Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 17. Januar 1941

Bad Godesberg, den 17.1.41

Lieber Mann!

Eben komme ich rauf. Ich habe noch einen Kuchen gebacken und den Pudding für morgen gerichtet. Morgen ist ja der Geburtstag von Omi und Klaus. Klaus verwechselt zwar das morgige Fest ewig mit Weihnachten: Morgen ist mein Weihnachten, sagt er immer, und Ursel verspricht sich auch viel davon.

Heute nachmittag war das erste Kränzchen bei Frau Holtmann. Als ich in die Diele kam, begrüsste mich Fräulein Schmitz mit den Worten. Also, jetzt haben wir Sie endlich hier. Meine Kusine liegt mir schon so lange wie wir in Godesberg sind, in den Ohren, ob sie nicht Frau Endemann kennenlernen könnte, denn sei mag Sie so gut leiden, aber ich habe immer abgewinkt und hab gesagt, nee, wenn der Herr Endemann sieht, dass sich direkt zwei Frauen ohne Mann auf Endemanns stürzen, krieg er es mit der Angst. Na, jetzt hat sie es ja erreicht.“ Nett, nicht? Und Frau Holtmann ist so begeistert von en Kindern. Frl. Schmitz sagte, dass sie vorigen Freitag kaum in die Türe gekommen wäre, da wäre es schon losgegangen und den ganzen Abend hatte ihr Mund gerattert wie eine Kaffeemaschine und sie hat nur von Jürgen erzählt.

Eben kommt Anneliese. Sie hat ihren Freund, bzw. einen ihrer Freunde, einen Gärtnerlehrling, mobil gemacht, und der hat nun drei Blumen angeschleppt. Sie ist doch ein Unikum und mir sehr treu ergeben. Sie hat mir vor ein paar Tagen erklärt, wenn es uns schlechter ginge oder Dir im Krieg etwas passieren würde, ginge sie überhaupt nicht hier fort und würde mir helfen, die Kinder aufzuziehen. Und sonst ginge sie später nur fort, wenn sie heiraten würde. Jetzt, da es fast 10 Uhr ist, schruppt und putzt sie noch unten, und das mit einer rührenden Selbstverständlichkeit. Und dabei sprudelt sie über vor guter Laune. Überhaupt hat sie nie auch nur einen Anflug von Missgestimmtheit, und wenn es drunter und drüber geht. Heute nachmittag, während ich weg war, hat sie jedem der drei Mädel eine reizende Kapuze aus alten Resten genäht. Und Frau Thelen kann ich mir für die Kinderkleider jetzt auch sparen. Das macht sie alles abends nach Tisch. Für solche Sachen nehme ich gerne ihr clownhaftes Wesen in Kauf. Ich selber amüsiere mich über ihren kölschen Humor manchmal sogar königlich, aber das ist das, was im Hause die Omi manchmal schokiert.

Heute morgen habe ich einen Brief an Dich über Ernst Hildebrandt geschickt und ihm zugleich für seinen Brief gedankt. Aber Du wirst nun ja jetzt

wohl auch die anderen haben.

Gute Nacht, ich bin sehr müde. Aber Du solltest noch ein paar Worte von mir haben. - Was wird Klaus morgen zu dem Schaukelpferd sagen?

den 18.1.41

Vor Tisch habe ich noch ein paar Minuten Zeit. Die große Bescherung ist vorbei. Das Pferd hat natürlich den größten Eindruck gemacht, aber er hängt vorläufig noch drauf wie ein Mehlsack, Dein Geburtstagsbrief ist auch heute morgen angekommen, also genau richtig (Der Brief ist erhalten). Ich freue mich so über die guten Nachrichten, bloß dass Du Nierenschmerzen hattest, beunruhigt mich. Sind sie besser geworden? Und wie schön, dass Du jetzt ein molliges, warmes Bett hast.

Die Omi hat sich auch über Deinen Brief gefreut. Ich habe ihr ein Paar lederne Handschuhe geschenkt. Also, gehab Dich wohl. Ich esse jetzt zuerst mal eine schöne Tomatensuppe, dann Rouladen mit Wirsing und zum Schluss einen schönen Schokoladenpudding. Und heute nachmittag gibt es einen Rodonkuchen, ganz ohne Eier, nur mit Milei. Auf den bin ich gespannt. Aber da es keine Eierzuteilung gibt, musste es leider sein.

Nun ist der Tag bald vorbei. Unten essen die Kinder zu Abend. Klaus ist immer noch glücklich über sein Schaukelpferd. Alle Kränzchendamen zu Omis Geburtstag sind weg, und ich habe eben das Zimmer aufgeräumt, damit der Abend noch gemütlich wird. Aus dem Kröbervortrag ist nun nichts geworden.

Jetzt bekommst Du einen ganz schnellen Kuss, denn ich muss die Kinder baden.

Deine Lotti.