Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 8. Juli 1941

den 8.Juli 1941

Liebster Mann,

zuerst, ehe das Erzählen losgeht, eine Frage, damit ich sie nicht vergesse. Hast Du einen Dankbrief an Hanno Platz geschrieben? Wenn nicht, und wenn Du meist, ich solle es, dann schicke mir bitte so schnell wie möglich seine Adresse. Ich habe sie verlegt. Aber es sieht sonst so dumm aus und ich fand seine Idee damals reizend. Also, das regele bitte sofort.

So. Ich habe nun drei Brötchen mit Erdbeeren gegessen, sie haben himmlisch geschmeckt und ich bin durchaus aufgelegt, Dir zu schreiben. Zu was anderem habe ich wegen der Hitze keine Lust. Die drei Grossen sind im Strandbad und es herrscht eine wunderbare Ruhe im Haus.

Heute kamen zwei dicke Briefe von Dir, aber kein Wort dabei, nur meine Briefe und Foto-grafien. Wenn ich die Stöße schreibmaschinengeschriebener Bogen sehe, kriege ich selber einen Schrecken, was ich Dir mit der Zeit zusammenschreibe. Wenn man einen Brief schreibt, hat man gar nicht die Vorstellung, dass es sich so aufhäuft.

Heute Nacht war Vollmond, eine wunderbare, klare Nacht. Der Wehrmachtsbericht spricht von erheblichen Gebäudeschäden in Köln. Ich hatte den Rest Rotwein getrunken, der von Theos Besuch übrig geblieben war, und war durchaus nicht in der Verfassung, aufzustehen. Ich war so wundervoll müde. Ich habe mich ins Fenster gelegt und die Mondnacht besehen, die dann wie ein Zauberbild wurde, als rote Leuchtschirme abgeworfen wurden. Da strahlten alle Häuser um uns in rosenfarbenem Licht mit blauen Schatten. Es war fantastisch schön, und ich genoss das Bild im Halbschlaf, bis es auf einmal kurz pfiff und dann zwei ohrenbetäubende Donnerschläge kamen. Da war ich wach und weckte alle Kinder. Wo die Bomben runtergekommen sind, weiß ich noch nicht, es muss aber nach meiner Schätzung ungefähr dieselbe Stelle wie das letzte Mal gewesen sein, ungefähr ein bis zwei Kilometer Luftlinie weg, mindestens. Wie mag das erst krachen, wenn in Godesberg selber eine runterkäme. Und die Blagen sind noch nicht einmal wachgeworden. Die anderen Bomben waren dann weiter weg, und wir waren eigentlich für die Katz aufgestanden. Die Engländer werfen jetzt auch Lufttorpedos, die eine fürchterliche Sprengwirkung haben sollen.

Heute morgen habe ich mit einer langen Liste den Gang zum Amt angetreten. Also, die Sache mit der Gewerbesteuer ist erledigt. Der Mann sagte, sie hätten der Kasse Bescheid gegeben, dass die Steuer bis zu Deiner Rückkehr gestundet ist, aber unten die entschuldigten sich damit, dass die oben sich so unklar ausgedrückt hätten und die Stundung nur bis zum Ende des Steuerjahres gemeint hätten. Dann habe ich Reis beantragt, weil wir keine Kartoffeln bekommen, und Mutters Reisemarken geholt. Bei Fritz Franking war ich ebenfalls und noch so allerlei.

Ilse Gesler hat sich in Hagen mit ihrem Mann getroffen. Er ist

Schon soviel Soldat, dass er vieles aud der Praxis, Leute und so, vergessen hat. So ging es Dir damals ja auch.

Jürgen sitzt nur mit einem dünnen Höschen bekleidet im Ställchen und isst seine Scheibe Vollkornbrot. Er läuft jetzt so flink wie ein Wiesel,, setzt sich aber manchmal noch auf seinen kleinen Pö. Ich sehe gerade, Wiesel ist etwas übertrieben, aber er läuft vollkommen sicher und am liebsten den ganzen Tag. Das Ställchen hasst er. Gestern abend oder vielmehr nacht waren alle Kinder ungnädig, dass ich sie geweckt hatte. Sie waren durch die Hitze erst um elf Uhr eingeschlafen und wollten nun alle zusammen nicht sitzenbleiben, sogar Jürgen nicht. Klaus hatte noch gegen elf Uhr die Wand im Klo zerhämmert. Wir hörten das Hämmern wohl, dachten aber, dass Herr Siefken noch arbeitete. Theo sagte gestern auch, dass seinem Sohn die rohe väterliche Gewalt mal wieder ganz gut täte. Mit den beiden Frauen mache er genau, was er wolle.

Die Hitze draußen singt förmlich. Hier im kühlen, verdunkelten Wohnzimmer sind es noch 25 Grad. - Ich habe mir eben das Heft mit den Schwind-und Spitzwegbildern angesehen, das Du geschickt hast.

Die Reise zu Dir sitzt mir doch jetzt sehr im Kopf und ich bin selber gespannt, ob und wann sie etwas wird. Vielleicht ist der Ort so hübsch,, dass man ihn geradezu als Sommerfrische betrachten kann. Ich denke mir schon alles mögliche in dieser Beziehung aus.

Auf Wiedersehen Liebster. Ich gehe jetzt zu Biederbicken. Dein Lött.