Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 7. Dezember 1940

Bad Godesberg, den 7.12.40

Mein liebster Pappi,

die Freude mit dem Erlass der Einkommensteuer ist schon wieder am Ende. Ich falle direkt mit der Türe ins Haus, dann habe ich das, was mich heute am meisten bewegt, hinter mir. Das Finanzmännchen war da und will 288.- Mk. Steuern haben. Der Erlass gilt nur für die Vorauszahlungen für 40. Ich bin einigermassen erschlagen. Kannst Du oder Dein Hauptmann helfen, wie Du damals meintest. Sonst soll ich einen Antrag machen, dass ich die Summe in Raten von monatlich 50.- Mk. Zahle. Das kann ich doch auch nicht, oder ich muss sehr erbärmlich leben. Denn mit dem Familienunterhalt komme ich gerade herum. (Frau Linde rät mir gerade, an die Reichskanzlei zu schreiben) Und Du weisst doch, dass noch genug andere Verpflichtungen da sind. Lass Dir in einer eventuellen Mussestunde durch den Kopf gehen, was man macht und wie wir uns ins richtige Geleis bringen. Ich zerbreche mir schon oft genug den Kopf darüber.

Ich hätte so gerne in solchen Situationen Deinen Rat oder wenigstens Deine beruhigenden Worte. Ich alleine kann das Wohl nicht schaffen. Muss ich eine Eingabe an das Finanzamt machen damit in 50.- Mk. – Raten gezahlt werden kann? Oder gibt es einen anderen Weg? Bei uns liegt doch die Sache so, dass wir beide ohne Vermögen sind und die Kinder in sehr schneller Folge kamen und wir dabei unsere Existens aufbauen mussten. Es wäre doch schön, wenn Du später einen Beruf mit einem festen Gehalt bekämst. Oder die Konjunktur müsste besser werden. Ach, Pappi, ich werfe so schnell die Flinte ins Korn und sehe dann alles rabenschwarz. Und dabei ist immer noch alles besser gegangen wie wir uns dachten und Verdienst war auch immer da. Aber schreibe mir bald, weil das Finanzamt auf Antwort wartet.

So, das war der erste Absatz, und wenn ich mich nicht gehörig darüber ausgelassen hätte, hätte es den ganzen Brief über in mir herumgespukt.

Heute morgen war ´s mir riesig nikolausmäßig zumute, als ich beim Aufwachen an Dein Paket dachte. Ich hatte mich doch schrecklich gefreut. Und über Deine Breife freue ich mich auch immer doll. Es taugt doch nicht, wenn man solange immer auseinander ist. Ich freue mich auch sehr auf Weihnachten, und wenn Du kommst, ist es für mich das Hauptgeschenk, über das nichts mehr geht.

Ich erzählte Frau Schubert heute morgen, dass Du in Amsterdam bist. Sie hat auch ein Jahr dort gewohnt, in einem Hotel gegenüber dem Kolonialmuseum. Nett, nicht?

Die Kinder sind heute außer Rand und Band. Jürgen ist süß, er erzählt und brabbelt ohne Unterlass. Sitzen will er aber nicht.

Ich will den Brief jetzt in den Kasten befördern, denn mit vier Kindern, zwei Omis und Frau Linde in einem Raum ist kein vernünftiger Brief fertigzustellen.

Wie magst Du Deinen Sonntag verbringen? Ich habe Dienst und muss bei den Kindern bleiben. Hast Du meinen langen Brief schon bekommen? Es wäre schade, wenn er seiner Dicke wegen verlorenginge. Ich habe doch ordentlich in all den Tagen an Dich geschrieben, findest Du nicht auch?

Viele, viele Küsse! Deine Lotti.