen hin und her. Aufgeregt sausen wir zur Tür und wollen sehen, ob unsere Eltern noch nicht zu sehen sind. Aber nein, meine Eltern sind es nicht. Unzählige Male rennen wir zur Tür und zum Fenster. Langsam füllt sich der Tagesraum. "Hanne! Deine Mutter und Marlies kommt!" rufen meine Kameradinnen. "Ist ja gar nicht wahr! Ihr wollt mich wohl zum Narren halten!" mißtraue ich ihnen. - Doch -, sie sind es! Freudig laufe ich ihnen entgegen und falle meinem Schwesterchen und meiner Mutti um den Hals. Ich erzähle meiner Mutti gleich wie schön es hier ist und wie gut es mir gefällt. In der Stube packen wir

 

allerlei schöne Sachen aus. Was kommt da nicht alles zum Vorschein? Wäsche, Plätzchen und "Puppensachen". - "Sind nun alle Eltern da?" fragt Frl. Brock. "Ja!" tönt es aus allen Ecken. Wir führen unsere Eltern zu den Plätzen und stellen uns auf dem ersten Stock auf. Nun beginnt die Morgenfeier. Fräulein Brock spricht einige Begrüßungsworte. Wir singen Lieder und sagen Gedichte auf, in denen wir der Mutter für ihre Liebe, Sorge und Güte danken. Nach der stimmungsvollen Feier führten einige Mädel das Laienspiel "die Bernsteinhexe" vor. Es gefiel allen Eltern sehr gut. Ein kleiner Junge, der seine Schwester spielen sah, lief mitten auf die "Bühne". Frl. Brock schnappte sich den kleinen Vorwitz und nahm ihn auf ihren Schoß. Die Münder der kleinen Zuschauer, die ihre Schwestern als Prinzessin, die ich war, Prinz oder Pagen sahen, standen vor Verwunderung weit offen. Das lang eingeübte Spiel klappte ohne irgendeinen Zwischenfall. Nach der Vorstellung essen wir zu Mittag.

Jedes Mädel erhält zum Nachtisch eine dicke Apfelsine. Nach dem schmackhaften Mittagessen haben wir Freizeit oder Ausgang mit den Eltern.

Die Zeit vergeht viel zu schnell. Meine Mutti bleibt noch bis zum anderen Tage bei mir, aber die anderen Kameradinnen nehmen auch ohne Tränen Abschied, denn die Eltern wissen ja, wie gut es uns geht.

 

17.7.

Freizeit im Lager

"Hei, heute ist ja Sonntag! Dann haben wir wieder Freizeit!" freuen wir uns. Flink ziehen wir uns Turnzeug an, holen uns die Seilchen und Tambourins und dann geht's hinaus in den Garten. Maria, Irene, Ursel, Käte und ich schnappen uns einen Medizinball und üben das Stoßen. Da bekommt mancher einen ordentlichen Stoß ins Gesicht oder auf die Brust. Aber das macht nichts, die Hauptsache ist, wir können das Stoßen. Bald wird es uns zu heiß. Als wir uns hinsetzen wollten, um uns etwas auszuruhen, da entdecken wir einen "Verunglückten". Unser Schnäuzchen war beim Bockspringen gestürzt und nun hatte es ein Knübbelchen am Knie. Einige Mädel eilten

zu Fräulein Brock und erzählen ihr dieses "Unglück". Ein bißchen lachend kommen sie zurück und rufen: "Schnäuzchen, du mußt ins Krankenhaus!" "Ihr wollt mich wohl zum Narren halten!" entgegnet Schnäuzchen. Da kommt Fräulein Brock und schnappt sich die kleine "Schnauz" und trägt sie ins Krankenzimmer. - Wir spielen noch bis zum Essen und freuen uns, daß dem Schnäuzchen nicht mehr passiert ist.

Wir gehen ins Oleftal Blumen pflücken

"Mädel vom Dienst!" ruft Kläre, "du läßt jetzt alle Mädel in Marschkolonne draußen antreten, du gehst mit ihnen ins Oleftal Blumen pflücken." Nach einigen Minuten marschiere ich mit ihnen fort. Im alten Belgien müssen wir unsere Beine ziemlich anstrengen, denn dort sind noch die Hocker (oder Panzersperren) vom Weltkrieg, und darüber

 

mußten wir springen. Das war gar nicht so einfach wie es aussieht. Bald sind wir auf einer großen Wiese. Dort stehen hunderte und tausende von Narzissen. "Erna ist ja gar nicht da!" ruft Ursel. "Doch, da hinten kommt sie ja", antworte ich ihr. "O weh, sie hat sich den ganzen Rock zerrissen!" ruft Gisela. Ilse gibt ihr ihre Trainingshose und dann laufen wir weiter. Um 11 Uhr haben wir alle dicke Sträuße. Singend wandern wir durch den Wald nach Hause. Kläre war froh, daß wir wieder ohne Schaden da waren.

