Dieses Lagertagebuc einer ungenannten Klassenkameradin aus dem KLV-Lager in Hollerath stellte die im September 1931 geborene Hannelore Missy zur Verfügung. Von ihr findet sich ebenfalls ein entsprechendes Dokument ihrer Lagerzeit in den „Editionen zur Geschichte“.
Das Dokument wird im NS-Dokumentationzentrum der Stadt Köln im Bestand "KLV" aufbewahrt.
30.3.-4.9.1944
Die ersten Tage im Lager.
Nach einem langen, beschwerlichen Marsch im tiefen Schnee, standen wir endlich vor der Haustür des Hollerather Hofes. Fräulein Brock hieß uns herzlich willkommen. Wir dachten: „Ob es uns in dem Haus, daß für lange Zeit unsere Heimat sein soll, wohlfühlen?“ Ängstlich und doch neugierig betraten wir die geräumige Diele. Voller Staunen betrachtete ich die Bilder an den Wänden. In der Garderobe legten wir unsere Mäntel und Kletterwesten ab. Unsere nassen Schuhe brachten wir in die Schwemme.
Nun wurden wir in den hellen, freundlichen Speisesaal geführt. Vor Staunen waren wir sprachlos. Tief sanken wir in die weichen Teppiche ein. Zu vieren setzten wir uns an die Tische und ließen uns das Mittagessen munden. Viel Hunger hatte ich nicht; denn meine überbesorgte Mutter hatte mir einen großen Packen Butterbrote mitgegeben. Doch mit Musik ging es schon; denn ein Radio war auch vor-
handen. Nach dem Essen sang unsere Reisebegleiterin Lotti Neidhardt ein Lied mit uns. Wir konnten nicht recht aufpassen; denn wir waren sehr neugierig auf unsere Stuben. Wie nett und freundlich waren sie eingerichtet, viel schöner, als wir es uns geträumt hatten. Voller Schrecken schaute ich auf die übereinanderstehenden, weißlackierten Betten. „Ob ich wohl ohne Sturz ins obere Bett gelange?“ dachte ich.
Freitagabend! Zum erstenmal schliefen wir in unserm Lager. Mit einigen Klimmzügen und der Hilfe meiner Stubenkameradinnen landete ich oben! Und wie herrlich schlief ich! Ganz verschlafen rieb ich mir die Augen am Morgen. Was war das? „Aha, im Lager wird man mit der Quetsche geweckt. Fein!“ „Guten Morgen!“ wünschte uns Klärchen. Husch, husch, sprang ich aus
dem Bett, wusch und kämmte mich. O, das Bettenbauen war gar nicht so einfach! Noch schwieriger war das Wäschefalten nach dem Morgenkaffee. Kante auf Kante mußte jedes Wäschestück liegen. Da gab’s manchen Seufzer. –
Am Nachmittag, als wir von einem Waldspaziergang zurückkehrten, lag vor jedem Bett ein bunter Bettvorleger und vor dem Waschbecken ein kleiner Badeteppich. Den Tisch zierte ein weißes Deckchen, darauf stand ein Väschen mit Tannenzweigen. Jetzt war’s erst recht gemütlich in unserm Stübchen. In Hollerath gefällt es mir sehr gut, und ich fühle mich sehr wohl hier.
Wie wir Ostern feierten.
Ostervorbereitungen
„Hei! Auf dem Tagesplan steht: Ostervorbereitungen! Was werden wir machen? Vielleicht Eier bunt bemalen oder Nestchen bauen?“ rufe ich den Stubenkameradinnen zu.
Nach dem Mittagessen heißt es: „Schuhe und Mantel anziehen und draußen aufstellen!“ Fröhlich singend marschieren wir in den Wald. Klärchen erzählt uns, daß wir Sternchenmoos und Edeltannenzweige suchen sollen. Lachend geben wir uns an die Arbeit. Große Moosflächen finden wir. Ein Bussard zieht flügelschlagend über uns seine Kreise. Jauchzend laufen wir einen steilen Berg hinunter. Ich komme aus Versehen ins Stolpern und rolle geradewegs in einen Ameisenhügel.
Überall krabbeln große Waldameisen an mir empor. Huh, wie die beißen! Schnell werfe ich den Mantel weg. Ein Mädel schüttelt in aus und gibt ihn mir zurück. Vorsichtig schaue ich erst in alle Falten und die Ärmelaufschläge werden auch nicht vergessen. Aber zum Glück ist keine Ameise mehr da.
