Dieses Lagertagebuch stammt aus der Feder der im Mai 1932 geborenen Annemie Vierkotten, damals Schülerin der Volksschule Overbeckstraße in Köln-Ehrenfeld.
Frau Funk, wie sie nach ihrer Heirat heißt, stellte dem NS-Dokumentationszentrum das Dokument im Jahr 1999 kurzzeitig zur Verfügung. Damals bestand leider noch nicht die Möglichkeit, auf schnelle und finanzierbare Art und Weise gute Reproduktionen anzufertigen. Daher liegen hier lediglich weniger gute Farbabbildungen oder gar nur herkömmliche Kopien des Lagertagebuchs vor. Die Reproduktionen werden im NS-Dokumentationzentrum der Stadt Köln im Bestand "KLV" aufbewahrt.
Sie habe, so berichtete Frau Funk, an zwei KLV-Verschickungsaktionen teilgenommen: eine vom 30. September 1942 bis zum 1. Mai 1943 nach Abenberg bei Nürnberg , die zweite von Juli 1943 bis März 1944 nach Niederkreibitz (heute: Chřibská) in den damaligen „Sudetengau“, wo sie auch dieses Tagebuch anfertigte. Weiter heißt es:
„Über eine Verschickung unter Zwang ist mir nichts bekannt. Die Teilnahme erfolgte freiwillig. Postkontrollen - von uns nach Hause oder umgekehrt - gab es immer. Der Lagerleiter hatte das "Sagen". Die Rückkehr erfolgte problemlos mit der Reichsbahn. Die Lehrer fuhren mit.
Eingeprägt aus der Kriegszeit in Köln hat sich mir besonders die Bombardierung. Fünf Verwandte starben, die Oma wurde obdachlos, der Vater blieb in Russland vermisst.
Das Lagertagebuch wurde von unserer Lagerleiterin Frl. Reichert eingeführt und im Schulunterricht erarbeitet, wobei sie Regie und Kontrolle ausübte. Frl. Reichert war vorher als Lehrerin des 7. Schuljahres in Abenberg tätig. Sie war nie ungerecht, erzog uns aber korrekt nach nationalsozialistischem Sinn. Auch den Nachmittag sollten wir laut Anordnung in Dienstkleidern u. stiller Beschäftigung im Tagesraum verbringen.
Natürlich waren unsere Köpfe vollgestopft mit hehrem Gedankengut, wie Fahnentreue, heilig Vaterland, Ehre, Helden, Volk ohne Raum, unser geliebter Führer usw. Das musste raus u. so sangen wir ehrfürchtig unentwegt nationalsozialistische Lieder. Doch der Eifer wurde zu unserer Verblüffung von Frl. Reichert u. Annemarie bald gestoppt, sie meinten, wir sollten nun doch lieber schöne Volkslieder singen. Hatten sie Angst vor den Zeichen der Zeit? - Dachten sie an den Spruch: ‚Die Geister, die ich rief, die werd ich nicht mehr los‘ am Ende des Jahres 1944?“
Das Lagertagebuch
K.L.V.-Lager Sonnenhöhe
Niederkreibitz - Kreis Rumburg - Sudetengau
Ende Juli 1943
bis März 44
Wir fahren ins K.L.V. Lager
Mein größter Wunsch war, wieder in ein K.L.V. Lager zu fahren. Es war mir auch erlaubt. Sonntags morgens um 7 Uhr reiserüstig am Deutzer Bahnhof zu sein, das gefiel mir. Vor Freude machte ich einen Satz in die Luft, daß die Gläser im Schrank erzitterten. Sonntags morgens standen meine Mutter und Cillis Mutter mit den Koffern an der Straßenbahnen-
haltestelle. Wir beide hatten den großen Brotbeutel über die Schultern hängen. Endlich kam die Straßenbahn. An der folgenden Haltestelle stieg auch Ruth ein. Nun fuhren wir zusammen zum Deutzer Bahnhof, wir sammelten uns am Barmerplatz. Viele frühere Lagerkameradinnen waren dort. Sogar unser Steppenreiter ließ sich blicken. Da erhob sich über unsern Köpfen ein Schild, darauf stand Sonnenhöhe. Dazu gehörten wir. Wir nahmen Abschied von unsern Eltern und gingen zum Bahnsteig. Aber wer begegnete uns denn da? Unser lie-
