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Das Archiv des "Bund Neudeutschland"
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Das Archiv des "Bund Neudeutschland" und neue Möglichkeiten historischer Forschung

Dieses Projekt beschreitet Neuland. Ermöglicht durch die großzügige Unterstützung der Fritz Thyssen Stiftung und auf der Grundlage einer Kooperation zwischen dem Bund Neudeutschland e.V. und dem NS-Dokumentationszentrum der Stadt Köln werden hier interessante und wichtige Bestände des katholischen Jugendverbandes Bund Neudeutschland der Öffentlichkeit komfortabel erreichbar in digitaler Form zugänglich gemacht. Das dürfte künftige wissenschaftliche Forschungen zu verschiedenen Aspekten der Geschichte der Jugendbewegung, der katholischen Kirche und des Nationalsozialismus wesentlich erleichtern und hoffentlich entsprechend befruchten.

Der "Bund Neudeutschland" (ND) wurde 1919 als "Verband katholischer Schüler Höherer Lehranstalten" ins Leben gerufen. Er gliederte sich während der Weimarer Jahre reichsweit in fünf "Marken" und 39 "Gaue" und mehreren hundert Gruppen, denen 1932 insgesamt 21.441 Jungen angehörten. Wenn an Mitgliederzahl auch überschaubar, war Neudeutschland dennoch ein wichtiger Jugendverband, der auf viele katholische Jugendliche ausstrahlte und sie prägte. Andererseits passte sich der Bund seinerseits seit der zweiten Hälfte der 1920er Jahre immer stärker "bündischen" Lebensformen und Verhaltensweisen an, um so für die Heranwachsenden attraktiv zu bleiben. Seit 1933/34 gerieten Bund und einzelne seiner Gruppen immer stärker in Konflikt mit der Totalität beanspruchenden Hitlerjugend, Der ND wurde zusehends zurückgedrängt, bis im Juli 1939 das endgültige Verbot ausgesprochen wurde.[1]

Aus dem hier skizzierten Zeitraum haben sich – trotz aller Beschlagnahmungen und Vernichtung von Materialien während der NS-Zeit - im ND-Bundesarchiv zahlreiche hochinteressante Quellen erhalten, die bislang von der Forschung und der Öffentlichkeit nur wenig wahrgenommen und entsprechend kaum genutzt wurden.

In dieser Hinsicht soll dieses Projekt Abhilfe schaffen. Es werden rund 50 oft sehr umfangreiche Gruppenchroniken und Fahrtenbücher und zusätzlich etwa gleichviele Fotoalben von neudeutschen Gruppen aus dem Zeitraum von 1919 bis 1945 in digitaler Form angeboten. Aber nicht nur das. Die zumeist handschriftlich, also in Sütterlin und "deutscher Schrift" verfassten Materialien werden nicht nur als Faksimiles, sondern zudem in transkribierter und (zumindest auf oberer Ebene) inhaltlich erschlossener Form präsentiert. Nie war Forschen – zumindest zum Thema "Neudeutschland" – so leicht wie heute.

 

Um zugleich auch etwaigen Missverständnissen vorzubeugen: An dieser Stelle werden keine neuen Forschungsergebnisse präsentiert, sondern bislang nur schwer zugängliche und oft noch schwerer zu nutzende Quellen komfortabel zugänglich gemacht. Alles, was sich hier im Projektkontext in Form von Einleitungen und informierenden Texten versammelt, ist hingegen älteren Publikationen entnommen. Diese Einführungen dienen ausschließlich dazu, einen möglichst günstigen Rahmen für eigene weiterführende Forschungen zu bieten. Die hier vorgestellten Quellen aus dem ND-Archiv selbst sind in diese Texte dagegen (noch) nicht eingeflossen, sondern werden hoffentlich für neue Untersuchungen genutzt.

Das ist umso naheliegender, als gerade diese Selbstzeugnisse bislang kaum von der Forschung genutzt wurden. Speziell den Selbstzeugnissen wurde bislang auch seitens des ND nur sehr begrenzte Aufmerksam zuteil. So räumt Rolf Eilers als der ausgewiesene Kenner der ND-Geschichte, dessen langjähriger Archivar und zugleich Bundes-Chronist ein, dass er selbst für seine bisherigen umfangreichen Arbeiten zur Geschichte des Bundes die zahlreichen Chroniken praktisch gar nicht berücksichtigt habe. Das gilt erst recht für die – oft kommentierten – Fotoalben, die tiefe und interessante Einblicke in die neudeutsche Geschichte eröffnen können.

Rolf Eilers erzählt:

 

 

Die hier zugänglich gemachten Quellen bieten auch die Möglichkeit einer – natürlich eingeschränkten und auf den ND begrenzten – Rezeptionsgeschichte: Welche Zeitschriften wurden gelesen, welche Themen und Texte in welcher Form und mit welchen Ergebnissen rezipiert? Welche Anordnungen von Mark und Gau fanden direkten Eingang in die Gruppen (z.T. als Beifügungen in den Chroniken)? Wurden Anordnungen und Ratschläge "von oben" befolgt und umgesetzt? Wurden sie diskutiert? Falls ja, kontrovers? – Dies sind nur erste Anregungen für eine gewinnbringende Auseinandersetzung mit den ND-Selbstzeugnissen.

Wenn denn dann künftig auf deutlich erweiterter Grundlage eifrig zur Geschichte des ND im Besonderen und zur Jugendbewegung im Allgemeinen geforscht werden sollte, wäre es natürlich schön und überaus wünschenswert, wenn der Redaktion der Website die dabei gewonnenen neue Erkenntnisse zur Verfügung gestellt würden. Sie würden ihrerseits in die Seite eingepflegt und so wiederum der Allgemeinheit zugutekommen. Das gilt selbstredend und insbesondere auch für zusätzliche Materialien, die im Zuge eigener Forschung entdeckt wurden und hier in den "Editionen zur Geschichte" ergänzend eingestellt werden könnten. – "Gewinn durch Kommunikation" nennt man das heute so schön wie treffend.

Fußnoten

[1] Über zahlreiche Konflikte, Einschränkungen und Verbote geben auf dieser Website die in der "Infothek" einzusehenden "Ereignisse" oft ausführliche Auskunft. Mittels der Aktivierung des Begriffs "Neudeutschland" unter "Jugend, katholische" werden in der Thesaurusrecherche alle entsprechenden Ergebnisse ausgegeben.

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