Zu Hause baut jede Stube ein Nestchen aus Moos und angefeuchteter Erde. Das ist gar nicht so leicht. Stolz zeigen wir unser kleines Kunstwerk, das mit Tannenzweigen, Tannenzapfen und Silbermoos verziert ist.
Einige Mädel stellen Tannenzweige in kleine Vasen auf jede Stube. Auch im Tagesraum und Speiseraum stehen Väschen. Überall sieht es festlich aus.
St. 3
Ostermorgen
Ein lustiges Lied weckt uns. Klärchen spielt auf der Quetsche. Schnell springe ich aus dem Bett. So fix wie heute sind wir noch nie fertig geworden. Erwartungsvoll stehen wir vor der Tür
zum Tagesraum. Geheimnisvoll ist der Vorhang zugezogen. „Das Osterhäschen bereitet noch etwas vor!“ flüstern wir uns zu. Nun geht der Vorhang auf. Singend ziehen wir um die Tische. Die Tische sind festlich gedeckt, in buntbemalten Eierschalen stehen Schneeglöckchen, Haselkätzchen und Weidenkätzchen. Vor jedem Gedeck liegt ein Namenschild. Bald hat jede ihr Schildchen gefunden und sitzt an ihrem Platz. Nach dem Kaffee stürzen wir jubelnd in den Garten zum Eiersuchen. Unsere Stube kann ihr Nest nicht finden. „Sind wir nicht artig genug gewesen?“ fragen wir Fräulein Brock. „Ich weiß es nicht!“ erwidert sie lachend. „Sucht fleißig!“ Endlich finde ich es unter einer Tanne. Ganz versteckt liegt es. Die Stubenältesten stellen sich vor ihre Nestchen und werden fotografiert.
Jetzt teilt Fräulein Brock die Osterpäckchen aus. Klärchen und Fräulein Brock sammeln in
Körbchen für die Besitzerin und für die Wirtschaftsleiterin. Hoch voll werden die Körbe. Schön verziert überreichen wir sie unsern lieben Gastgebern.
Eine stimmungsvolle Morgenfeier unter dem Thema: „Es geht eine helle Flöte, der Frühling ist über dem Land“, schließt sich daran an. Zwei Mädel spielen Flöte, wir singen mehrstimmige Lieder und Klärchen liest zwei Frühlingsmärchen vor.
Nach der Morgenfeier haben wir Freizeit. So schön habe ich mir Ostern im K.L.V. Lager nicht vorgestellt.
Eine unverhoffte Wagenfahrt.
Magda und ich hatten Küchendienst. Viel, sehr viel Geschirr zum Spülen war da. Stöhnend und seufzend begaben wir uns an die Arbeit. Plötzlich stürzte Frau Friedrichs aufgeregt
in die Küche. „Schnell, schnell, Ihr beide fahrt mit nach Hellenthal, Brot und Fleisch einkaufen. Am Bahnhof müssen 100 Eintagsküken abgeholt werden.“ Hei, wie wir uns freuten! Wir ließen alles stehen und liegen, zogen Mäntel und Mütze an und stürmten hinaus.
Senta war schon vorgespannt, Hilde saß auf dem Bock. Wir sprangen auf den Kutschwagen und deckten unsere Beine mit zwei braunen Wolldecken zu. Senta zog an. Unter dem fröhlichen Jubel unserer Kameradinnen fuhren wir aus dem Lager heraus. In schneller Fahrt ging’s bergab. „Vorsicht, Rutschgefahr!“ lasen wir in einer Kurve. Hilde zog die Bremsen an. Sie ächzten und kreischten! Ab und zu warfen wir einen Blick in das herrliche Prethtal.
Die ersten Häuser von Hellenthal leuchteten im Sonnenglanz. Schon hielt der Wagen vor der Bäckerei Joisten. 27 Brote wurden von uns herausgeschleppt. In der Metzgerei stand ein Karton Fleisch schon bereit für das KLV-Lager Hollerather Hof.
Weiter ging’s zum Bahnhof. Ein großes Tor
wurde geöffnet. Einige mittelgroße Pappkartons wurden herausgereicht. Im Deckel waren sechs viereckige Öffnungen, damit die Küken auf ihrer langen Reise auch nicht erstickten.