ber Onkel Bruno (Lagermädelführerin Bruni). Er fuhr aber nicht ins Lager. Von fern hörte man ein näher kommendes Schnauben. Schließlich fuhr der Sonderzug in die Bahnhofhalle ein. Nun gab es ein Gedränge. Jeder wollte zuerst einsteigen. Endlich hatte ich den Griff der Türe erreicht und stieg ein. Ruth rief mir zu: "Hier ist ein Abteil frei!" Ich flitzte hinein und erwischte einen Fensterplatz. Cilli, Gertrud und Marlies kamen auch zu uns. Wir hatten es uns ein wenig gemütlich gemacht. Die Lokomotive fing wieder an zu Schnauben und der
Zug rollte davon. Wir winkten unsern Eltern, bis wir nur noch ein kleines Pünktchen von ihnen erblicken konnten. Wir warfen noch einen Blick auf den schönen nebelumhüllten Dom. Dann gingen wir vom Fenster. -
Wir setzten uns auf die Bänke. Wie es bei Kölnern Mode ist, fingen wir sofort an zu futtern. Ruth legte sich auf die Koffer ins Gepäcknetz. Wir fuhren an Städten, Dörfern, Bergen, Flüssen, Feldern und Wäldern vorbei. Die Sonne stieg immer höher. Bums, was war denn da? Erschrocken drehten wir uns
um. Ruth lag mitsamt den Koffern auf der Erde, wir lachten sie aus. Am Abend machten wir uns ein Nachtlager. Wir schliefen wie die Böcke. Morgens um 3 Uhr wurden wir geweckt. Wir zogen uns schnell an, denn in einer halben Stunde mußten wir aussteigen. Wir waren in Bodenbach angelangt.
Endlich sind wir im Lager angelangt.
Der Omnibus, der uns am Bahnhof abholte, hält. Wir sind froh, daß wir unser Ziel erreicht haben. Schon vom Auto aus haben wir unser Lager gesehen. Es ist ein schönes großes Haus und liegt dicht am Wald. Ein schwarzer Hund springt bellend um das Auto. Wir sind ein wenig bange vor ihm. Ein Mädel nach dem andern klettert aus dem Auto. Der
Fahrer holt die Koffer herunter und stellt sie vor das Haus. Nun nehmen wir unsere Koffer und gehen ins Haus. Wir staunen über den schönen Speiseraum und den großen Tagesraum. Nachdem wir unsere Koffer abgestellt haben, setzen wir uns an die gedeckten Tische und lassen uns Kaffee und Butterbrote gut schmecken.
Sprüche
Frei sein heißt nicht, tun dürfen, was wir möchten, sondern tun wollen, was wir müssen.
Zeige in Haltung und Charakter, daß in dir ein Wille mächtig ist, das Gute zu tun und das Schlechte zu lassen.
Nicht auf das Beste, auf dein Bestes kommt es an.
Deutsch werden, das heißt treu, gut, stark und fröhlich sein.
Wie ein Tag im Lager verläuft.
Es ist 1/4 nach 7. Alle schlafen wie die Murmeltiere. Manche schnarchen, als wollten sie Bäume sägen. Die Stubentüre wird aufgemacht. Eine frische Stimme ruft: "Guten Morgen, raus aus den Betten und beeilen!" Im Nu hat Margot, unsere Führerin, uns die Decken weggezogen. Wir springen aus den Betten und eilen in den Waschraum. Der Waschlappen fährt über Gesicht, Hals und Ohren. Die Zahnbürste saust über die Zähne, bis sie bluten. Nun geht es ans Bettenbauen. Wir zie-
hen uns fertig an und wischen Staub. Dann treten wir zum Morgenappell an. Wir lassen uns das Frühstück gut schmecken. Um 9 Uhr beginnt der Schulunterricht. In der Pause bekommen wir das 2. Frühstück. Nun lernen wir fleißig weiter bis zum Mittagessen, das uns immer gut schmeckt. Für den Nachmittag gibt es allerlei zu tun. Wir lernen neue Lieder, spielen oder räumen die Spinde auf. Beim Abendessen hilft der Hunger uns dazu, daß wir
3 oder 4 mal aufschöpfen. Nachdem wichsen wir unsere Schuhe und waschen uns. Um 1/2 9 ist Lagerruhe.
