Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 9. Juli 1941

den 9. Juli 41

Liebster Mann!

Ich kann nur ganz kurz schreiben, denn der Brief soll noch in den Acht-Uhr-Kasten. Frau Hillenbrand hat heute einen sehr netten langen Brief geschrieben und alles mögliche darin erzählt. Ich beneide sie, dass es ihr gelungen ist, mit ihrem Mann zusammen zu sein, und denke, dass ich es in ein paar Wochen vielleicht auch kann.

Hoffentlich kommt heute nacht ein Gewitter. Erstens ist es schwül, zweitens haben wir dann keinen Alarm. Hoffentlich! Wenn Du meinst, dass der Tommy sich nicht mehr viel rührt, kann ich nur das Gegenteil behaupten. Der gestrige Heeresbericht sprach von größeren Zerstörungen in Köln. Was man so hörte, muss ja doll gewesen sein. Da man auf Gerüchte nichts gibt, hatte ich nur die Hälfte geglaubt. Heute sprach ich mit Duhme, der ja in Köln wohnt. Ich fragte ihn auch nach der Nacht. Da sagte er: Ich kann es nicht schildern. In jeder Straße sind Zerstörungen. Es war grauenhaft. Die Bomben hagelten pausenlos, und es waren wieder die neuen Presslufttorpedos. Die sind jetzt mit Brennmaterial versehen. Er sagte weiter, dass heute noch keine Straßenbahn wieder in Köln führe. Das sagte mmir auch die Schwester von Frau Siefken, die ja in Köln ein haus hat, aber schon ein paar Monate ei ihrer Schwester wohnt. Keine Straße ist verschont geblieben und die Verwüstungen sind grauenhaft. Tausende sind obdachlos.

Die Soldaten, die Angehörige in Köln haben, müssen jetzt mehr um deren Leben zittern wie um ihr eigenes. Dieser Krieg fordert von den Frauen, wenigstens von denen, die in solchen Städten wohnen, mindestens denselben Mut wie von Euch, bloß kann sich der Soldat in der Schlacht wehren, und wir können es nicht.

den 10. Juli 41

Heiß, heiß, heiß! Aber letzten Endes schön. Die Kinder gehen heute nachmittag wieder ins Strandbad. Helga und Heidi schwimmen schon, allerdings mit einem Reifen, der von Lindes stammt, durchs große Bassin. Klaus und Ursel nehme ich nach Mehlem mit ins Kränzchen. Ilse Holtgreve bringt auch ihre kleine Helga mit.

Heute kam das Paket mit der Kernseife und einigen Büchern. Deine Mutter war ganz entsetzt, als der ´Antichrist´ von Nietzsche aus dem Paket kam. Einen Brief habe ich noch nicht wieder bekommen. Einen Brief habe ich noch nicht wieder bekommen. Ich bin nun gespannt, wo der nächste herkommt, noch aus Holland oder sonst wo her.

Gestern hatte ich zwei Briefe an Dich angefangen, aber wie

der zerrissen. Meine Stimmung war nicht so gut gelaunt zum Schreiben. Ich hatte mir Dauerwellen machen lassen, und das wirkt ja auf Mutter wie das rote Tuch auf den Stier, und die Stimmung war dementsprechend. Heute ist es nun wieder besser, weil heute nachmittag Kränzchen ist.

Auch sonst weiss ich nicht viel. Die Tage verfließen ereignislos, nur der Sommer herrscht, Sommer im wahrsten Sinne. An Arbeiten machen wir nur das Nötigste, essen abends viele kühle Speisen mit Obst und gehen sehr spät ins Bett. Aber wenn ich frühmorgens in Rüngsdorf einhole, ist es ein Genuss. Der ländliche Teil der Luisenstraße mit seinen kleinen Häusern, den Bauerngärtchen, den Hühnern und dem Landgeruch, mit Sonne, Pappeln und Laubschatten macht mir jeden Morgen wieder dieselbe Freude und ich genieße es. Heute morgen trappelte nun Ursel neben mir her und bei Walbröhls haben wir uns dann ein gewaltiges "Swein" besehen, Gänse, Hühner und Enten und eine Ziege "Röschen". Ob uns das Schicksal noch einmal einen Garten oder wenigstens eine Terrasse mit Gartensesseln, einem Sonnenschirm und einem recht bunten Kaffeetisch beschert?