Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 29. April 1941

den 29.4.41

Liebster,

ich hatte eben schon einen Brief an Dich angefangen, aber da hatte ich mich verhaspelt, und konnte nicht weiter. Es war (kurz nach dem Abendessen) sehr schön ruhig,, weil ich ganz ganz alleine auf der Couch sass. Nichts war da, weder die omis, noch unser Soldat, der oben im Schweisse seines Angesichtes die Brocken für den morgigen Apell putzte. Nun aber hat sich die ganze Corona eingefunden und mit dem konzentrierten Schreiben wird es wohl wieder nichts werden.

Ich werde aber trotzdem meine Briefe nach Möglichkeit abends verfertigen, denn am tage ist es hier doch viel zu lebhaft.

Lebhaft, Weiss der liebe Gott und immer wieder voll neuer Aufregungen, daon heute die Neueste. Unsere gute Anneliese, das Schaf (das ist sie ja nun doch) hat sich eine neue Freundin zugelegt, vor anderthalb Wochen etwa, eine schwarzhaarige, für ein Dienstmädel immerhin elegante Person. Bisher war das gute Stück Köchin bei Dr. Lorenz und seit einigen Tagen bei einem alten Pastorsehepaar. Nun hat sich Anneliese sehr mit ihr eingelassen, sie immer hier rangebracht und --- bei Pützens fehlt eine Kassette mit 4000.- Mk. Also kurz und gut sie ist mit der durchgegangen. Ich hatte von vorneherein meine Bedenken mit der Freundin und warnte sogar die Omis und behauptete, das sei eine ausgekochte, natürlich sehr zur Empörung von Omi Endemann, die ja immer sagt, auf meinen Instinkt dürfe ich mich nicht verlassen. Aber i h hatte mal wieder in Bezug auf die Beurteilung von Menschen recht. Nun hat sich da scheinbar alles bei der Kriminalplizei in Wiedersprüche vverwickelt und unsere gute Anneliese hat mehr von der Sache gewusst als nötig. Ich glaube ja ihren Beteuerungen, dass sie nichts von dem Geld genommen hat, denn sie war hier die Ehrlichkeit in Person, hat aber unter irgendeinem Druck das Mädhen nicht verraten wollen. Scheinbar. Nun war sie heute morgen zum Verhör und heute nachmittag gegen Abend ebenfalls. (Ich habe eben, es ist neun Uhr, bei der Kriminal angerufen, die mir mitteilten, sie müssten Anneliese vorläufig mal oben behalten, vielleicht bekäme ich sie morgen wieder, aber das stellt sich erst heraus.)

Jetzt sitze ich vorläufig auch ohne Mädchen da. Das passt wundervoll. Auf jeden Fall muss ich jetzt gleich erst mal die Küchenarbeit mit machen, die ich bis jetzt, in der festen Annahme, unsere gute Anneliese käme, nicht getan habe.

Also wird es mit dem schönen Brief wieder nichts. Drum nur die Neuigkeiten.

1 Frau Knoop ist heute gestorben.

Din Lott hat immer wieder Aufregungen. Kaum sind jetzt die Kinder gesund, und die Omi ist wieder auf dem Damm, nun kommt das Theater mit Anneliese. Schon die letzten zwei Tage hatte ich immer die aufgeregte Frau Pütz bei mir, die nicht wusste, wo ihre Kassette geblieben wwar, dann den Vater, der nach Annelieses erster Aussage, mit dem Mädchen, im wahrsten Sinne des Wortes, unter einer Decke gesteckt haben soll und das nun wieder abstritt. Auf jeden Fall hat Anneliese sich scheinbar nicht klargemacht, was das bedeutete, von der geklauten Kassette gewusst zu haben und nichts zu sagen.

Na ja, also gute Nacht, lieber Pappi, ich muss jetzt arbeiten und die nächsten Tage, falls die Perle nicht wieder erscheint, das dreifache und doppelte. Also musst Du mir zum Trost schreiben, nicht lang, wenn Du kannst, aber sehr lieb, denn ich muss ein bisschen gestreichelt werden.

Kuss, Kuss, Kuss. Deine Lotti

Jetzt ist es spät. Ich habe de Brief wieder aufgemacht, wegen der Fortsetzung. Also, unsere gute Anneliese ist um 10 Uhr abends wiedergekommen, weil sich wirklich herausstellt, oder wenigstens beinahe, dass sie ausser ihrer Dummheit nichts zu kann. Aber ein Soldat ist mit hereingerissen, der ihr die Kassette aufgebrochen hat (dem Mädchen) und scheinbar auch Geld bekommen hat. Den haben sie direkt dabehalten.

Herr Schüler hat mir beim Spülen geholfen. Das war sehr nett von ihm, denn er hat es nur einmal als Kind getan. Wie wir mit allem fertig waren, kam dann Anneliese.

Gestern abend habe ich einen sehr hübschen Abend mit Hillenbrands verlebt, mit Bier und viel Lustigem. Ich glaube, hier entspinnt sich eine nähere Bekanntschaft und sie wohnen ja auch so schön nah. Du glaubst nicht, wie nett es war, mal wieder mit einem lustigen Mann von Eurem Schlag zusammen zu sein. Ich habe wohl noch andere kennen gelernt, aber die sind nicht so geistreich.