Auf dem Irichtberg.
Am Sonntag machten wir einen Spaziergang. Wir wollten den Irichtberg besteigen. Singend verließen wir das Lager. Zuerst gingen wir über eine große Wiese. Ein schmaler Steg führte über den Bach. Wir beobachteten Frösche, Fische und Wasserratten. Nun kamen wir an einen Wald. Wir bildeten eine lange Kette und sangen Wanderlieder. Ein schmaler Pfad schlängelte sich bergauf. Endlich hatten wir den Gip-
fel erreicht. Wir kletterten auf den Felsen. Unser Blick wanderte im Kreise über waldige Berge und Ortschaften. Wir konnten unser Lager sehen. Nun gingen wir Heim.
Lied
Alle stehen wir verbunden
unter unsrer Fahne Schein.
Da wir uns als Volk gefunden,
geht nicht einer mehr allein.
Alle stehen wir verpflichtet,
Gott, dem Führer und dem Blut.
Fest im Glaube aufgerichtet,
froh im Werk, das jeder tut.
Alle wollen wir das Eine,
Deutschland, du sollst leuchtend stehn.
Wolln in deinem hohen Scheine,
unser aller Ehre sehn.
Heute geht's in die Waldbeeren
Es ist ein schöner Tag. Den hatten wir uns aber auch gewünscht. Denn wir wollen in die Waldbeeren gehen. Wir treten an. Jedes Mädel erhält eine Tasse. Frau Geisler sagt: "Macht mir keine Scherben!" Wir bekommen noch zwei Eimer. Nun wandern wir mit Tassen und Eimern hinaus. Wir marschieren ein Stück über die Landstraße. Dann schlagen wir seitwärts einen schmalen Weg ein, der auf eine Anhöhe führt. hier oben hat sich der Wald ge-
lichtet. Ringsum verbreitet sich ein Meer von Waldbeersträuchern, die reife Früchte tragen. Emsig machen wir uns an die Arbeit. Eine Tasse nach der andern wird in den Eimer geleert. Bald sind beide Eimer voll. Nun kommt unser Mäulchen an die Reihe. Mit Spinnweben im Haar und mit blaugefärbten Mund wandern wir ins Lager. Im Geiste sehen wir den leckeren Waldbeerkuchen, den wir am Sonntag aufgetischt bekommen.
Schuhappell
Wir holen unsere Schuhe herunter auf den Hof und stellen sie ausgerichtet in einer Linie vor uns. Herr Geisler kommt und sieht sich mit prüfendem Blick jeden einzelnen Schuh an. Fast bei jedem Schuh hat er etwas auszusetzen. Der eine hat ein Loch in der Sohle, an dem andern ist der Absatz schief und bei noch einem andern fehlt die Zunge. Unsere Führerin schreibt auf Zettelchen unsere Namen, diese knoten wir an die Schuhen
die entzwei sind, und legen sie in den Wagen. Drei Mädel fahren die Schuhe zum Schuster.
Sprüche
Es ist nicht genug zu wissen, man muß auch anwenden; es ist nicht genug zu wollen, man muß auch tun.
Goethe
Mehr sein als scheinen, viel leisten und wenig hervortreten.
Moltke
Treue Pflichterfüllung innerhalb der Gemeinschaft, in die Gott uns gestellt hat, ist der kürzeste Weg zu Gott.
Hitler
Auf dem Kaltenberg.