19.7.

Gartenarbeit

Wie ich mich freue! Auf dem Tagesplan steht Gartenarbeit. Flink holen wir die Geräte und laufen an unsere Beete. "Wieviel Unkraut steht auf meinem Beet!" rufe ich ganz erschrocken. Christel und Ilse helfen mir. "Ach, was sind deine Möhrchen noch klein", staunt Ilse. "Sieh mal, die von Marianne sind schon viel größer." "Ja, das kommt da-

von, wenn man kein Unkraut jätet, dann können die Möhrchen nicht wachsen, tja und dann...", erklärt uns Ströppchen. "O Fräulein Brock, sehen sie mal!" rufen wir, "am Himmel!" Die Sonne kommt hinter einer Wolke hervor. Das ist schön! Immer größer wird sie! Endlich ist sie ganz da. Bald habe ich auch kein Unkraut mehr auf dem Beet. "Fräulein Brock, sie bekommen 10 Punkte zu, weil sie so schön sauber und ordentlich den Weg abstecken!" rufe ich. "Bekomme ich auch welche zu?" "Ha! Das wäre ja gelacht", antwortet sie schelmig. - "Alle zum Essen reinkommen!" ruft Käti, das Mädel vom Dienst. Wir bringen alle Geräte rein und stellen uns auf der Diele auf.

 

18.7.

Ein Schrecken in der Nacht

Mitten in der Nacht um 1 Uhr höre ich Fräulein Brocks Stimme. "Alle aufstehen!" ruft sie. "Zieht euch einen Mantel an, und dann kommt ihr in die Schwemme. Die Flieger sind über uns." Ganz verschlafen und ängstlich tapsen wir die Treppe herunter. Wie Bienenschwärme sausen die Flieger über das Haus hinweg. "Das ist V1 von den Engländern", meint Käti. Wir lachen alle einmal. Fräulein Herber kommt auch herunter. Sie hat 3 Mäntel und 'ne ganze Reihe Kletterwesten mitgebracht, damit wir nur ja nicht frieren. Aber wir frieren alle nicht, denn unsere Mäntel sind noch aus "reiner Wolle". "Ich glaube, die Flieger haben nachgelassen", flüstert Frl. Brock. Sie geht mit Frau Friedrichs an die Haustüre schauen. Nach einigen Minuten kommt sie wieder und spricht: "Faßt euch alle an, und dann gehen wir in einer

Kette herauf in unsere Betten." Mit dem Gedanken, ob zu Hause nichts passiert ist, gehen wir ins Bett und schlafen bald ein.

Wir gestalten unser Lager

Hei, wir wollen Musterlager werden. Da müssen wir uns aber anstrengen. Tischkärtchen, Serviettentaschen, Kammhüllen, Haartüten, Schildchen für an die Schuhbeutel, für an die Kletterwesten und für an die Schränke in der Schwemme haben wir schon gebastelt. Jedes Buch auf dem Bücherregal hat sogar ein neues, grünes Kleid bekommen.

 

Aus gepreßten Blumen haben wir Bilder gemacht. Sie schmücken unser Treppenhaus. Das hat uns aber auch Mühe gekostet. Unsere Zeichenlehrerin Fräulein Herber hat uns bei dem Herstellen dieser Sachen geholfen. Wir haben alles bunt gemalt, und die Holzsachen hat Fräulein Brock gelackt. "Gelackt?" werdet ihr fragen. Jawohl, gelackt! Denn unsere liebe Frau Friedrichs opferte den feinen Lack. Wir sind so stolz, daß die Ständerchen so fein glänzen.

Jungtiere auf dem Gutshof

"Stellt euch zu zweien hintereinander auf!" befiehlt unsere Lagermutti. "Wir wollen uns die

Kätzchen, die Kälbchen und die Eintagsküken ansehen." Ganz aufgeregt stellten wir uns auf. Klärchen und Fräulein Brock führen an. Singend ziehen wir zum Gutshof. "Wo mögen die Küken sein? Ob sie frei im Stall herumlaufen?" denke ich beim Betreten des Hofes. Wir gehen ein wenig ängstlich am Bullen vorbei. In der Futterkrippe für die Kühe lag eine schwarzweiße Katzenmutti mit zwei allerliebsten Kätzchen. Zu gerne hätten wir das kleine Möhrchen auf den Arm genommen, aber das durften wir nicht. Gegenüber schlürften zwei junge Kälbchen Milch aus einem Eimer, den Maria ihnen hinhielt.

