Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 16. Februar 1941

16.2.41

Lieber Pappi,

hier wundert sich alles, dass ich schon wieder die Maschine auf den Knien habe. Ich weiß auch nicht viel, aber es ist Sonntagmorgen, die Arbeit bis zum Mittagessen getan, und ich habe die ganze Zeit an Dich gedacht. Und nun muss ich eben mit Dir etwas erzählen.

Helga schleppt überall Deinen. Brief mit und hat ihn heute morgen schon wieder zweimal gelesen. Sie sagte, wie sie las: "Die Mutti hat mir geschrieben", hätte sie einen großen Schreck gekriegt, denn sie dachte, nun käme "... dass du sehr frech bist". Aber es kam dann "dass Du gerne Bücher liest". Gutes Dingelchen. Dabei ist sie wirklich in keiner Weise ungezogen und sehr leicht zu leiten. Sie gehorcht aufs Wort.

Ach, Pappi, und jetzt liegt wieder ein langweiliger Sonntagnachmittag vor mir. Das Wetter ist nicht so, dass man ausgehen möchte, sonst hätte ich mir die beiden Großen mitgenommen. Deine Mutter bleibt heute im Bett. Es ist nichts Besonderes, sie will sich nur ausruhen zwischen den Aufregungen, die doch in gewissem Sinn da sind durch den Tod von Onkel Emil. Mir bleibt dann wohl nichts anderes als das Wunschkonzert und der Stopfkorb übrig.

Von den angekündigten Paketen sind erst zwei gekommen. Auf die Schuhe freue ich mich und auf das Türkenbrot auch. Kakao und Kaffee und Mandeln brauchst Du wohl nicht mehr schicken, denn damit sind wir fürs erste versorgt. Auch Seife. Besonders, wenn die Holländer solche Preise nehmen, Das, was noch gebraucht werden könnte, ist guter, fester Kretonne oder sonst ein bunter Stoff, geblümt oder kariert für die Kindersommerkleider und Anzüge für den Jungen. Hier ist das alles Kunstseidenkram und hält überhaupt nichts aus. Auch Nessel oder Leinen für Kopfkissen oder Überschlaglaken wäre zu gebrauchen. Aber nicht, wenn, es zu teuer bezahlt wird, sondern nur, wenn Du solche Stoffe regulär auf Eure Kleiderkarte bekämst. So etwas gibt es hier überhaupt nicht mehr. Was so aussieht, ist Zellstoff und darf nicht gekocht und nicht gewrungen werden.

Und dann kannst Du mir etwas Gelatine einpacken, die wiegt nichts und kostet nicht viel. Hier ist alle Gelatine beschlagnahmt, und man kann sie so gut brauchen für Fleischsülzen. Das Gummiband hat mir auch große Freude gemacht und ich habe mich direkt drangegeben und in sämtliche Kinderhöschen, die es nötig hatten, Band eingezogen. Und es hatten viele nötig.

Ich will mit dem Geldschicken noch warten, bis Dein nächster Brief kommt. Sonst könnte es gerade sein, dass sich vielleicht die Sendung mit Deinem Kommen kreuzt. Es könnte doch vielleicht sein, wenn ich es auch nicht glaube.

Jetzt schreibe ich Dir beim Wunschkonzert. Es ist sehr hübsch, weil Filmvolkstag ist und sehr viele Filmschauspieler heute mittun. Eben werden die 'Babys' angesagt. Ich habe erst ein paar Minuten eingestellt. Major Wieck hat auch ein Töchterchen bekommen, Sabine (der vermisste Ritterkreuzträger).

Du, es wäre zum Lachen wenn Schillings und Schumacher hier plötzlich wieder auftauchten. Es kann ganz gut möglich sein denn alles Alte vom vorigen Jahr kommt wieder bezw. ist schon da. Achenbach rief mich händeringend an, ob in der Quellenstrasse noch die Fabrikräume frei sind. Er weiss nicht wohin mit allem. In Friesdorf sollen schon grosse Wiedersehenscenen gewesen sein.

Götz Klassen war wieder zumm Kaffee hier. Es war wieder sehr angeregt und nett. Man kann sich sehr gut mit ihm unterhalten, er ist sehr belesen und hat viel von der grossen Welt (geographisch und auch sonst) gesehen.

Schnell Geschäftliches: Wittersheims rühren sich nicht. Was soll ich tun? Fräulein Kätze Berg hat auch bis heute (16.) nicht bezahlt, die wird mit jedem Monat bummeliger. Ich habe wieder wegen Wittersheim nach Köln geschrieben. Aber ich glaube, es hilft nur raussetzen, denn nach Köln schreiben sie lange Briefe, dass sie sofort abzahlen und tun es dann bei mir nicht. Auch an die Firma haben sie scheinbar geschrieben, denn die schrieb mir, Wittersheim hätte ersprochen, jetzt abzuzahlen und ich solle in der nächsten Abrechnung den Posten aufführen. Was soll ich nun mit den lumpigen fünf Mark, die sie mir durch Postanweisung gesandt haben? Weisst Du, die verlassen sich drauf, dass ich als Frau nicht so energisch werden kann und das Du weit weg bist. Ich denke mir, Du fährst bei W. endgültig mit Feuer und Schwert dazwischen.

Was magst Du heute wohl tun? In Eurem Nest ist ja nicht viel Abwechslung.

Helga liegt wieder im Bett sei heute nachmittag, Sie scheint wieder die Grippe zu kriegen. Aber diesmal lasse ich sie gründlich lange drin. Dr. Monar riet mir sowieso, ich solle die Kinder in nächster Zeit bei eventuellen Krankheiten länger wie nötig im Bett lassen, damit eventuelle damals geschnappte Keime nicht zum Durchbruch kommen können.

Viele Küsse     Deine Lotti