Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 24. April 1941

den 24.4.41

Liebster Harald,

wenn ich Dir jetzt nicht schreibe, wird es heute wieder nichts. Dazu ist das Wetter miese und müde machend, so dass ich schon seit Tagen zu nichts richtige Lust habe. Aber heute morgen habe ich mich wenigstens aufgerafft und habe einen Anfang mit der Zahnbehandlung gemacht. Dr. Gesler meint, es sei halb so wild. Ich habe natürlich sofort mehr Mut bekommen. Sein Wartezimmer bricht fast von Soldaten. Für ihn ist jetzt sicher die große Zeit des Geldmachens gekommen.

Heute abend sollte ich mit Wolframms und noch einem Ehepaar aus essen gehen. Ich habe aber abgesagt. Ich habe keine Lust, das schöne Geld auszugeben, wo ich sowieso sparen muss. Vielleicht müsste ich mal einige Zeit andere Luft, andere Umgebung und andere Menschen haben. Von der Mütterverschickung (Du schriebst von der Frau eines Kameraden) habe ich auch gehört. Es wird aber bis jetzt nur für die Großstadt durchgeführt, und in Köln waren es bisher 159. Ich glaube nicht, dass ich von Godesberg mit allen fünfen wegkäme. Auf jeden Fall kann ich vom Familienunterhalt keine Sommerreise machen, das steht fest. Ich bin schon heilfroh, dass ich ein paar Nebeneinnahmen habe. Übrigens, heute kam die Telefonrechnung. Da stand 9.- Mk. für Gebüren (Nebenanschluss, Mitbenutzer usw.) Im Telefonbuch steht ja immer noch Vaters Adresse mit. Musste die immer in diesen Jahren mitbezahlt werden? Ich erkundige mich mal.

Habe ich Dir schon geschrieben, dass gestern das Kistchen mit dem Ball für Ursel ankam? Ich glaube, der wird den KindernSpaß machen.

Gestern Nachmittag war ich bei Wolframms zum Tee. Vorgestern abend, das schrieb ich ja schon, im Film. Er war sehr nett. Etwas Kitsch, aber nett, nicht dumm, elegante Frauen und ein hundertprozentiger Mann, Luxushotels und Haiti, St. Pauli und Mexiko. Also richtig zwei Stunden lang was fürs Herz. Sowas habe ich, wenn ich in dieser Stimmung bin, am liebsten.

Dein BGB. wirst Du ja nun wohl bekommen haben. Viel Vergnügen und gute Arbeit. Aber ich verstehe Dich gut und weiß, dass es vielen so geht. Unser Soldat macht auch alle möglichen Kurse in Heften mit und frischt französisch und englisch auf.

Hattest Du Pützens geschrieben und Banthiens?

Ach, manchmal sind Briefe nur halber Kram. Ich komme mir heute so vernagelt vor. Und ich weiß, dass nur eine Einwirkung von außen kommen braucht, um mich mit einem Schlag umzukrempeln. Irgendjemand sehr nettes müsste mich heute besuchen.

Da aber die Welt nicht so ist, wie man sie sich malen möchte, werde ich jetzt zuerst mal einen großen, großen Berg Seidenwäsche und Kleinkram waschen und in der Seifenlauge meine Stimmung ertränken! Und dann reiht sich eins ans andere und ich bin bis heute abend versorgt, Bloß, dass diese Ich-weiß-nicht-was-Stimmung nebenher läuft. Vielleicht bin ich auch bloß empfindlich für die Witterungsschwankungen, und wenn das Barometer höher steigt, ist. alles wieder viel besser.

Übrigens hat Strenger schon wieder Urlaub, oder vielmehr, er hat in Koblenz zu tun und bleibt ein paar Tage hier. Nächsten Monat bekommt er sowieso wieder 14 Tage. Der hat auch ein besonderes Talent. Und Frau Knoop hat heute ihren zweiten Schlaganfall bekommen.

Irgendwas recht Nettes müsste heute noch passieren. Es gibt Momente, da füllen einen alle fünf Kinder nicht aus, und man ist sehnsüchtig wie ein junges Mädchen und fühlt sich gar nicht wie eine Frau mit einem grossen Pflichtenkeis und so vielen Kindern.

Weil Du nun mein Mann bist, musst Du eben auch mal solche Briefe kriegen. Sonst hättest Du nämlich heute überhaupt keinen bekommen, weil ich nicht weiss, was ich sonst schreiben soll. Ich bin richtig vernebelt. Aber Du kennst Din Fru und weißt, dass diese weltschmerzliche Stimmung unter Umständen mit einem Baiser zu beheben war, vom Konditor oder von Dir, das kam darauf an.

Also, mein Herr, ich werde jetzt Wasser und Waschpulver in Bewegung setzen. Gehaben Sie sie wohl, und ich wünsche Ihnen, dass Sie nicht so viel angefaucht werden wie beim Brockenappell. Deine Lotti