Am meisten Freude aber machten uns die jungen Küken. Wie kleine, dottergelbe Wollknäuel sahen sie aus. Staunend betrachteten wir das "Kükenhaus", ein schräg abgedachtes grünes Bretterhäuschen. In einer langen

 

Röhre lagen glühende Briketts, die eine wohlige Wärme ausströmen.

Auf dem strohbedeckten Boden stand ein Tellerchen mit Wasser. Einige Küken nippten daran, andere pickten Weichfutter. "Kann man die Hähnchen noch nicht von den Hühnchen unterscheiden? Wie lange müssen die Küken denn im Ställchen bleiben? Fressen die auch schon Körner?" So schwirrten viele Fragen durcheinander. Nur ungern trennten wir uns von den Küken.

Wir sammeln Blaubeeren

"Wer geht in den Wald Blaubeeren pflücken? Und fährt Rollschuhe?" fragt Fräulein Brock nach dem Mittagessen. Zehn Mädel melden sich für Blaubeeren zu pflücken. Unter denen bin ich auch. Schnell ziehen wir uns derbe Schuhe an und wandern zum alten Knochen. Der "alte Knochen" ist ein altes Gasthaus

in dem die Wanderer sich vor dem Krieg erfrischten.

Ursula Umlauf hat die Oberaufsicht. Sie zählt die Tassen und Kannen, die wir mitgenommen haben, damit keine verloren geht. "Meine Güte! Was stehen hier viele!" ruft Ilse. Wir stürzen uns alle auf die eine Stelle.

Bald haben wir unsere Kanne voll. Wir sind aber sehr neugierig, was in dem alten Knochen drin ist. Magda führt an. An den Fensterladen steht groß und breit geschrieben: Hier lebte einmal Mister Churchill.

Ein bißchen ängstlich gehen wir herein. Aber dadrin ist nichts anderes als ein leeres Zimmer. Flink laufen wir wieder heraus und treten den Heimweg an. Wir wandern durch den Waldweg und

 

sind bald am Hollerather Hof. Ach, o Schreck - ein Kälbchen ist von der Weide laufen gegangen. Herr Dr. Kadaun eilt ihm nach. Während ich es festhalte, geht er auch das andere holen, denn die zwei zusammen vertragen sich besser. Aber, aber... Sie werden wild und reißen Herrn Dr. Kadaun auf die Erde. Er konnte sie nicht mehr halten und ließ sie los. Aber bei mir gingen sie auch nicht mit. Eins ist mir laufen gegangen. Und das andere drängte mich so fest an den Zaun, daß ich hinfiel. Es zog mich bestimmt 2 m mit. MIr ist nichts passiert, nur mein sauberes Kleid war jetzt ganz schmutzig. - Vier Mädel gehen mit einer Tasse voll Blaubeeren zu Fräulein Brock und sagen: "Mehr haben wir nicht gefunden." Sie glaubte es ihnen auch.

Nach einer Weile gehen wir hin und bringen ihr die Kanne. Sie sagte: "Ich hab mir sofort gedacht, daß

Wir singen, tanzen und spielen für die Hollerather Jugend

Wie freuen wir uns auf den Montag; denn wir wollen für die Hollerather Jungen und Mädel singen, tanzen und spielen. Wie bei jeder Vorführung muß Frau Kampschulte auch dieses Mal ihren Kleiderschrank fast ausräumen. Mit Kostümen über dem Arm, Körben in der Hand marschieren wir ins Dorf. "Die Puppe!" schreit plötzlich einer. Die ganze Kolonne muß halten. - Mit der Puppe auf dem Arm kommt Christel angeflitzt. Es geht weiter. An der Schule sind alle Jungen und Mädel schon versammelt. - Fräulein Brock nimmt ihren Fotoapparat und möchte uns knipsen. "Das hat auch noch gefehlt", lächelt sie, "ich hab keinen Film." - Zwei Mädel eilen nach Hause. - Aufgeregt und fiebernd kleiden wir uns um. "Um Gotteswillen!" ruft Inge, "meine Schürze!" "Was machen wir jetzt?" - Natürlich müssen zwei Mädel nach Hause, die können ja sofort die Teppiche mitbringen aus dem Schulraum. "Ach was", meint Fräulein Brock, "vier Mädel gehen die Teppiche holen und zwei fragen bei Frau Leyen-

 

decker, ob sie uns eine Schürze leiht."