Wie sie piepsten und scharrten! Vorwitzig blickten wir hinein. Ei, wie weich und gelb sie aussahen! Köpfchen an Köpfchen hockten sie in ihrem Gefängnis. Viel zu lang wurde uns die Heimfahrt. Immer wieder schauten wir hinter uns, ob wir auch keinen Karton verlören! Bergauf ging’s viel langsamer, zuweilen mußten wir absteigen; denn außer uns saßen noch fünf Hollerather Jungen auf dem Wagen. Das war doch etwas schwer für Senta! Magda und ich liefen ein Stück am Waldrand vorbei und pflückten Wiesenschaumkraut und Margueriten.
Vor dem Gutshof bellte Moritz uns an. Mit
den Broten unter dem Arm eilten wir ins Haus. Wir konnten uns gleich an den Kaffeetisch setzten. Obgleich wir nicht gearbeitet hatten, schmeckte uns der Kuchen vorzüglich.
Jungtiere auf dem Gutshof.
„Stellt euch zu zweien hintereinander auf!“ befiehlt unsere Lagermutti. „Wir wollen uns die jungen Kätzchen, die Kälbchen und die Eintagsküken ansehen.“
Ganz aufgeregt stellen wir uns auf. Klärchen und Fräulein Brock führen an. Singend ziehen wir zum Gutshof. „Wo mögen die Küken sein? Ob sie frei im Stall herumlaufen?“ denke ich beim Betreten des Hofes.
Wir gehen ein wenig ängstlich am Bullen vorbei. In der Futterkrippe für die Kühe lag eine schwarzweiße Katzenmutti mit zwei allerliebsten Kätzchen.
„Neune kommen glücklich zurück!“ ruft Margret begeistert, doch auch wieder entrüstet: „Und die zehnte?“ „Die ist ja unsern Blicken längst entschwunden“, meine ich. Schnurstracks rennen wir in die Heide; aber keine Kuh ist zu sehen. Mutlos treten wir den Rückweg an. Aha, da kommt Herr Wolter mit dem Motorrad, das Suchen beginnt aufs Neue. „Zum Donnerwetter“, fluche ich, „da hat sich doch die Kuh in dem Schuppen versteckt!“ Zehnmal sind wir an ihr vorbeigelaufen. Ärgerlich treiben wir sie zum Delders zurück. Ermüdet und erschöpft begeben wir uns auf den Heimweg zum Hollerather Hof. Das war ein lustiges Kühehüten!
Freier Ausgang.
Hei, Sonntag! Heute haben wir wieder Ausgang. Nach dem Kaffeetrinken machen wir uns zu einem Spaziergang bereit. Erika Waterstrat, Erna Göhring, Ilse Königstedt, Ursula Butt, Lisbeth Neunkirchen und ich spazieren gemütlich einen Waldweg hinunter. „O schau nur, wie viel Waldbeeren hier blühen!“ ruft Erika aus. Schnell fallen
wir über die Beeren her, eine nach der andern wird vertilgt. „Kommt, wir wollen ein Stück weitergehen“, drängt Ursula. „Wißt ihr was?“ schlage ich vor. „Wir wandern quer durch den Wald, dann kommen wir wieder auf dem Wege an der Sprungschanze heraus.“ Erika und Ursula sind gleich begeistert; Erna und Ilse wollen nicht mit. – Nun geht die „Waldreise“ los. „O, ich bleibe immer mit den Haaren an den Tannen hängen“, klagt Erika. „Ist nicht schlimm!“ gibt Erika zurück. „Weißt du, wo Heidekraut wächst, gibt es auch Kreuzottern“, erklärt Ursula. „Kreuzottern?“ fährt Erika ängstlich zusammen; vor Schreck tritt sie in einen Tümpel voll Schlamm.
„O weh, schaut nur einmal meine Strümpfe und Schuhe an“, jammert Erika. Fast ist sie dem Weinen nahe. „Ach, das ist doch nicht so schlimm. Zu Hause kannst du ein paar saubere Strümpfe anziehen“, tröste ich sie. Erika hat die Tränen überwunden und lacht schon wieder. Es geht weiter. „Au, jetzt hat mich ein Tannenzweig gekratzt“, jammert Ursula. Mit zerzausten Haaren und mit schmutzigen Schuhen kommen wir müde; aber begeistert wieder im Lager an.