Endlich haben wir nach langer Wanderung den Gipfel des Kaltenberges erreicht. Müde lassen wir uns auf die Bänke, die vor der Baude stehen, nieder. Hunger und Durst haben wir selbstverständlich auch. Das bleibt ja bei einer so großen Wanderung nicht aus. Aber der Heger ist noch nicht da. Wir vertilgen mit Behagen unser mit Wurst belegtes Butterbrot. Da kommt auch ein Mitesser, aber nicht zu Land, sondern in der Luft. Das ist die Wespe. Ich sitze steif wie eine Zierpuppe, denn das Stechtierchen hat sich auf meinen Mund
gesetzt. Ich denke: "Sticht sie mich, so schlage ich sie tot!" Bald fliegt sie fort, Gott sei Dank. Nun wollen wir den Aussichtsturm besteigen. Eine schmale Wendeltreppe führt hinauf. Hier können wir weit schauen, wir sehen den Irichtberg, den Tannenberg und den Rosenberg. Unser Lager sehen wir auch. Wir dürfen uns noch ein Weilchen austoben, dann verlassen wir den Berg.
Wanderlied
Auf, auf ihr Wandersleut,
zum Wandern kommt die Zeit!
Tut euch nicht lang verweilen,
in Gottes Namen reisen!
Das Glück, das laufet immer fort
an einem andern Ort.
Ihr liebsten Eltern mein,
ich will euch dankbar sein;
die ihr mir habt gegeben
von Gott ein langes Leben,
so gebet mir gleich einer Speis'
den Segen auf die Reis'!
Ihr lieben G'schwister all,
lebt wohl zu tausendmal,
ihr werd't mich nicht mehr sehen
in Eurer G'sellschaft stehen.
Ich muß nun reisen ganz allein,
muß selbst mein Bruder sein.
Der Tau vom Himmel fällt,
hell wird das Firmament.
Die Vöglein in der Höhe,
wenn sie vom Schlaf aufstehen,
da singen sie mir zu meiner Freud':
Auf, auf ihr Wandersleut!
Beim Mittagessen.
In einer langen Reihe kommen wir in den Speiseraum. Heute gibt es Spinat, das ist unser Leibgericht. Wir stellen uns vor unsere Plätze. Ein Mädel spricht einen Tischspruch und wir wünschen uns gegenseitig einen guten Hunger. Nun geht es ans Schmausen. Bald sind die ersten Teller leer. Die Schüsseln werden von einem zum andern gereicht. Aber auf dem Schemel wartet noch ein großer Kessel, der bis zur Hälfte voll ist. Davon werden die Schüsseln noch einmal gefüllt. Bald haben wir
Tischsprüche
Wir fassen die Hände und schließen den Kreis;
Brot sei uns heilig und heilig die Speis'.
Der Bauer pflügte und eggte das Land,
die Saat ließ er rieseln aus seiner Hand.
Ein Gott schenkte Sonne und Regen,
und uns allen gedieh es zum Segen.
Gott gab das Korn; wir buken das Brot.
Gott schuf den Born; wir schöpften den Trank.
Daß wir dies können, sei ihm Dank!
Alle Tische stehen leer,
schafft die Bauernfaust nichts mehr.
Wir ernten das Korn und essen das Brot,
und wär' nicht der Bauer, so hätten wir Not.
Im Waschraum!
Heute waschen wir uns gründlich. In Windeseile vertauschen wir die Tageskleider mit dem Nachthemd und eilen in den Waschraum. Ha, hier ist es mollig warm. Schnell seifen wir uns ein. Dann geht es unter die warme Brause. Am Kinn tropft uns das Wasser wie an einem Kränchen herunter. Die Spiegel haben sich mit weißen Schwaden bedeckt. Am liebsten möchten wir ewig unter der Brause sein. Da kommt aber auch schon Annemarie und wir müssen unter der Brause fort. Nun putzen wir unsere Zähne und kriechen in un-
Der böhmische Wind
Ich hab mir mein Weizen am Berg gesät,
hat mir'n der böhmische Wind verweht.
Böhmischer Wind, ich bitt dich schön,
laß mir mein Weizen am Berge stehn.
Der Apfel ist sauer, ich mag ihn nicht,
s' Mädel ist falsch, ich trau ihr nicht.
Wenn ich kein Geld mehr im Beutel hab,
geh ich ins Holz, schneit Reiser ab.
