Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 6. Oktober 1941

                                                                                              Bad Godesberg, den 6.10.41

Liebste Mu,

jetzt habe ich einen Augenblick Zeit zum Schreiben und nun sollst Du sofort drankommen.. Und wo fange ich zuerst an:

Dass Du soviel Sorge um mich hast, ist lieb und rührend von Dir Mu. Ich komme aber gut durch. Eins nach dem anderen kommt immer dran. Dass natürlich unser Haushalt nicht mit einem kleinen zu vergleichen ist, ist ja klar. Aber ich bin ja nicht dumm, bin auch praktisch und ausserdem gut erholt, warum soll es also nicht gehen? Lasse Dir da man keine grauen Haare drüber wachsen und sei , solange Du bei Thea bist, auch hundertprozentig da. Hinterher kannst Du Dich dann, wenn Du wieder bei mir bist, um sie sorgen. Ausserdem gibt es ja für dringende Fälle immer noch das Telefon.

Harald ist nun wieder fort. Gestern morgen um sechs Uhr musste er fahren. Er dankt Dir noch recht herzlich für Deine Karte, hatte aber keine Zeit zu schreiben. Du glaubst nicht, wie kurz so vierzehn Tage sind. Alle wollen was von ihm, jeder will ihn sprechen, dazu haben wir, und das war sein besonderer Wunsch, viele Spaziergänge ins Gebirge bei wundervollem Wetter gemacht. Wir haben auch Schmidts in Ittenbach wieder besucht und Harald hat sie fotografiert und ihnen das Bild als Vergrösserung geschickt. Sie sind ganz begeistert davon und Harald hat es natürlich sozusagen als eventuelle Angel getan. Wir haben als erstes 25 Pfund Zwiebeln, die ja hier sonst so gut wie nicht zu bekommen sind, das Pfund zu 10 Pf. Bekommen und Christine sagte, wenn wir irgendetwas nötig hätten, sollten wir ihr Bescheid sagen. Über unsere Kartoffelnot hat sie richtige Tränen vergossen.

An einem wunderschönen Sonntagmorgen sind wir auch mit den beiden Grossen nach Liessem zu Hüllen gegangen wegen der Kartoffeln. Harald hat ja den richtigen Ton mit den Leuten und sie mögen ihn ja dann auch sehr gut leiden. Er hat sie auch wunderschön staats fotografiert, so ganz nebenbei. Du musst die stolzen Gesichter sehen, mit denen die Familie da aufgebaut stand und lässt ihnen auch vergrössern. Er liefert uns jetzt Kartoffeln, Zwiebeln und Möhren und ich werde dann, wen er kommt, auch noch andere Sachen rausschlagen.

Harald war selig, dass er hier war. Er hat dreissig….. abgenommen und wiegt jetzt ohne Kleider nur noch 16… Alle Anzüge schlackern um ihn herum.

Mutter ist auch wieder hier, nicht gerade sehr erholt … hatte ich ihr ja auch vorher gesagt, dass weder Nan….. noch Tante Lina zur Erholung das richtige waren. Be…. Hat sie sich abreackert.

Die Kinder sehen glänzend aus. Für Jürgen habe ich in Köln einen reizenden blauen Wollanzug erwischt, bei Biergans, 6.- Mk. Es war der einzige Anzug, den ich nach stundenlangen Umherlaufen auftreiben konnte. Überhaupt war die Einkauferei trostlos. Was ich haben wollte, gab es nicht und Harald war ganz deprimiert, denn vor sieben Monaten konnte man noch …. haben und bei den Soldaten braucht er nichts. So kam für ihn die Knappheit ganz plötzlich. Er steht auf dem Stand, dass ich es schwerer habe wie er.

Köln sieht überhaupt doch trostlos aus. Wir sind durch keine Strasse der Altstadt gekommen, in der nicht ein riesiges Loch gähnt, und wo dann die Häuser rechts und links zerdeppert und gestützt waren. Dabei ist dieser letzte Grossangriff doch Monate her und in dem schlimmsten Viertel sind wir garnicht gewesen. Cords am Neumarkt sieht nur noch wie ein Müllhaufen aus. Dort muss eine ganz riesige Bombe gelandet sein, um das stabile Gebäude so kurz und klein zu kriegen. Der Gürzenicht ist innerlich zerstört. Gegenüber vom Kaiserhof, neben Fürstenberg, bei Tonger, gegenüber dem Bahnhof, am Wallrafplatz, in der Hohenstrasse in der Schildergasse, Obermarspforten, kurz wohin Du kommst, siehst Du die Schäden und zwar sehr ordentlich.

Und nun danke ich Dir liebe Thea, zuerst mal recht herzlich für das schöne Paket. Ich habe mich über die drei Anzüge doll gefreut. Klaus hat den karierten sofort am nächsten Tag zur Geburtstagsfeier bei den Steinschen Kindern angezogen. Und wenn Du für die Karten etwas kaufen kannst, dann tue es nur, ehe es noch knapper wird. Die neuen Kleiderkarten sehen bestimmt mieser aus.

Und nun Dein Umzug Mu! Den letzten Tag von Haralds Urlaub haben wir dazu geopfert. Ich lege Dir die Rechnung bei. Es ist teurer, wie wir dachten. Das kommt, weil sich erst beim Umräumen rausstellte, was es alles war und wir haben den ganzen Tag fast gearbeitet.. Von morgens halb acht bis mittags um fünf. Die Schränke war randvoll gepanzt. Das ganze Porzellan musste einzeln verpackt werden und teilweise wieder ausgepackt. Und dann musste bei Schneiders alles auf den dritten Stock. Die Männer haben furchtbar geschwitzt.

Ich habe den alten grossen koffer, der mit Bindfaden verschnürt ist, zu uns genommen, ich weiss allerdings nicht was drin ist. Vielleicht das Silber? Das musst Du mir sofort schreiben, damit ich ruhig bin. In dem Büffet habe ich nämlich nur gefunden: (an Silbersachen)

die grosse Obstschale,
den sechseckigen Korb
Keksdose und ovales Körbchen
zwei Kristallkaraffen
Zuckerdose und Rahmkännchen nebst Tablett
ein anderes Tablett
die Pokale von Onkel Eugen
das Mayonnaisenkännchen und ein kleines Salzfass
Eingewickelt: 12 Mokkalöffel, zwölf kleine Gabeln, zwölf Teelöffel und das Gebrauchsbesteck in der Schublade.

Wo ist das andere Besteck? Schreibe es mir bitte, damit ich ruhig bin. Und die grosse Platte und die Saucieere? Ich möchte nämlich nicht dafür dann später an die Hammelbeine gekriegt werden.