Bald sind alle Mädel wieder da und das Märchenspiel "Rumpelstilzchen" beginnt. Ob es klappt? Und ob Marianne, der König, sich nicht verspricht? Denn wir können nichts sehen, weil die Türe geschlossen ist, nur die Worte und die Lieder können wir hören. Hei, die erste Szene hat geklappt. Dann werden auch die andern klappen. Aber nein - Gisela mußte sich zum Schluß noch vertuen. Hoffentlich merken die Zuschauer es nicht. - Nach der einen Aufregung folgt eine andere. In der Pause singen wir einige Lieder und Fräulein Brock bringt der "Jugend" das Lied "Wenn die Entlein..." bei. Nun beginnt das lang geübte Kaffeekränzchen. "Das klappt ganz bestimmt", versichere ich den andern. "Ich glaube aber nicht", meint einer. "Na, wir wollen mal abwarten." Nach einer Viertelstunde erscheinen die Spieler wieder im Flur. "Hat alles geklappt?" erkundigt

sich Karin, denn sie war es, die eben gesagt hatte, es klappt nicht. "Ja sicher", antworten die Spieler einstimmig. Nun gehen wir alle verkleidet und manche unverkleidet in die Klasse und singen noch einige Lieder. Nachdem der Lehrer noch einige Worte gesprochen hat, ziehen wir uns um und treten draußen, mit den Kostümen auf dem Arm, an. Singend marschieren wir nach Hause. Diesen lustigen Nachmittag werden wir so schnell nicht vergessen.

Ein gemütlicher Tag im Lager

Im ganzen Hause laufen freudestrahlende Mädel herum. "Was ist los?" frage ich erstaunt. "Wir gehen gleich schwimmen", erhalte ich als Antwort. "Und ich? - darf wieder nicht mitgehen!" "Tröste dich", sagt Karin plötzlich, "ich darf auch nicht mit." "Schnäuzchen und Käte gehen auch nicht mit", tröstet mich Ströppchen.

Singend marschieren die Mädel zum Tor hinaus. Karin, Fräulein Brock und ich gehen in den Garten und reißen die Erbsen aus. Käte und Schnäuzchen putzen bei Frau Kampschulte das Badezim-

 

mer und pflücken dann Johannisbeeren. "Fräulein Brock, wir sind fertig", melden wir uns zurück, denn sie war schon reingegangen, weil es regnete. "Das ist ja fein, dann könnt ihr euch jetzt selbst beschäftigen", entgegnet sie uns. "Hm, was machen wir jetzt?" fragt Karin. "O ich weiß was", schlage ich vor, "wir gehen in den Garten und pflücken für Fräulein Herber und Fräulein Brock Blumen, die bringen wir ihnen dann aufs Zimmer und dann binden wir Fräulein Herber die Beine am Stuhl fest." Gesagt - getan. Für Streiche war Karin immer gleich zu haben. Eilig liefen wir in den Garten und kamen bald zurück. Etwas zaghaft mit der Hand auf dem Rücken, wo die Kordel drin ist, klopfen wir an. "Ja, bitte", tönt es. Liebevoll überreichen wir unserer Lagermutti die Sträuße. "Hu - mein Schuh ist ja auf", stellt Karin fest - es ist aber nicht wahr. Sie bückt sich und versucht Fräulein Herber die Beine fest zu binden. - Ach, wie schade, sie hat's gemerkt, so war unser erster Streich mißlungen.

"Fräulein Brock, sie möchten bitte essen kommen",

bestellt Schneuzchen. "Ha, was wird es nur heute geben? Es duftet so fein im Haus!" fragen wir alle erstaunt. Nachdem wir uns alle einen guten Hunger gewünscht haben, setzen wir uns an den Tisch und lassen uns die Königinsuppe, die fettigen Bratkartoffel, den Salat und als Nachtisch die Johannisbeeren gut schmecken. Nach dem Essen gehen Schnäuzchen und Käte wieder zu Frau Kampschulte, Fräulein Brock und Fräulein Herber gehen schlafen, ja - und was sollen wir beide machen? "Ich weiß was", freut sich Karin, "wir spinnen Fräulein Brock ein Netz aus schwarzem Nähgarn vor die Türe." Flink sind wir bei der Arbeit, aber, aber wo schläft Fräulein Brock? "Im Krankenzimmer, in ihrem Zimmer oder bei Fräulein Herber?" "Och, weißt du was?" frage ich, "wir spannen vor alle drei Zimmer ein Netz." "Klar", willigt Karin ein. Fleißig begeben wir uns ans "spinnen". Ach, wie leise muß das alles geschehen! "Tja, du hast gut reden - ein Netz spinnen - womit befestigen wir denn das Garn an der Wand?" frage ich überrascht. "Mit Heftzwecken, womit denn anders", meint Karin. "Auch Heftzwecken haben," - "die machen wir