Geh ich nach Haus mach Besen draus,
krieg ich bald wieder Geld ins Haus.
Wenn ich die Besen gebunden hab',
geh ich die Straßen wohl auf und ab:
Leute, wer kauft mir Besen ab?
Eine schöne Wanderung.
Wieder lockt uns das schöne Sommerwetter zu einer längeren Wanderung. Wir packen Butterbrote, Äpfel und Bonbons in unsere Schultaschen und nun geht es los. Frau Geisler steht an der Haustür und winkt uns nach.
Wir gehen am Waldrand entlang und dann bergab zu den Bachhäusern. Nun marschieren wir über die Landstraße und biegen bald rechts in einen Waldweg ein. Es geht bergauf und bergab, bis wir nach Rennersdorf kommen. Wie schön ist der Blick von der Höhe auf die
waldigen Berge und die steilen Sandsteinfelsen! Nach einer Weile haben wir Dittersbach erreicht. Der saubere freundliche Ort gefällt uns gut.
Nachdem wir uns ausgeruht und unsere Butterbrote verzehrt haben, geht es weiter zum Paulinengrund. Durch dichten Wald geht der Weg an einem murmelnden Bächlein entlang. Manchmal überschreiten wir eine schwankende Brücke, mehrmals geht es auf schmalem Pfad einen Berghang hinauf. Das Tal wird breiter, große Felsblöcke liegen vor uns. Wir klettern hinauf und halten kurze Rast. Hoch und steil ragen die Felswände ringsum empor. Nun verlassen wir das
Tal und erreichen eine Anhöhe, von wo wir noch einmal einen Rundblick auf die Berge haben. Wir marschieren dann auf der Landstraße unserem Lager zu. Müde vom langen Marsch langen wir dort an.
Sprüche
Das Leben ist uns als Aufgabe und Bewährung gegeben, und es liegt an uns, wie wir es gestalten. In jedem von uns sind Schwachheit und Kraft, Feigheit und Tapfersein im ständigen Kampf. Wie wir in diesem Kampf bestehen, darauf kommt es an.
Vom Süden bis zum Norden, vom Osten bis zum Westen gibt es nur einen Glauben und nur ein Bekenntnis:
Deutschland, und immer wieder Deutschland.
Wir helfen bei der Kartoffelernte.
Es ist Mittagszeit, wir liegen in den Betten. Da geht die Tür auf und Margot ruft: "Vier Mädel ziehen sich schnell an!" Es sind Gerda, Eveline, Maria und ich. Wir sollen Kartoffeln auflesen helfen. Unsere Freude ist groß. Schnell machen wir uns fertig. Draußen wartet eine Bauersfrau. Sie geht mit uns aufs Feld. Dort sind schon viele Leute bei der Arbeit. Zwei Ochsen ziehen die Kartoffelmaschine. Der Bauer geht pfeifend nebenher. In hohem Bogen fliegen die Kartoffeln auf das Feld. Eifrig heben wir sie auf. Die großen Kartoffel kommen in die Draht-
körbe und die kleinen kommen in die geflochtenen. Ist ein Korb voll, so wird er in den Sack gefüllt.
Nun ist es Zeit zum Vespern. Die Bäuerin holt aus einem Korb einen runden Laib Brot und Butter hervor. Wir bekommen eine lange Schnitte, die so dick ist, daß wir bald die Maulsperre bekommen. Nach dem Vespern machen wir uns wieder fröhlich an die Arbeit. Bald stehen die Säcke in langen Reihen auf dem Feld. Die Arbeit ist getan. Die Säcke werden auf den Wagen geladen. Wir verabschieden uns von den Bauern und eilen ins Lager.
Lied
Wir tragen das Vaterland in unsern Herzen,
denn wir sind das Reich und wir sind der Deich
und Volk und Arbeit und Freiheit zugleich.
Wir tragen das Vaterland in unsern Herzen.
Wir tragen das Vaterland in unsern Herzen,
denn wir sind der Staat und wir sind die Saat
für Zukunft, Leben, Ehre und Tat.
