Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 21. November 1940

Lieber Harald!

 

Der Sonntagsbrief ist fällig. Viel kann ich Dir nicht erzählen, damit Du Dich nicht von Anfang an auf einen langen Brief spitzt. Heute nachmittag war Kränzchen bei Agner, und von da kann man ja auch nicht viel Welterschütterndes berichten. Es wird doch allerlei Murks da zusammengeredet.

Heute abend war nun Frau Schubert ein paar Minuten da, und das war für mich sofort viel anregender. Sie ist ja sehr originell. Aber ich bin jetzt so mitten in lauter jungen Frauen und Mädchen und es fehlt doch etwas, wenn Ihr Herren der Schöpfung nicht dabei seid. Wie muss es doch einer jungen Witwe wie Frau Stein oder Frau Schubert auf die Dauer erbärmlich sein ohne Mann. Ich vermisse Dich jetzt z..B. mehr wie in den ersten Wochen und werde ganz ungedudig bei dem Gedanken, Du könntest keinen Urlaub bekommen. Aber mit solchen Spintisierereinen will ich Dich nicht langweilen.

Herr Gilles rief heute an und fragte, wie es Dir ginge. Er sagte, er hätte vor ca. 5 Wochen ein Paket an die Kompanie geschickt und hätte nie etwas von Euch gehört. Er möchte wissen, ob es angekommen ist, sonst will er bei der Post recherchieren.

Ich würde Dir so gerne einen recht hübschen, langen Brief schreiben, aber hier sitzen wieder die Omas und Anneliese um mich herum und unterhalten sich, und da ist es schlechterdings unmöglich.

Helga macht verzweifelte Ansätze, Dir eine Karte oder einen Brief zu schreiben. Sie fängt an mit „Lieber Pappi", und dann ist es fürs erste wieder aus. Was ich diktiere, will sie nicht schreiben, weil es ihr scheinbar dumm vorkommt, und selber bekommt sie nicht viel zusammen.

Ich führe einen Kampf mit Omi Hechlte auf. Sie will, dass ich den Kindern nichts besondere zu Weihnachten schenke, da ja doch alles kaputt gemacht wird. Aber erstens ist das in allen Kinderzimmern der Fall und zweitens müssen die Kinder doch ein hübsches Weihnachten haben. Dass ich ihnen keine Luxusgegenstände schenke, weisst Du doch auch und dass ich ihnen jedem einen hübschen Weihnachtstisch mache, ist doch auch Dein Wunsch.

Gute, gute Nacht. Ich besorge jetzt den Jürgen und gehe dann sofort ins Bett. Ich freue mich auf eine Karte oder einen Brief von Dir.

Deine Lotti