Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 16. Juli 1941

den 16.Juli 41

Liebster Mann!

Es ist kurz vor 10 Uhr. Bis eben haben Anneliese und ich Strümpfe gestopft, und dann ist Frau Wolframm gekommen und hat uns die versprochenen 20 Pfund Johannisbeeren und 10 Pfund Himbeeren gebracht. Den Nachrichtendienst höre ich mir dann johannisbeerpressenderweise an.

Die Husumer Zeitung habe ich gerne gelesen. Ist das Nissenmuseum nett? Das wäre was für Theo und Dich gewesen. Ich freue mich auch sehr, dass jetzt jeden Tag ein Brief von Dir kommt. Man ist doch wieder ganz anders verbunden. Die Briefe laufen jetzt auch nur zwei Tage, ganz wie normale Post.

Ich habe nichts gegen ein Quartier mit der Frau Deines Kameraden. Wenn man zur Erholung irgendwo ist, mag man doch gerne Jemand haben, mit dem man zusammen etwas unternehmen kann. Nur möchte ich kein Zimmer mit ihr zusammen haben. Aber so war das auch nicht gemeint?

Ich rief heute das Fräulein bei Blatzheim an. Sie sagte, die Sache ginge jetzt wohl in Ordnung. Herr Blatzheim hätte Bescheid gegeben anzuweisen. Er selber sei wieder fort.

Ich habe mich mal nach der Verschickung von kinderreichen Müttern mit ihren Kindern erkundigt. Das Fräulein sagte mir, dass das für Godesberg nicht in Frage käme, weil wir Gefahrenzone 3 seien. Herr Wolframm wollte dann seine Frau mit mir zusammen wegtun und ist nun sehr enttäuscht, dass das nicht geht. Er sagt, seine Frau sei bei der Warnung so ausser sich, dass sie in den Keller stürzt und vor lauter Angst weder an Mann noch an Kind denkt. Das finde ich ja nun auch etwas übertrieben.

Ich bin in einem direkt erwartungsvollen Zustand. Ich bin schon so auf die Reise eingestellt, trotzdem ich noch gar nicht weiß, wann ich fahre, dass ich alle Arbeit hier vorbereitend empfinde. Ich glaube, wenn was dazwischenkäme, wäre ich entsetzlich enttäuscht. Ich meine, ich könnte jetzt erst wieder nach der Reise richtig arbeiten und mich auf alles hier konzentrieren. Alles in mir wartet auf die Reise.

Heute bin ich mit Klaus und Ursel spazieren gegangen. Die beiden kugeln und zwitschern nur so neben einem her. "Du liebe meine Mutti", sagt Ursel. Anneliese hat sie "die Krott" getauft, und irgendwie passt das zu ihr. Bloß Ursel selber kann den Namen nicht leiden. "Is bin kein Krott mehr", sagt sie. Damit will sie sagen, dass sie nun widerspruchslos lieb ist. Manchmal heißt sie bei Anneliese auch "die Krick". Das kann sie auch nicht leiden. "Is bin auch kein Krick“, betont sie immer wieder. Aber der Name ist nun auch von den anderen Kindern übernommen worden: 'Die Krott schreit mal wieder', die 'Krick hat die Milch umgeschmissen', heißt es nur noch.

den 17. Juli 31

Ich trinke nun hier oben meinen Kaffee mit dem ersten selbstgemachten Johannisbeergelee und Radiomusik. Und dabei habe ich so innerlich die kleine Hoffnung, dass der Briefträger gleich einen Brief von Dir bringt. Um fünf ist dann Kränzchentreffen in der Traube bei einem Glas Bier.

Die Johannisbeeren mussten wir heute morgen einmachen, weil sie gestern erst gegen 10 Uhr kamen. Eigentlich sollten sie gestern abend eingemacht werden, weil wir heute große Kinderwäsche haben. Nun bin ich heilfroh, dass Mutter schon abgereist ist, denn Wäsche, 40 Pfund Johannisbeeren und dazu nachmittags Kränzchen - das hätte eine Explosion gegeben. Aber Anneliese, Erika Waters und ich haben alles geschafft mit der denkbar besten Laune. Die Kinder sind auch sehr lieb und ich bin gleich fertig zum Kränzchen.

Klaus und Ursel haben mit mir auf der Couch einen Mittagsschlaf gehalten, aus dem natürlich nichts wurde. Klaus wurde ganz böse und meinte, er wolle sich niemals eine Frau anschaffen, die ärgerte einen doch bloß, er wolle auch Ursel niemals heiraten. Ich fragte Ursel, ob sie denn wolle, und ihre Augen blitzten, während sie ja sagte. Dabei attackierte sie schon wieder ihren Bruder. Sie kann ihn nie in Ruhe lassen und muss an ihm rumzubbeln. Auch Büb Strenger, der ganz fürchterlich laut mit weit offenem Mund brüllen kann, ist ein beliebtes Objekt für ihre Studien. Sie stößt ihn vor die Brust und sieht dann interessiert zu, wie sich sein Mund unendlich weit zum Brüllen öffnet, und wenn er nachlässt mit Schreien, schubst sie wieder.

Übrigens, um die Reihe der Namen zu vervollständigen, die Anneliese den Kindern gibt; Jürgen heißt „Der Bates" und Anneliese ist so konsequent darin, dass nach kurzer Zeit alle Kinder die Namen annehmen. Natürlich nicht die Erwachsenen.

Mittlerweile hast Du wohl auch in Husum Post von mir. - Japan rührt sich ja anscheinend auch und macht so Vorbereitungen. Und in Russland ist eine neue Schlacht.

Einen Brief von Dir habe ich nicht bekommen. Dann kommt morgen einer.

1000 Küsse. Deine Lotti.