Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 21. März 1941

den 21.3.41

Jetzt bin ich wieder zufrieden, denn ich habe heute morgen zwei Briefe von Dir bekommen. Liebster, und es ist alles in Ordnung. Jetzt, wo ich Nachrichten habe, finde ich die Spanne, in der keine Post gekommen war, auch gar nicht so lang, aber wenn man Angst hat, ist sie drei-mal so lang wie in Wirklichkeit. Heute nachmittag kam nun auch Dein Paket mit dem Kaffee an. Also, ein schöner Tag. Ich niese auch in einem fort, weiss nur noch nicht, ob das eine grosse Freude oder einen grossen Schnupfen bedetuet. Mir scheint, das letztere, denn alle Kinder haben ihn.

Und nun musst Du mir schreiben, ob Du etwas mit Hildebrandt ausgemacht hast, damit ich auch da beruhigt bin.

Ich habe die angestrichenen Heftchen besorgt, soweit sie vorhanden waren. Ich lege Dir zuerst die Briefe großer Leute an kleine Kinder bei. Auch zwei sehr nette Fontanebriefe sind darunter, an denen der Junge wohl erst die richtige Freude hatte, als er groß war.

Den netten Schlager mit der Hillebrand und Gründgens habe ich nicht gehört. Kann Gründ-gens denn singen? Jetzt höre ich gerade Peter Igelhoff im Sender Friesland. Ich werde nachmittags nur ihn anstellen, dann sind wir manches Mal wenigstens im Radio zusammen. Ihr stellt doch meistens Friesland an?

Ich rauche jetzt in Ermangelung anderer Deine Mentholzigaretten Marke 'Polar', hergestellt von der Zigarettenfabrik 'Phänomen'.

Ich habe nun Köln, Bonn und Godesberg abgejagt nach einem hübschen Kaffeeservice, weil das rosa hin ist. Natürlich mit negativen Erfolg und habe mir jetzt bei Schumann ganz ein-fache, weiße Tassen gekauft. Ein ganz entzückendes Service stand im netten Laden, sehr apart, wie ich selten eins gesehen habe, aber es kostete 45,- Mk. Ich habe mich eine ganze Zeit dann buchstäblich satt daran gesehen und habe mir dann vorerzählt, dass auch weiße Tassen schön aussehen können, wenn der Tisch danach ist.

Und dann der Laden Poethen. Der hat den richtigen Dreh gekriegt, nachdem er sich bislang immer so hinkrabbelte. Jetzt, weil keine Stoffe mehr reinkommen, haben sie sich auf Konfektion geworfen und haben die Schaufenster voller Wiener Modelle. Ein Kleid ist entzückender als das andere, also etwas, das in Godesberg bisher fehlte, denn Galleps Kleider kann man nicht entzückend nennen. Und dabei haben sie durchaus normale Preise. Ich war richtig aufgeregt, wie ich vor dem Fenster stand, und anderen geht's wohl ebenso, denn fast alle Kleider waren verkauft. Jetzt ringe ich mit meinem Inneren, denn ich habe mir fest vorgenommen, diesen Sommer kein Kleid zu kaufen, weil Du ja doch nicht da bist.

Aber mein Inneres erzählt mir, dass ich an Sommerkleidern nur das Bunte, das

uralte Leinenkleid und das Schwarzweißgetupfte habe. Das rosa geht endgültig an Helga, weill es kaputt geht. Aber vorläufig ist noch lange nicht Sommer. Was meinst Du?

Im übrigen habe ich alle Verwaltungen mit Rattengift versorgt (Vorschrift). Die Wasserrechnung Quellenstrasse betrug 33.-Mk. Toll, was? Im Winter war ein kleiner Wasserrohrbruch, kann der das bewirkt haben? Herr Dürholt hat mir einen zwei Seiten langen Brief ggeschrieben, in dem er mir auseinandersetzt, dass er das Licht nicht abnehmen kann und warum nicht.

Heute morgen stand das Haus auf dem Kopf. Die Omis fanden die neuen Fleischkarten nicht, trotzdem alles umgestülpt wurde. Die Aussicht auf drei fleischfreie Wochen erschütterte sie doch sehr. Nachher fanden sich die Dinger zufällig im Backrezeptbuch, und keiner weiß, wie sie dahin gekommen sind. Gebacken wurde ja fürs Kränzchen. Hinterher war dann alles wieder sanft und schön, und ein Bohnenkaffee machte zum Schluss wieder alles gut und mit der Welt zufrieden.

Heute ist Frühlingsanfang, sagt gerade der Nachrichtendienst. Ich hätte es sonst bei diesem nieseligen, kalten Wetter auch vergessen. (Im Mörikeheft sind Frühlingsgedichte, die ich immer besonders gerne hatte.)

Eben komme ich aus der Stadt. Das süße Kleid, das ich eigentlich den Omis zeigen wollte und was mir besonders gut gefiel (es war sehr apart und kostete bloß 38.- Mk.), war natürlich von heute morgen bis heute mittag weg.

Und ich muss jetzt Schluss machen, denn eben riefen die Ringsdorff-Werke an, dass sie das Haus in der Körnerstrasse mieten wollen und sämtliche Reparaturen daran übernehmen. Es gab in der Zwischenzeit nämlich noch einigen Schriftwechsel deswegen. Auch herr Hansen beteiligt sich mit 300.- Mk.

Unser Zimmer verschönt sich leihweise, denn die Mu hat sich für ihr Kränzchengeburtstagsgeld (natürlich zahlt sie noch mindestens die Hälfte zu) eine Stehlampe bei Waasem gekauft.

Bis morgen, Liebster!
Deine Lotti