Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 22. August 1941

den 22.8.41

Mein lieber, lieber Mann,

eben, zum Nachmittagskaffee (echtem) kam Dein lieber, langer Brief. Ich bin so glücklich darüber. Wenn ich Dir doch bloß alles schreiben konnte, was mich bewegt und was ich denke. Die Zeit in Husum ist immer noch der Mittelpunkt meiner Gedanken. Und solche Erinnerung ist etwas, was uns nicht genommen werden kann, ein Schatz, den wir immer wieder für uns hervorholen können, wenn wir wollen.

Ich wollte Dir die Stormschen Gedichte in der Reklamausgabe schicken. Frau Paulsen hat nämlich recht, die Gedichte kann man noch heute so gut lesen, weil sie so garnichts überschwängliches oder sentimentales haben, wie viele Gedichte aus der Zeit. Ich habe sie ja schon immer gerne gehabt und kenne sie alle. Aber meinst Du, ich könnte sie bekommen? Sonst leihe sie Dir doch bei Wilhelm Lichtschlag. Der hatte sie seiner Frau geschenkt. Ich wollte auch noch ein paar Novellen von Storm (Psyche, Halligfahrt, drüben am Markt usw.) haben. In keiner Buchhandlung mehr vorrätig und bei Linz sagten sie mir, dass die auch im Verlag vergriffen sind. Gedruckt werden sie wohl vorläufig nicht.

Dann habe ich versucht, etwas zu Helgas Geburtstag zu bekommen. Bis jetzt ist dieser Versuch missglückt. Lediglich die Märchen von 1001 Nacht (was anderes war im Augenblick nicht da) habe ich bekommen. Was sonst auf ihren Geburtstagstisch soll, weiß ich nicht. Dann sah ich einen reizenden Anzug für Klaus in Piccards Schaufenster, der aber leider auch schon seit zwei Wochen verkauft war. Für Strümpfe kann man sich jetzt vormerken lassen, und wenn eine Sendung kommt, werden sofort Päckchen mit Namen drauf gemacht.

Als ich vorhin Deinen Brief bekam, vergaß ich die Umwelt. Diesen Zustand hat sich Jürgen zunutze gemacht, mein Butterbrot stibitzt und damit die ganze Couch eingeschmiert. Überhaupt ist er ein Bengel. Vorhin kam er allein die Treppe rauf und mir wurde ganz schwarz vor Augen, weil ich ihn im Geist die Treppe runterfallen sah.

Mit Heidi habe ich meine Last. Sie will durchaus nicht in die Schule, und heute morgen wollte sie sich abmelden. Sie will auch keine Aufgaben machen, und wenn, dann werden die Buchstaben krumm und schief und haben riesige Zwischenräume, damit sie nur ja keinen Buchstaben zu viel machen braucht. Gestern, erzählte sie mir, sollte sie ein Bild von Dornröschen malen. "Ich sitze allein in der Bank das Malen war mir zu langweilig und da habe ich mich einfach auf die Bank gelegt und ein bisschen gedöst. Fräulein Rath hat das nicht gemerkt. Sie hat gemeint, da säße keiner." Auch gütliches Zureden hilft nicht. Sie will einfach nicht. Helga sieht wie eine alte Frau aus. Sie hat nun fünf Zähne verloren. Ein Glück, dass die wiederkommen.

Mittags gibt es offene Revolution. Ich habe in den letzten

den 22.8.41

Mein lieber, lieber Mann,

eben, zum Nachmittagskaffee (echtem) kam Dein lieber, langer Brief. Ich bin so glücklich darüber. Wenn ich Dir doch bloß alles schreiben konnte, was mich bewegt und was ich denke. Die Zeit in Husum ist immer noch der Mittelpunkt meiner Gedanken. Und solche Erinnerung ist etwas, was uns nicht genommen werden kann, ein Schatz, den wir immer wieder für uns hervorholen können, wenn wir wollen.

Ich wollte Dir die Stormschen Gedichte in der Reklamausgabe schicken. Frau Paulsen hat nämlich recht, die Gedichte kann man noch heute so gut lesen, weil sie so garnichts überschwängliches oder sentimentales haben, wie viele Gedichte aus der Zeit. Ich habe sie ja schon immer gerne gehabt und kenne sie alle. Aber meinst Du, ich könnte sie bekommen? Sonst leihe sie Dir doch bei Wilhelm Lichtschlag. Der hatte sie seiner Frau geschenkt. Ich wollte auch noch ein paar Novellen von Storm (Psyche, Halligfahrt, drüben am Markt usw.) haben. In keiner Buchhandlung mehr vorrätig und bei Linz sagten sie mir, dass die auch im Verlag vergriffen sind. Gedruckt werden sie wohl vorläufig nicht.

Dann habe ich versucht, etwas zu Helgas Geburtstag zu bekommen. Bis jetzt ist dieser Versuch missglückt. Lediglich die Märchen von 1001 Nacht (was anderes war im Augenblick nicht da) habe ich bekommen. Was sonst auf ihren Geburtstagstisch soll, weiß ich nicht. Dann sah ich einen reizenden Anzug für Klaus in Piccards Schaufenster, der aber leider auch schon seit zwei Wochen verkauft war. Für Strümpfe kann man sich jetzt vormerken lassen, und wenn eine Sendung kommt, werden sofort Päckchen mit Namen drauf gemacht.

Als ich vorhin Deinen Brief bekam, vergaß ich die Umwelt. Diesen Zustand hat sich Jürgen zunutze gemacht, mein Butterbrot stibitzt und damit die ganze Couch eingeschmiert. Überhaupt ist er ein Bengel. Vorhin kam er allein die Treppe rauf und mir wurde ganz schwarz vor Augen, weil ich ihn im Geist die Treppe runterfallen sah.

Mit Heidi habe ich meine Last. Sie will durchaus nicht in die Schule, und heute morgen wollte sie sich abmelden. Sie will auch keine Aufgaben machen, und wenn, dann werden die Buchstaben krumm und schief und haben riesige Zwischenräume, damit sie nur ja keinen Buchstaben zu viel machen braucht. Gestern, erzählte sie mir, sollte sie ein Bild von Dornröschen malen. "Ich sitze allein in der Bank das Malen war mir zu langweilig und da habe ich mich einfach auf die Bank gelegt und ein bisschen gedöst. Fräulein Rath hat das nicht gemerkt. Sie hat gemeint, da säße keiner." Auch gütliches Zureden hilft nicht. Sie will einfach nicht. Helga sieht wie eine alte Frau aus. Sie hat nun fünf Zähne verloren. Ein Glück, dass die wiederkommen.

Mittags gibt es offene Revolution. Ich habe in den letzten