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Jugend! Deutschland 1918-1945
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Didaktik & Schule

Die Schule war bis 1933 neben der Familie der unumstrittene Ort kindlicher und jugendlicher Erziehung und Ausbildung. Mit der NS-Machtübernahme wurde hier allerdings nicht mehr nur unterrichtet, sondern häufig auch massiv ideologisch beeinflusst. Außerdem versuchten die Nationalsozialisten zunehmend verschiedene Formen von Lagererziehung zu etablieren, in deren Rahmen eine Indoktrination und Wehrerziehung noch effektiver möglich war. Im Krieg wurden die so beeinflussten Heranwachsenden dann zunehmend zu Kriegshilfsdiensten der unterschiedlichsten Art herangezogen.

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„Erziehung der Jugend zum Dienst am Volkstum und Staat im nationalsozialistischen Geist“ - Schulalltag

Bereits in seinen „Leitgedanken zur Schulordnung" hatte der Reichsinnenminister im Dezember 1933 als „oberste Aufgabe" der Schulen „die Erziehung der Jugend zum Dienst am Volkstum und Staat im nationalsozialistischen Geist" definiert.[1] Dabei sollten die Heranwachsenden nicht nur mit der nationalsozialistischen Ideologie vertraut gemacht, sondern in ihnen die „brausende Leidenschaft höchsten nationalen Stolzes" entfacht werden. Hierzu musste sich der durch Staatsjugendtag und nationalpolitische Lehrgänge ohnehin schon stark beeinträchtigte Schulalltag in allen Bereichen der Politik und Propaganda öffnen, was seinen deutlichsten Ausdruck in einer ungezählten Masse von Feierlichkeiten hatte, denen ein erheblicher Teil an Unterrichtsstunden zum Opfer fiel.

Die „Feiern des Reiches" (z.B. „Tag der Machtergreifung", Heldengedenktag, Hitlers Geburtstag oder „Tag der nationalen Arbeit"), „Feiern im Jahreslauf" (z.B. Muttertag, „Fest der deutschen Jugend" zur Sommersonnenwende oder „Fest der deutschen Schule" zum „Tag des deutschen Volkstums") und Schulfeiern (z.B. Schulentlassungsfeiern oder Flaggenappelle zu verschiedenen Anlässen) beanspruchten zunehmend Zeit und Raum, was letztlich in der Installierung eines regelrechten Feierkalenders mündete. All diese Anlässe sollten dazu dienen, die NS-Ideologie noch stärker in den jugendlichen Köpfen zu verankern. Hierzu zählten auch die häufigen „Gemeinschaftsempfänge", d.h. das gemeinsame Hören der im Rundfunk übertragenen Reden Hitlers oder anderer hoher NS-Funktionsträger sowie die Kinobesuche im Rahmen der „Jugendfilmstunden". Hinzu kamen schließlich noch verschiedene Großereignisse wie etwa die Rückgliederung des Saarlands im Jahr 1935 oder - ganz besonders intensiv gefeiert - der „Anschluss" Österreichs im April 1938 sowie dass Spalierstehen anlässlich der diversen Besuche von NS-Größen.

Doch damit nicht genug. Von 1933 an wurde von Schulen und Schülern auch ein bedingungsloser Einsatz für die „Volksgemeinschaft" erwartet, der seinen deutlichsten schulischen Ausdruck in einer stetig zunehmenden Zahl von Sammlungen fand, für die die eigentliche Unterrichtszeit zweckentfremdet werden musste. Ob „Winterhilfswerk", „Reichsluftschutzbund" oder „Verein für das Deutschtum im Ausland" - um nur einige zu nennen: Für alle und alles gab es Geldsammlungen, die ab 1936 im Dienst des „Vierjahresplans" und später dann nochmals verstärkt unter den Bedingungen des Krieges um Materialsammlung unterschiedlichster Art eine erhebliche Ausweitung erfuhren.

Für viele Schüler boten der ausufernde Feier- und Sammelalltag die zumeist willkommene Gelegenheit, dem Unterricht zu entkommen. Mittelfristig musste ein solches Engagement jedoch erhebliche negative Konsequenzen haben, und es verwundert nicht, dass bereits im Mai 1935 im Reichserziehungsministerium zahlreiche Meldungen „über fortschreitende Störung der Arbeit in den Schulen" einliefen, in denen der „übermäßige Einsatz für Tagesaufgaben" und die intensive „Heranziehung der Schulen zu außerschulischen Zwecken" beklagt wurden. 1936 befürchtete ein durchaus auf NS-Linie schwimmender Kölner Stadtschulrat gar den Zusammenbruch des Schulbetriebs. Das Ergebnis solcher Unterrichtsverschwendung ließ nicht lange auf sich warten. So häuften sich im Frühjahr 1938 aus der rheinischen Wirtschaft die Klagen „über die großen Lücken in der Bildungsgrundlage des jugendlichen Nachwuchses, gleich ob es sich um Rechtschreibung, Rechnen, Geschichte oder Erdkunde handelt", wobei solche Defizite ausdrücklich bei Schülern aller Schulformen ausgemacht wurden.

Fußnoten

[1] Die Darstellung folgt Trapp, Schulen, S. 81ff. und S. 122f.