Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 18. April 1941

den 18.4.41

Lieber Mann!

Ich bekam heute Deinen Brief vom 15. Du hast meinen Karfreitagsbrief bekommen, also nicht den Gründonnerstagsbrief, der doch eigentlich zu Ostern da sein sollte und in dem ich drei Fotografien für Dich hatte. Ist er mittlerweile angekommen oder soll ich die Bilder nochmal schicken? Es sind Aufnahmen von mir für Dich. Es tut mir so leid, dass Du den Brief nun nicht am Osterfsst, wie es gedacht war, bekommen hast.

Ich wollte nun heute nach Bonn, um Dir den Schäffer zu holen, aber ich kann es frühestens morgen. Ursel und Helga sind krank, ebenso hat Jürgen seit Ostern einen schrecklichen Durchfall, und ich weiß nicht, wo ich zuerst anfangen soll.

Jürgen muss andauernd Medizin bekommen, Ursel bekommt Kamillenumschläge um die Brust, weil der Doktor einen ziemlichen Befund im linken Lungenflügel entdeckt hat. Sie ist so ein artiger, vernünftiger kleiner Patient, hat aber seit Ostersonntag Fieber und liegt immer ganz still auf einer Seite. Heute ist nun das Fieber runter. Helga musste sich gestern abend mit hohen Fieber legen. Es wird wohl nur eine Grippe sein. Dazu kam eine große seelische Aufregung des Kindes. Vor unserem Hause ist ein alter Herr mit einem Schlaganfall zusammengebrochen und nach einiger Zeit auf der Straße gestorben. Ich war im Kränzchen, und Anneliese hat sich mit den Kindern dummerweise mit den anderen Leuten dazugestellt. Erst als ich abends nach Hause kam, kam Dr. Schampel, der dann die Polizei anrief, und die wiederum verfügte dann, dass ein Schreiner mit einem Sarg kam. Bis das alles vorbei war, waren immerhin zwei Stunden vergangen, und ich habe große Mühe gehabt, das Kind wieder zu beruhigen. Es ist ein Herr Filbry aus der Römerstrasse.

Ich will aber sehen, dass ich morgen nach Bonn komme, aber solange Jürgen nicht mit seinen Magen in Ordnung ist, möchte ich nicht, dass Anneliese ihm das Essen macht,

Heute nacht sind Bomben in Niederdollendorf gefallen. Es müssen ganz nette Dinger gewesen sein, denn das Heulen war so laut und der anschließende Krach ebenfalls. Unser Soldat war bei der ersten Bombe auf unserem Flur. Es war die erste, die er gehört hatte, und die war auch so, dass alle Betten zitterten. Er hielt das Heulen zuerst für einen Sturzflug, so laut war es nämlich, und er ist ja noch ein Neuling.

Die Bomben haben in der Heisterbacherstrasse in Niederdollendorf mehrere Häuser zerstört, und das Strandbad ist abgebrannt. Ich kann mich über richtige Bomben jetzt nicht mehr so aufregen wie im vorigen Jahr über die Flieger. Ich denke immer an Dich und dass Du auch sowas mitmachen musst und an die anderen Soldaten und da kann einem doch keine Extrawurst gebraten werden.

Oma Hechtle ist ja sogar dabei von einer beneidenswerten Ruhe. Die sagte bloß: Lass sie doch, und Anneliese wollte überhaupt nicht aufstehen: Frau Endemann, das ist ja bloß ne Sprengbombe, rief sie.

Klaus war so niedlich. Vorhin kam ein Auto mit einem kleinen Anhänger. ''Mutti, ist das ein Ranzenauto?“ (Panzerauto) fragte er.

Dass die Urlaubsperre; gelockert ist, lässt einen doch hoffen, dass es nicht gerade -Spätherbst ist, ehe Du kommst.

Was mache ich mit Weil? Soll ich die dreihundert Mark, die v.. Bocke verlangt, zahlen oder die 200.- die Weil, verlangt?

Jetzt muss ich weiter im Fahrwasser der alltäglichen Sachen als da sind: Fläschchen machen, Ass-Abrechnung, ein Riesenberg Flickerei und all son Kram. Ich müsste eine Menge Briefe schreiben, komme aber nicht dazu, weil ich wirklich den ganzen Tag über meine Arbeit habe und wenn ich einen Brief an Dich geschrieben habe, keine Lust zu anderen habe.

In Eile viele Küsse, Deine Lotti