Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 20. Juli 1941

den 20.7.41

Mein liebster Mann!

Also, ich komme am Freitag. Ich fahre ab Köln 7.09 Uhr (hu, ich muss in Godesberg mit der Elektrischen schon um 4 Uhr abfahren) und bin in Hamburg-Altona um 14,58 Uhr. Ab dann 15.11 Uhr, an Husum 18.48 Uhr. Frau Lichtschlag fährt mit. Sie steigt in Düsseldorf zu. Hoffentlich finden wir uns, die Züge sind ja übervoll.

Ich freue mich sehr auf die Zeit und daneben auch auf die Ausspannung. Weißt Du, ein Betrieb mit fünf Kindern ist nicht einfach, und manchmal finde ich die Kinder nicht so lustig, wie ich sie schildere.

Die Mu kommt nun am Dienstag. Du hattest mir einen Brief geschrieben, in dem Du meinst, Ihr kämet in vier Wochen weg. Den hattest Du an Frau Lotti Hechtle adressiert, und der ist von unserer Post dann an die Mu nach Füssen geschickt worden. Die Mu hat ihn gelesen und sieht nun ein, dass sie schnell kommen muss.

Eben war Ilse Holtgreve hier. Sie tat mir so leid. Sie hatte ein Ferngespräch nach Berlin angemeldet, um ihren Mann zu sprechen. Kaum hörte er ihre Stimme, als er grässlich losschimpfte, dass er seit Tagen in ihrem Dreck reinmachte und alle ihre Schubladen endgültig von ihren Sachen befreien würde. (Dabei ist sie ordentlich und hat nur eine Schublade im Schreibtisch für sich reserviert mit ihren Andenken, Kochbüchern usw.) Die wirft er als unnützen Plunder nun hinaus, um für seine wichtigen Sachen Platz zu haben. Dann hat er sofort eingehangen. Er ist doch ein bodenlos fieser Kerl. Ilse war so verdattert, dass sie kreideweiß war und zitterte. Dabei wollte sie ihn sprechen, um ihm eine Freude zu machen. Und das im Verein mit seinen Eltern, die bei ihm sind. Braucht sich eine Frau das gefallen zu lassen? Kann ein Mann ohne weiteres eine Schublade, die ihr als einzige in der Wohnung für ihre persönlichen Sachen zur Verfügung steht, alle anderen hat er nämlich beschlagnahmt, ohne weiteres in ihrer Abwesenheit leeren und durch den Hausmeister, wie er sagt, in den Müll transportieren lassen? Und Ilse sagt, so sei er immer. Ist das nicht ein Scheidungsgrund? Dabei sagt Ilse nun, wenn seine Mutter käme, dann öffnete die in ihrer Wohnung ohne weiteres alle Schränke und Schubladen und untersuchte sie auf Ordnung und Inhalt hin. Geht das nicht auch zu weit? Ich erzähle das deshalb, weil das ganze vor 10 Minuten passiert ist und ich noch aufgeregt bin. Hedi Vortmann war auch dabei. Der Kerl ist hundsgemein.

Hedi Vortmann hat sich in keiner Weise verändert. Helga hing wie gebannt an ihrem Gesicht, ich beobachtete sie. Ich warte jetzt blos drauf, bis sie sie kopiert. Hedis Lokal, die Bachemsche Buchhandlung und der Verlag, ist auch abgebrannt. Sie sind jetzt provisorisch untergebracht.

Nun kommt der Brief in den kasten und als nächstes werde ich dann wohl selber kommen. Denn diesen Brief wirst Du ja wohl erst Mittwoch haben. Und dann kannst Du sagen: Übermorgen. Besorge blos kein zu teures Quartier, desto länger kann ich bleiben. 1000 Küsse. Deine Lotti.