Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 1. September 1941

den 1.9.41

Heute morgen bekam ich nun Deinen Brief, und nun bist Du wohl schon weg und weiter nach hier zu. Nun ist für uns beide Husum ein vergangenes Kapitel, aber ein ganz wunderschönes, und es ist mir direkt schmerzlich zu wissen, dass Du nicht mehr da bist und dass ich nicht mehr weiß, wie die Umgebung aussieht, in der ich Dich zu suchen habe.

Heute morgen habe ich mich tüchtig verschlafen. Bis halb 10 Uhr, und dadurch hatte sich im Haushalt alles zusammengedrängt. Die Kartoffeljagd war natürlich vergeblich. Heute nacht war wieder langer und etwas ungemütlicher Lärm. In Godesberg ist nichts passiert, aber in Bonn sind wieder Bomben gefallen. Ich hatte alle vier zu je zwei und zwei in die Luftschutzbetten gelegt. Das war für eine halbe Stunde herrlich, aber dann waren sie nicht mehr zu bewegen liegenzubleiben. Helga las, Klaus spielte, er kann wundervoll spielen mit Holzstückchen und alten Schachteln, Ursel quäkte, und Heidi räumte auf. – Nun lachst Du, aber Pappi, Heidi kann aufräumen, dass es ein wahrer Staat ist. Sie hat den Keller so in Ordnung gebracht, dass alles dasteht wie bei den Soldaten. Und hinterher brachte sie ohne Geheiß den Besen wieder weg. Ich sagte Dir ja immer, dass sie ein Hausmütterchen wird. Ich habe mich dann auf das verwaiste Bett gelegt und bin wahrhaftig etwas eingeschlafen. Heidi kam dann und brachte mir ein Kopfkissen und deckte mich zu, alles, ohne dass man darum bat. Sie kann entzückend fürsorglich sein, und das geht der Dame Helga ziemlich ab.

Heute nachmittag gehe ich nun mit den beiden Großen in den Film "Stukas". Kinder dürfen rein, und nun ist es schon ein Geburtstagsgeschenk.

Harald, wenn aus dem Urlaub nichts würde, wäre es schrecklich enttäuschend. Aber es sieht beinahe so aus. Dass wir die drei Wochen in Husum hatten, ist so kostbar gewesen, dass es kaum zu beschreiben ist. Kannst Du denn von Jever aus anrufen?

Hast Du nun noch Sachen bekommen für das Geld? Wenn Du nichts bekommst, schicke es mir bitte zurück, weil ich es dann hier besser gebrauchen kann. Wenn es nicht geht und Du es nicht brauchst, behalte es bitte.

Heute hat Omi Endemann geschrieben. Sie soll vorläufig noch in Nassenerfurt bleiben auf Tante Linas Wunsch. Es ist auch besser für sie, denn der ewige Alarm ist doch scheußlich. Aber die Erholungsreise war auch in der Art von großem Wert. Ich kann die Riesenmenge Arbeit fast spielend bewältigen trotz der durchwachten Nächte und habe Mut für Zehn. Das Arbeiten macht mir Freude, während ich vorher manchmal vor einer Kleinigkeit kapitulierte. Ich küsse Dich lieb und herzlich,

Deine Lotti