Wir tragen das Vaterland in unsern
Wir tragen das Vaterland in unsern Herzen,
des Führers Gebot getreu bis zum Tod
stehn wir im Kampf für Arbeit und Brot.
Wir tragen das Vaterland in unsern Herzen.
Wir wandern zur Talsperre.
An einem schönen Tage lockte uns die Herbstsonne zu einer Wanderung. Diese letzten warmen Tage wollten wir ausnutzen.
Fröhlich verließen wir das Lager. Wir marschierten in die Stadt. Von da aus wanderten wir nach Oberkreibitz. An einem Bauernhofe machten wir halt. Wir beobachteten eine Sau mit einer Anzahl niedlicher Ferkelchen. Die Sau stand mit beiden Füßen in einem hölzernen Trog und fraß; dabei schmatzte sie behaglich. Faßte man die Kleinen an, so quietschten sie, daß es einem durch Mark und Bein ging. Nach dem wir lange zugeschaut hat-
ten, setzten wir unsere Wanderung fort. Der blaue Himmel war mit weißen Lämmerwölkchen betupft. Bald erreichten wir die Talsperre. Voller Neugier und Erwartung reckten wir die Köpfe und guckten in den Weiher. Aber enttäuscht sahen wir wieder auf. Der Boden war ja kaum mit Wasser bedeckt und hinten ragte sogar eine kleine Insel hervor. Wir spielten eine Weile, dann wandern wir nach Hause. Von der weiten Wanderung waren wir so müde, daß wir nach dem Abendessen sofort zu Bett gingen.
Lied
Der Himmel grau und die Erde braun,
da schritten die Männer zum Sturme,
und die Glocke klang und die Glocke sang
ihren letzten Gruß vom Turme.
Die Nacht war schwarz und die Flamme rot,
da stritten sie um die Fahne
da kamen die Feinde, da kam der Tod,
der streckte sie auf die Fahne.
Und die war rot und die war weiß,
und das Zeichen schwarz in der Mitten.
Noch einmal grüßten die Lippen leis,
sie starben wie sie gestritten.
Der Himmel blau und die Erde braun,
eure Gräber und Kreuze, die mahnen.
Und wieder vom Turm klingt die Glocke Sturm,
nun tragen wir eure Fahnen!
Wir feiern den 9. November.
Der Heldengedenktag ist wieder herangekommen. An diesem Tage sind wir etwas ruhiger als sonst. Alle Mädel tragen Dienstkleidung. Wir gehen in den Schulraum. Die Fahne ist an der Wand befestigt. Zu Beginn der Feier singen wir das Lied "Der Himmel grau und die Erde braun". Unsere Lagerleiterin liest uns vom 9. November 1918 und vom 9. November 1923 vor. Wir hören, wie 16 Helden vor der Feldherrnhalle in München von den Landespolizisten erschossen worden sind. Wir singen das Lied: "In München sind viele gefallen". 14 Mädel
tragen Gedichte vor. Wir nehmen uns vor, unserem Führer die Treue zu halten. Wir beenden unsere Feier mit dem Deutschland. Wir begrüßen unseren Führer mit einem dreifachen "Sieg Heil". Nun gehen wir auf den Hof.
Lied
Weihnachtszeit kommt nun heran,
Sterne leuchten hell,
Ruprecht, blas die Wolken an,
daß der Schnee bald fallen kann,
Winter ist zur Stell'.
Mond sieht aus dem Wolkentor.
"Ist es noch nicht Zeit?"
Ruprecht, spann die Schimmel an,
daß Frau Holle reisen kann,
ihre Fahrt ist weit.
Pack dir Heu und Häcksel ein,
ihr müßt lange fahr'n.
Ruprecht, zünd die Lichtlein an,
daß Frau Holle sehen kann,
ob wir fleißig war'n.
Ist das Säcklein leergemacht
bis zum letzten Rest,
Ruprecht, blas die Wolken an,
daß Frau Holle singen kann,
uns zum frohen Fest.
Nikolaus besucht uns!