 

von den Türschildern ab." - - Bald waren wir fertig und nun setzen wir uns, mit Büchern zum Lesen, neben die Türe. Ganz erwartungsvoll und neugierig warten wir bis die Türe aufgeht. "Ob Fräulein Brock sich nicht weh tut? Ob sie auch nicht die Brille an hat? Und ob sie auch dazu gesinnt ist?" fragen wir uns ein wenig ängstlich. - Da - die Tür geht auf - "vorsichtig" sage ich sofort. "Ihr seid mir doch ein paar Öster", lacht sie. "Habt ihr das auch bei Fräulein Herber gemacht?"

Wir machen schnell das Gespann ab und gehen herunter. "Was wird Fräulein Herber wohl sagen? Ob sie böse ist?" Plötzlich kommt Fräulein Herber herunter und sagt: "O, die Spinnen waren so fleißig, sie haben mir ein ganz großes Netz vor die Türe gesponnen", scherzt sie.

Wir müssen sehr lachen. Frau Friedrichs lacht auch kräftig mit. - Nach dem Kaffee gehen Käte, Schnäuzchen, Karin und ich zur Post die Päckchen holen. - Auf dem Rückweg hören wir unsere Mädel schon singen. Im Lager erzählen wir ihnen unsere Streiche und sie erzählen uns, wie schön es im Schwimmbad war.

Wir gehen schwimmen

Wir arbeiten alle fleißig im Garten. Die Sonne scheint heiß vom Himmel. "Klärchen, weißt du,wozu wir Lust haben?" fragen Gisela und ich. "Nein", antwortet sie. "Laß uns bitte, bitte morgen schwimmen gehen", quälen wir. "Das müssen wir mal sehen, und dann müssen wir auch Frl. Brock fragen", befriedigt sie uns.

Nach dem Abendessen sagt Fräulein Brock zu uns: "Wenn ihr heute abend schweigend zu Bett geht, dürft ihr morgen -" "Ha", brüllten wir da schon, obwohl wir gar nicht genau wußten, ob es wahr ist. Aber es ist doch wahr. - - Überall ist Totenstille. Keiner wagt seinen Mund auf zu tun. Nur jeder sucht sein Badezeug.

 

Ein lustiges Lied auf der Quetsche weckt uns am anderen Morgen. Da hätte mal einer sehen sollen, was wir schnell aus den Betten sind und schneller als sonst sind wir angezogen und gekämmt, denn - ja denn heute gehen wir schwimmen.

Mit den Badepäckchen unterm Arm marschieren wir los. Auf dem Weg nach Hellenthal singen wir lustige Lieder. - - Endlich ist der Bahnhof erreicht! Freudestrahlende Kinder steigen in den Zug ein, der nach Gemünd zum Schwimmbad fährt.

"Viel zu langsam fährt der Zug", meinen wir. Aber endlich sind wir da. "Sturm braust übers deutsche Land" singen wir, wenn wir in das Dorf kommen.

Vor dem Schwimmbad stellen wir uns zu zweien auf. - Erwartungsvoll trippeln wir in die lange, weiß gekachelte Diele. - Im Nu sind wir wieder

aus den Zellen und 29 Hampelmänner in Badeanzügen stehen auf der Wiese. "Hopp, ins Wasser", befiehlt Kläre. Hei, das lassen wir uns nicht zweimal sagen! - Schon spritzt das Wasser in die Luft. Wir springen alle schon zum dritten Mal, da ist Trude Offermann noch nicht zum ersten Mal gesprungen. Leise schleiche ich hinter sie und gebe ihr einen Stoß, daß sie zappelnd in das Wasser fliegt.