Stubenabnahme
„In fünf Minuten ist Stubenabnahme!“ ruft Ilse über den Flur. „Schnell, stellt euch in die Reihe!“ befiehlt Elsbeth, unsere Stubenälteste. Da geht die Türe auf, Fräulein Brock tritt ein. „Jungmädel, Stube Kölsch Hännesge mit vier Mädeln zur Stubenabnahme bereit!“ meldet Elsbeth. „Danke!“ erwidert Fräulein Brock. „Eure Kleider hängen tadellos“, meint sie. Mit kritischen Blicken prüft sie unsere Wäsche. „Wem gehört dieser Wäschepacken?“ „Mir!“ ruft Elsbeth ein wenig zaghaft.
„Du mußt die Wäsche breiter falten!“ Genau sieht sie die Gläser und Bürsten nach. In den Gläsern kann man sich spiegeln. So blank haben wir sie poliert. „Habt ihr alle die Zähne geputzt?“ „O ja!“ Doch was ist das? Fräulein Brock zieht ein langes Haar aus der Bürste. „Punkt ab.“ – „Die Betten sind in Ordnung!“ kritisiert sie. – „Eure Fingernägel, bitte!“ „Fräulein Brock, das ist Tinte! Ich bekomme den Finger nicht sauber!“ meint Elisabeth. „Bürste ihn tüchtig! Dann hast du auch keinen Trauerrand. „O weh“, stöhnen wir. „Zwei Punkte ab!“ Beim Herausgehen fragt sie: „Wieviel Punkte habt ihr noch?“ „Acht.“ Wir sind froh, daß wir alles so schön in Ordnung haben.- - -
Auf Maulwurfsjagd.
Mit Spaten, Rechen, Harke und Hacke ziehen wir in den Garten. Trude Offermann hockt verzweifelt vor ihrem Beet. „O, wieviel Unkraut
wächst zwischen meinen Salatköpfchen“, jammert sie. „Auf meinem Beet war der Maulwurf, und wie hat er gewühlt und die Erde aufgeworfen. Komm, wir wollen versuchen, ihn zu fangen“, schlägt „Moritz“, meine Freundin, vor. Eifrig graben und arbeiten wir. Plötzlich jubele ich: „Moritz komm schnell, ich habe den Gang gefunden.“ Meine Freundin stürzt herbei, und mit Feuereifer buddeln wir fast das halbe Beet auf. Aber – den Maulwurf finden wir nicht. Wütend und enttäuscht schleppen wir einen Eimer Wasser heran und schütten Wasser in den Gang. „So, jetzt kann er ersaufen“, meinen wir schadenfroh.
Auch in die andern Gänge gießen wir Wasser. Ob wir mit unserer Idee Erfolg haben? Ich schlage meiner Freundin vor: „Wir wollen einen Hügel aufwerfen und die Kinder anführen.“ „Au, fein!“ antwortet Erika. Wir tun, als jäteten wir fleißig. Zwischendurch schichten
wir einen Hügel auf. „Guckt mal, gerade hat der Maulwurf geworfen!“ rufe ich scheinheilig. Alle Mädel stürzen herbei. Gertrud Spenrath will ihn gleich mit ihren Spaten töten und die Gänge aufgraben. Da können wir uns vor Lachen nicht mehr halten. Wir platzen aus und – haben uns selbst verraten. Alle lachen kräftig mit über unsern „Maulwurfshügel“.
Großes Reinemachen.
Nach der Mittagsruhe kam das Mädel vom Dienst durch alle Stuben und verkündete: „Wer sich von Fräulein Brock abspritzen lassen will, muß mit Handtuch und Seife in die Schwemme kommen.“ Ein lautes, übermütiges Gequiekse vernehmen wir schon vom zweiten Stockwerk aus, als wäre in der Schwemme ein Schwimmbad. „Hei, wie fein“, jubelten wir, zogen schnell Hemd und Hose an und rasten mit Handtuch und Seife in die Schwemme.
Wie wir die Treppen heruntersausten! –
In der Schwemme zog ich fix Hemd und Hose aus und hüpfte vergnügt unter die Schar der lustigen Nacktfrösche. Es war gar nicht so einfach, denn jeder wollte von dem Wasserstrahl gespritzt werden. – Endlich hab ich’s geschafft, unsere Lagermutti spritzt mich ab.
Ich schreie und quietsche; denn das Wasser ist doch etwas kühl. Mit der Seife wasche ich mich sauber, springe ab und zu vor den Wasserstrahl, ich werde von anderen zurücgedrängt und hupfe aufs Neue in den Strahl.