Gestern abend saßen wir in einem Kreis um den Tannenkranz, an dem zwei Kerzen brannten. Margot las uns eine Geschichte vor. Plötzlich wurde die Türe einen kleinen Spalt geöffnet und eine Rute kam zum Vorschein. Es gab ein lautes Getöse und es regnete Nüsse. Wir waren alle erschrocken und schrien laut auf. Da ging auch schon die andere Türe auf und der Nikolaus trat ein. Einen vollgepackten Schlitten zog er hinter sich her.
Nun holte der Nikolaus ein großes Buch hervor und ließ uns alle einzeln vortreten. Er hielt uns unsere Unarten vor und ermahnte uns, uns zu bessern. Zu mir sagte er, ich müßte mehr essen. Der Nikolaus war aber gut ge-
launt und drohte nur manchmal mit der Rute. Für jedes Mädel hatte er eine Tüte mit Äpfeln, Nüssen, Marzipan, Bonbons und Plätzchen mitgebracht. So viel hatten wir gar nicht erwartet. Wir bedankten uns und nachdem wir dem Nikolaus ein Weihnachtslied vorgesungen hatten, verabschiedete er sich von uns.
Weihnachtslied
Fassen wir die Hände um den Baum im Kreis,
ob da Seel' an Seele voneinander weiß?
Öffnet weit der Herzen Türen,
heut will uns ein Stern berühren
Eia, Weihnacht.
Haben wir in Mitten einen Baum gestellt,
einen Lichtbaum mitten in die dunkle Welt.
Öffnet weit des Herzens Türen;
heut will uns ein Stern berühren
Eia, Weihnacht.
Endlich ist das Weihnachtsfest da.
Am Nachmittag des 24. Dezember ziehen wir unsere Sonntagskleider an. Wir gehen in den nahen Wald und stellen uns um eine kleine Tanne. Wir singen einige Weihnachtslieder. Vier Mädel tragen ein Gedicht vor, jedes hält eine flackernde Kerze in der Hand, die auf das Tannenbäumchen gesteckt wird. Die erste Kerze brennt für unsere Mutter, die immer für uns sorgt. Die zweite Kerze leuchtet für die Leute, die nicht Weihnachten feiern
können. Die dritte Kerze ist für die Soldaten bestimmt, die an der Front ihr Leben für uns einsetzen. Die vierte aber brennt für unseren Führer, der immer nur an uns und Deutschland denkt. Nach dieser kleinen Feier kehren wir wieder ins Lager zurück.
Der Speiseraum ist mit Tannengrün und Kerzen geschmückt. Wir singen alle unsere Weihnachtslieder, tragen Gedichte vor und hören, wie unsere Vorfahren das Sonnwendfest feierten.
Nach dem Abendessen dürfen wir endlich in den Schulraum,
den wir den ganzen Tag nicht betreten durften. Wir singen das Lied: "Der Sonnwendmann, wo kommt er her?" und schließen einen Kreis um unsern großen, reich geschmückten Tannenbaum. Nachdem wir noch einige Weihnachtslieder gesungen haben, dürfen wir an den Gabentisch. Er ist auch festlich geschmückt. Wir sind überrascht, daß wir so reich beschenkt werden. Später als sonst gehen wir ins Bett.
Mit einem Spaziergang durch den verschneiten Winterwald und allerlei lustigen Spielen vergeht uns der erste Feiertag. Für den zweiten
haben wir drei Märchenspiele eingeübt:
"Die drei Männlein im Walde"
"Der Froschkönig"
"Weihnachten im Zwergenland".
Die Aufführungen machen uns allen sehr viel Freude. Nur zu schnell gehen die Weihnachtstage vorüber.
Die Eltern besuchen uns.
War das ein Jubel, als unsere Lagerleiterin uns eines Tages verkündete, daß die Eltern aus Köln uns besuchen kämen.
Es war am 31. Dezember. Wir waren noch nicht ganz mit Anziehen fertig, da rief ein Mädel: "Die Eltern kommen!" Richtig, vom Fenster aus sahen wir Leute mit Gepäck herankommen. Einige Mädel erkannten ihre Mutter. Nun war kein Halten mehr. Wir flogen die Treppe herunter, unten gab es eine stürmische Begrüßung.