 

Da hätte mal einer sehen sollen, wie sie zappelte und schreit. Wir helfen ihr aber noch, damit sie uns nicht "versäuft". Kläre lacht auch kräftig mit. Während ich Gertrud Spenrath das Schwimmen lehre, kommt Max, meine beste Freundin, angeflitzt und ruft: "Maxi, (das bin ich) komm spring mit vom 3 m-Brett." "Ich kann doch nicht, ich bin ja noch nie gesprungen!" Sie quält aber solange, bis ich mit zum Sprungbrett gehe. Unter den Trostworten "Kläre ist Rettungsschwimmerin" springe ich vom 3 m-Brett ins Wasser von 4,50 m Tiefe. Nun dürft Ihr aber nicht denken, der Sprung wäre aus. Wie ich aus dem Wasser gekommen bin, daß ist auch noch ein Märchen: Aufgeregt und zappelnd komme ich in der Tiefe an. Hastig strample ich mich an die Oberfläche und versuche zu schwimmen. Ach, Herrgott, es geht nicht! Aber noch bin ich nicht von Gott verlassen. Meine Kameradinnen Gisela, Ströppchen und Max kommen angeschwommen und helfen mir aus der Not. Ängstlich klam-

mere ich mich um Ströppchen und denke, das wäre die lange Gisela. Aber sie ist es ja nicht, das arme Ströppchen bekommt auch bald keine Luft mehr. Endlich sind wir am Treppchen angelangt. Klärchen und Max helfen uns 3 Schwimmerinnen aus dem Wasser heraus.

Erschossen stehe ich am Ufer und kann es nicht begreifen, daß ich vom 3 m Brett gesprungen sein soll. - Nach einer kleinen Kaffeepause fragt Max: "Springst Du nochmal mit?" "Nein", antworte ich ihr, "ich habe genug." Nachdem wir wieder alle dreimal ins Wasser springen mußten, springen Kläre, Ströppchen, Max und Gisela nochmal vom 3 m-Brett. Ich sehe ihnen gerne zu - aber selbst mitspringen tue ich nicht mehr.

 

Ach, wie schade, es pfeift! Der schöne Bademittag ist aus. - Flink ziehen wir uns an, und bald marschieren 30 saubere Jungmädel durch Gemünd dem Bahnhof zu. - Die Sonne brennt heiß vom Himmel herunter.

Nach der "langen" Fahrt und dem beschwerlichen Marsch nach Hollerath sind wir alle froh, daß wir wieder in unserem schönen Lager sind.

8. August 44

Schlacht auf dem Johannisfeld

"Alle sofort unter den Johannisbeersträuchern Deckung nehmen" rufe ich, als feindliche Flieger uns bei der Gartenarbeit stören. Hei, das ließ meine Mannschaft sich nicht zweimal sagen. Im Nu lagen alle unter den Sträuchern und die erste Meldung von Leut-

nant Max lautet: "Die "Roten Feinde" lassen sich leicht gefangen nehmen." Ich, der Führende der Truppe, bin mit diesen Worten zufrieden. Die Feindtätigkeit hört immer noch nicht auf - still da spricht Wachtmeister Hännesge die zweite Meldung: "Herr Major, wir werden bald die Festung Johannis einnehmen. Es sind nicht mehr viel freie Rote Feinde. Die meisten sind ausgerottet. Wir werden uns aber jetzt daran geben, die "Verdrüschten" zu bändigen!!" Über diese Worte müssen wir alle sehr lachen. Aber die Sache ist zu "ernst", um zu lachen. Nach einigen Meldungen kam die Schlußmeldung von mir: "Die Feindflugzeuge haben den Hollerather Hof überflogen. Die deutschen Jm-Soldaten haben während dem Überfliegen bei Frau Kampschulte im Johannisbeergebüsch, wo sie Deckung nahmen, Rote Feinde entdeckt. Tapfer gingen sie auf die Guten und Verdrüschten los. Dabei durften sie sich aber nicht blicken lassen, weil immer noch feindliche Flieger überflogen. Als diese aber fort waren, stellte man fest, daß sie das Johannisbeerfeld von Frau Kampschulte

 

fast gesäubert hatten. Zur Belohnung durften sie nachher im Garten nicht arbeiten.

Dieses war ein schöner Nachmittag . Während der Gartenarbeit mußten wir noch öfters dahin, was uns sehr viel Spaß machte!

[unleserlich]

Mal wieder arbeiteten wir fleißig im Garten. Nachdem das M.v.D. alle Mädel gezählt hat, fehlen zwei. "Die dürfen nicht raus! Die müssen das Bohnenkraut auffädeln, weil sie Läuse haben. Kläre hat sie eben beim Kopfwaschen entdeckt!" rufe ich. "Mensch Maxi, ist das wahr?" fragen sie mich alle. "Ja sicher, sonst würde ich es euch doch nicht sagen." Einige Mädel glauben es, andere wieder nicht. Ich laufe schnell herein und erzähle den zwei

die Sache, damit sie sich nicht verplappern. Na gut, das hätte auch geklappt.

