Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 2. Juni 1941

den 2. Juni 41

Liebster Pappi!

Nun ist Pfingsten bald vorbei. Heute war wundervolles, warmes, sonniges Wetter, genauso, wie es sich für Pfingsten gehört, und wir haben, die Omis und ich, den Pfingsttagen einen schönen Abschluss gegeben. Wir waren im Hotel Rheinland und haben auf der Terrasse ge-sessen.

Den gestrigen Pfingstsonntag habe ich sehr ruhig verbracht. Ich habe im Haus rumgepuschelt, bin ziemlich lange im Bett geblieben, habe keine Post von Dir bekommen und habe nachmittags mit den Kindern in unserem "Garten" gesessen. Seitdem die Bank dort in der Sonne steht, hat man wirklich ein Sommergartengefühl. Sogar Jürgen war im Ställchen dabei. Das Ganze spielt sich aber doch noch ein bisschen nahe der Straße ab, und ich möchte doch, dass der Zaun etwas dichter wird. Anderseits mochte ich auf den Gartenplatz nicht verzichten, denn ich möchte manchmal etwas von Sommer haben, ohne laufen zu müssen. Und sich ungeniert in der Sonne aalen, kann man doch nur im Garten.

Heute war ich mit den vier Ältesten auf der Godesberger Kirmes. Die Quälerei war so toll geworden, dass ich heute einfach mit ihnen hingegangen bin. Du hättest das Geschrei hören sollen, als es losging. Es ist doch ein Glück, dass wir in keinem Mietshaus wohnen. Auf dem Hinweg, Ursel setzte ich der Schnelligkeit wegen in den Klappwagen, waren sie musterhaft artig. Ich selber hatte mich auch pfingstlich und hübsch zurechtgemacht und ging infolgedessen mit gehobenem und stolzem Gefühl wegen meiner vier reizenden Kinder los. Dieses Gefühl ging aber in die Binsen, als die Bande auf dem Kirmesplatz angelangt war, denn da wusste ich nun nicht mehr, wie ich diese Flohherde beieinander halten sollte, und war dann ziemlich derangiert. Und in den Krach hörte man kein Rufen.

Und jedes Mal, wenn ich hinter einem hergelaufen war, war ein anderes fort. Zweimal durfte Ursel in einem Feuerwehrwagen Karussell fahren, und dann wollte sie, mit dem ihr eigenen Dickkopf, nicht wieder aus dem Wagen raus. Dadurch verlor ich dann wieder Heidi, die sich an einer Bude selber etwas aussuchte. Da ich Ursel an der Hand hatte, wollte die nun diese Bude ganz in Besitz nehmen und wollte ohne einen Berg Sachen nicht wieder weg und brüllte lauthals. Jeder bekam etwas für 20 Pf. gekauft. Das waren aber gerade nicht die Sachen, die sie haben wollten. Klaus wollte ein Schießgewehr und Ursel eine Puppe, und wenn ich alle die Wünsche erfüllt hätte, wäre ich mindestens 6,- Mk. losgeworden.

Nach Tisch habe ich wieder auf dem Balkon in der Sonne gelegen, habe die Sondermeldung gehört, dass auf Kreta der Kampf beendet ist, und dann haben wir Kaffee getrunken.

Und was magst Du heute getan haben? Hattest Du Dienst oder hast Du einen schönen Nachmittag gehabt? Unser Soldat hatte Pech. Er hatte von gestern mittag bis heute mittag Dienst, weil er Fahrer ist, und hat dann den Nachmittag, weil er müde von der Nachtwache war, verschlafen. In zwei, drei Tagen wird er wohl weg sein, ob nach Afrika, ob sonst wohin, er weiß es nicht. Aber er wird es uns schreiben. Er hat sich das Bild mit den fünf Kindern ausgebeten, das, wo wir alle aus dem Fenster sehen (Foto im Anhang). Ich muss es erst bei Biederbick neu abziehen lassen.

Wo und wie mag es jetzt in Kreta weitergehen? Was mag die nächste Offensive sein? Ob es jetzt die Inselist? Das sind so Fragen.

Gute Nacht! Ich höre jetzt noch den Nachrichtendienst und gehe dann ins Bett. Ob Du den Brief noch bekommst oder ob mittlerweile wirklich Postsperre ist? Frau Linde erzählte es mir auch. Und Pützens habe ich gerade noch Deine alte Feldpostnummer angegeben. Schreib Du ihnen doch. Julius würde sich toll freuen und Annemarie ebenfalls. Viele Küsse, Deine Lotti