Nachdem sich die Mütter von der anstrengenden Reise etwas ausgeruht und gefrühstückt hatten, begleiteten wir sie zum "Berggut", denn dort sollten sie übernach-
ten. Zum Mittagessen waren wir wieder alle im Lager. Nun saßen unsere Mütter neben uns und das Essen schmeckte uns noch einmal so gut. Der Nachmittag verlief mit Erzählen und Spielen. Am Abend zündeten wir noch einmal die Kerzen am Weihnachtsbaum an und trugen unsere Weihnachtslieder und -gedichte vor.
Am Neujahrstag machten wir nach der Morgenfeier einen Waldspaziergang. Am Nachmittag führten wir unsere Märchenspiele vor und nach dem Abendessen gab es einen bunten Abend mit fröhlichen Liedern und lustigen Spielen.
Nun sind auch diese schönen Tage vorbei. Die Eltern sind wieder heimgekehrt. Sie haben einen Einblick in unser Lagerleben getan und sich überzeugen können, daß wir
Wo das Große erkämpft werden soll, da ist es billig, daß das Schwerste übernommen werden muß.
E. Jünger.
Deine Lagerkameradin Marianne Schnee.
Nur wer das Gehorchen gelernt hat, kann später auch befehlen.
Hindenburg.
Deine Lagerkameradin Cilli Groß.
In uns selbst allein liegt die Zukunft des Deutschen Reiches.
A. Hitler.
Deine Lagerkameradin Annemie Paul
Tapferkeit, Standhaftigkeit und Aufopferung sind die Grundpfeiler der Unabhängigkeit eines Volkes.
Scharnhorst.
Deine Lagerkameradin Margarete Willmeroth
Wo Du hingestellt bist, ist gleich. Wie Du dastehst, das ist das Entscheidende.
Strauß.
Deine Lagerkameradin Maria Thomas.
Handeln, handeln! Das ist es, wozu wir da sind.
J.G. Fichte.
Deine Lagerkameradin Edith Annes.
Versuche Deine Pflicht zu tun, und Du weißt gleich, was an Dir ist. Was aber ist Deine Pflicht? Die Forderung des Tages.
Goethe.
Deine Lagerkameradin Margarete Zimmer.
"Nur wer die Furcht überwindet, findet den richtigen Mut."
Deine Lagerkameradin Gertrud Klein.
"Was Du für die andern tust, bestimmt den Wert Deines Lebens."
Deine Lagerkameradin Gertrud Hanke.
Die Zeit fordert von uns Gehorsam gegen das Gebot der Stunde und Treue in den großen und kleinen Dingen des Alltags.
Nietschke.
Deine Lagerkameradin Gerda Rosenbrook
Viel lieber gestritten und ehrlich gestorben, als Freiheit verloren und Seele verdorben.
Deine Lagerkameradin Josefine Gronewald.
Wir sind nicht geboren, um glücklich zu sein, sondern um unsere Pflicht zu tun.
Deine Lagerkameradin Gertrud Haas.
Einfaches Handeln, folgerecht durchgeführt, wird am sichersten zum Ziele führen.
Schlieffen
Deine Lagerkameradin Eveline Göbs.
Wer mit seinem Volk nicht Not und Tod teilen will, der ist nicht wert, daß er mit ihm lebe.
Jean Paul.
Deine Lagerkameradin Trudi Annas.
Glück hat auf die Dauer nur der Tüchtige.
Moltke.
Deine Lagerkameradin Maria Hellbach.
Wer in der Pflicht steht, der steht in der Ehre. Ehrlos ist, wer die Pflicht verrät.
Deine Lagerkameradin Maria Klein.
Das Muß ist hart, aber beim Muß allein kann der Mensch beweisen, wie es inwendig um ihn steht; willkürlich leben kann jeder.
Deine Lagerkameradin Agnes Nicksch.
"Was wir selbst tun können, dürfen wir nicht Gott überlassen."
Deine Lagerkameradin Anita Deforth.
Wir wollen nie vergessen, daß aller Dinge Anfang nur in der Tat liegt.
A. Hitler.
Deine Lagerkameradin Inge Oepen.