Fräulein Brock bekommt das auch noch alles erzählt. "Na, den Streich hat unser Maxi bestimmt wieder erfunden", sagt sie, "rufe die beiden mal rauf." Ich tat es sofort und nun fing die "Läuserei" an. Wir banden ihnen große Tücher um den Kopf und tropften etwas Kölnisch Wasser darauf. Kaum waren wir damit fertig, da rief das M.v.D.: "Alle schweigend zum Abendessen aufstellen!" Aber "schweigend", das hatten sie nicht gehört. Lustig schwirrten die Antworten und Fragen durcheinander. "Ist das wahr? Mensch, das kann doch nicht - sicher ist das wahr", das konnte man nur hören. Nachdem alle am Tisch saßen, kam Fräulein Brock, Elsbeth und Schnäuzchen zu Tisch. Die Zwei mußten sich allein an einen Tisch setzen und konnten sich vor Lachen bald nicht halten. - Nach dem Essen machten wir noch einen Abendspaziergang, auf den die "Verlausten" auch verzichten mußten. Während dem Marsch hörte man öfter: "Jetzt ist es

 

doch wahr, was wird die Mutter wohl sagen, jetzt dürfen die morgen nicht mit in die Badeanstalt", wir hatten das nämlich nach dem Essen gesagt bekommen! Als wir nach Hause kamen, lagen die Zwei schon in süßer Ruh. Dauernd liefen einige Mädel an die Stubentür, um nicht doch noch etwas zu erfahren. Am nächsten Morgen erzählten wir den Mädchen die Läusegeschichte, denn sonst hätte Elsbeth und Schnäuzchen auf das Schwimmen verzichten müssen, aber das war doch zu schwer.

29.8.44

Wir wecken Frau Kampschulte!

"Leise aufstehen", hörte ich plötzlich im Schlaf, "wir wecken Frau Kampschulte." Flink springen wir aus den Betten und huschen in die Trainingsanzüge. Auf nackten Füßen schlichen wir zwischen den Himbeersträuchern auf die Wiese. Ab und zu verlief sich

schon mal eine Himbeere in den Mund. Nachdem wir endlich zum Chorsingen aufgestellt waren, sangen wir das Lied: Seht wie die Sonne dort leuchtet. Aber was waren wir enttäuscht, als Frau Kampschulte, nach dem Schluß des Liedes, in der Küche das Fenster öffnete und sich bedankte.

Ganz betröppelt zogen wir wieder ab. Bis ½ 9 Uhr durften wir im Bett bleiben und tuen, was wir wollten.

Die 4 Heinzelmänner machen den Oberstock bange.

"Wißt ihr was?" frage ich meine 3 Kameradinnen beim Waschen, "wir schlagen uns nach dem Gutenachtsagen die Bettlaken um, nehmen uns eine weiche Bürste in die Hand und schleichen dann leise auf den Oberstock und machen die bange. - Gesagt, getan. - Gisela war die Erste, die damit einverstanden war. Unter der Bettdecke legten wir uns alle Sachen zurecht. "Hanne", sagte

 

Käte, "meine Bürste ist zu hart, was soll ich nehmen?" "Nimm meine", war die Antwort. Ich hatte mir nämlich schon ein anderes Geräusch ausgedacht - nämlich eine blecherne Seifendose und eine Gabel. Mit der Gabel wollte ich immer gegen die Seifendose schlagen. Endlich kam das Gutenachtsagen. Kichernd sagte ich Fräulein Brock gute Nacht. Keiner dachte an irgendetwas. Aber kaum waren die 3 aus dem Zimmer, da hopsten wir leise aus den Betten und taten was wir vorhatten. "Aber, o Schreck, was wollen wir jetzt machen? Die Treppe zum Oberstock quietscht so!" "Ich hole Kläre, die kann denn mitmachen, dann kann sie wenigstens nicht kommen und schimpfen, wenn die Treppe quietscht." Schnell lief ich rauf und angekleidet kam Kläre mit mir runter. Jetzt geht's los! Zuerst in die Stube Hännesge. Oh, was hatten die Angst!! Mit den Bürsten wurden sie gepiesackt und von meinem Geräusch noch banger gemacht. Als wir heil aus dieser Stube raus waren, gings in die Stube Fleutenarnöldche, zur Trude Offermann. Oh, hatte die

eine Angst. Sie schrie das ganze Haus um Hilfe. Aber keiner kam. In den anderen Stuben machten wir es genauso. - Kaum lagen wir heil im Bett, da wollte der Oberstock den Unterstock bange machen, aber das ließen wir uns nicht gefallen. Mit blauen Flecken und unter Tränen zog die ganze Gesellschaft nach oben.