Ich muß doch sauber werden! Wie fein Fräulein Brock mich abspritzt! So, jetzt bin ich sauber. Schnell trockne ich mich ab und werfe ab und zu einen neidischen Blick auf alle, die noch bespritzt werden. Ich gehe nach oben, ganz frisch sehen wir alle aus, und wir sind so vergnügt, als wären wir im Schwimmbad gewesen.
Elternbesuchstag!
„Kommt mal schnell!“ ruft Lisbeth und öffnet hastig unsere Stubentür. „In der Ferne sieht man schon die ersten Eltern auf der Landstraße. Zu acht Mädel stürzen wir ans Fenster. „Das können meine Eltern sein“, jubele ich und stürme über den Flur, mit mir noch Else, Lisbeth, Lisel und Irene.
Lisel fällt der Länge nach auf den Boden.
„Das hat auch noch gefehlt“, klagt sie. „O Schreck, ich habe ja noch gar keine Schuhe an,“ rufe ich und eile schnell zurück. Auf der Treppe gibt es einen kleinen Zusammenstoß mit Karin. „Meine Eltern sind schon da“, jauchzt sie. Eilig überquere ich den Autoplatz, bald habe ich die andern Mädel eingeholt. Lisel stürzt ihrem Vater entgegen; aber nach meinen Eltern halte ich vergeblich Ausschau. Enttäuscht kehren wir zu unserer Lagermutti zurück. „Wann läuft der nächste Zug in
Hellenthal ein? Wann können unsere Eltern kommen?“ fragen wir aufgeregt. Alle Fragen beantwortet Frl. Brock bereitwillig. Also bis zwölf Uhr müssen wir noch warten! „Das sind zwei Stunden!“ rechnen wir flink aus. Wir wollen ein Paar Blumen für unsere Eltern pflücken“, schlage ich Else vor und ziehe sie mit hinaus. Wir pflücken einen bunten Wiesenstrauß. Plötzlich ruft Else: „Schnell, ich glaube, meine Eltern kommen!“ Vor Aufregung läßt sie die Blumen liegen und eilt ihren Eltern entgegen. Ich laufe hinterdrein, und – o Freude, meine Mutti ist auch dabei. Jubelnd umarme ich sie. „Wie gut du aussiehst!“ meint Mutti und schaut mir froh in die Augen.
Voller Stolz ziehen wir mit den Eltern ins Lager; denn zum erstenmal können sie sehen, wie herrlich wir untergebracht sind. Wir führen die Eltern durch unsere Stuben. Sie wundern sich sehr, daß die Stuben so hübsch sind, und daß wir Badeteppiche und Bettvorleger haben und uns mit Daunendecken zudecken dürfen.
Da, es gongt! Ich führe meine Mutter in den
Schulraum und stelle mich mit meinen Kameradinnen auf der Diele auf. Feierlich, in festlicher Stimmung, ziehen wir in unserer Uniform in den Schulraum und stellen uns im Halbkreis auf. Den Müttern zu Ehren veranstalten wir eine Feierstunde, die unter dem Thema steht: „Der Mutter zu Ehren“. Wir danken ihnen mit Liedern und Gedichten für alles, was sie für uns getan haben. Es ist ganz still im Raum. Ein Flötenspiel von Klärchen, unserer Lagermädelführerin, und Karin leitet über zu einer Frühlingsfeier, die uns und alle Anwesenden ganz froh stimmte. Die Eltern klatschen Beifall, wir freuen uns, daß alles so fein geklappt hat. Danach dürfen wir uns mit den Eltern beschäftigen. Nach einer längeren Pause zeigen wir unseren Eltern, was wir in der Spielarbeit gelernt haben. Von dem Märchenspiel „Die Bernsteinhexe“ sind alle begeistert.
Nach dem Spiel decken wir schnell die Tische. Wie gut es uns allen schmeckt! Wir dürfen ja auch bei den Eltern sitzen! Das ist eine ganz besondere Freude für uns. Der Nachmittag vergeht uns viel zu schnell.
Gegen sechs Uhr ziehen sich alle Eltern an, gemeinsam wandern wir mit Fräulein Brock und Klärchen zum Omnibus. Im Dorf singen wir den Eltern noch einige Lieder vor. Klärchen spielt auf der Quetsche. Mit fröhlichen Gesichtern, unter Scherzen und Lachen nehmen wir Abschied. Warum sollen wir auch traurig sein? In Hollerath gefällt es uns ja so gut, und das Lagerleben macht uns viel Freude.
Auf dem Rückweg ins Lager sind wir uns einig: „So schön hätte ich mir den Muttertag im Lager nicht vorgestellt!“