1.9.44

Wir räumen unser Hollerath!

a) Wir räumen Hollerath

Alle lagen wir mitten in süßer Ruh, als plötzlich um 4 Uhr morgens das Telefon wie toll klingelte. Fräulein Brock lief sofort runter ins Jagdzimmer - und o Schreck! wie aufgeregt kam sie herauf. Kläre eilte auch zitternd die Treppe herunter und erkundigte sich, was da los war. Kurz darauf ging das Mädel vom Dienst auch schon durch alle Zimmer und befahl uns aufzustehen. "Was ist nur los?" dachten wir. - "Hanne, Hanne!" rief Gisela, "wir müssen packen, bis

 

heute mittag um 2 Uhr müssen wir fort sein, der Feind kommt näher!" In einer Aufregung rannten wir in die Schwemme und suchten unsere Koffer und Pakete. "Wo wollen wir nun zuerst anfangen, und was packen wir zuerst ein? Nun ja, wir haben nicht lange überlegt, sondern gleich gepackt. Manche Mädel waren schnell fertig, die mußten aber nachher die Schwemme putzen, die Tische scheuern und was sonst noch alles rein zu machen war.

Mittags 12 Uhr mußte alles fertig sein. Zum Schluß gaben es nochmal richtige Bratkartoffeln. Nach dem Essen schleiften wir unser Gepäck alles auf die Veranda. Nach dem traurigen Abschied von unserem Hollerath und der guten und lieben Frau Friedrichs und Frau Kampschulte wurde unser Gepäck auf einen großen Wagen geladen und mit Pferden nach Hellenthal gebracht. Oben darauf thronte Fräulein Brock und Fräulein Herber und behüteten mein Puppenkind.

b) Fahrt ins neue Lager

Nach einer langen Geduldsprobe kam endlich unser Zug angefahren. Aufgeregt stiegen wir ein. Fräulein Brock, Kläre und einige Mädel trugen unser Gepäck in ein leeres Abteil. Endlich fuhr der Zug ab.

Unter einigen Fliegerangriffen kamen wir endlich in Köln an. Und o wie schade! 2 1/2 Stunden hatten wir dort Aufenthalt und keine Mutter wußte, daß wir in Köln waren. - Nach 2 1/2 Stunden konnten wir nun in einen 2. Klasse Wagen einsteigen. - - - Abends um 1/2 10 Uhr stiegen wir in Eitorf aus. Einige Mädel aus dem Landdienstlager holten uns am Bahnhof ab und führten uns in strömendem Regen nach Bourauel, 1 Stunde weit von Eitorf entfernt. Vor einem ländlichen Haus machten wir Halt. Aber o Schreck! mit 50 Landdienstmädeln mußten wir in einem Raum schlafen. Das hatten wir nicht gerne, unsere Lagermutti suchte sofort neues Quartier für uns. Nach 8 Tagen fuhren wir weiter. Nun ging's nach

 

Herchen an der Sieg!

Eine liebe, ältere Dame empfing uns an der Schwelle einer alten Burg, die mitten im Tannenwald steht. Das Frühstück wartete schon auf uns. Nach dem Frühstück wurden wir auf die Stuben verteilt. Ich schlief mit Gisela Lambertz, Irene Standt und Magda Schumacher auf einer sehr luftigen Stube. Hier hatten wir keine Daunendecken, aber einfache Plumeaus. Das Wasser mußten wir im Keller holen. Aber das alles war nicht schlimm, die Hauptsache war ja, daß es uns gefiel. Vom Fenster aus konnten wir den Bahnhof sehen. In der Freizeit tummelten wir uns

in den nahen Wäldern. - Vom ersten bis zum letzten Tag hat es mir dort im Lager sehr gut gefallen.

 

[Nachtrag in den 1990er Jahren:]

Im Oktober 1944 wurde ich von meinen Eltern im Lager abgeholt. Mein Vater brachte meine Mutter, meine Schwester Marlies und mich nach Rothenburg o/T zur Evakuierung. Mein Vater verunglückte am 5. November 1944 in Ausübung seines Dienstes bei der Dt. Reichsbahn beim Rückzug der Ostfront in Preßburg tödlich.