Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 22. Oktober 1941

den 22.10.41

Lieber Mann!

Ich fand es ganz wunderschön, als ich heute morgen nach Hause kam, dass da drei Briefe von Dir lagen. Ich war unterwegs so unglücklich ganz für mich alleine gewesen und habe gemeint, dass ich ganz besonders viel am Halse habe, und musste mir selbst dauernd Mut zusprechen.

Dazu schrieb die Mu auf einer Karte, sie habe dort endlich mal das Gefühl "fertig" zu sein, was sie ja bei mir nie habe, und ich habe da heftig die Haushalte beneidet, die so viel Arbeit haben, dass sie "fertig" sind. Das ist ja bei uns unmöglich. Jeden Abend gibt es einen Berg, der eigentlich unbedingt noch gemacht werden müsste.

Aber Deine drei Briefe haben mich doch viel fröhlicher gestimmt, und außerdem habe ich mich ja auch wieder selber aufgerappelt. Und vorläufig bin ich jetzt bei Kilians mit Kartoffeln eingetragen, trotzdem der Schein eigentlich schon lange verfallen ist. Wir haben nun vorläufig welche, müssen uns aber den Winter über jeden Zentner einzeln holen. Das wird im Januar ja bestimmt noch Stockungen geben, soll mich aber jetzt noch nicht viel bekümmern.

Hast du eigentlich den Brief von Weil, den ich Dir Anfang voriger Woche schickte, nicht bekommen? Darin stand, dass die Stadt das Angebot von 1. Mk. zurückziehe, da das betr. Grundstück enteignet werde und wir in der nächsten Zeit die Beschlüsse der Enteignungskommission zugestellt bekämen. Ausserdem wünscht die Stadt die Anschrift der Erben Engels. Schreibe mir doch bitte schnell, was ich da machen soll. Und wie ich weiter die Sache führen soll, wenn Du evtl. nach Russland kommst und Briefe von mir zu Dir vier Wochen brauchen. Das ist nicht übertrieben, das ist so und Briefe von Russland nach hier gehen drei Wochen.. An wen soll ich mich dann halten, wenn irgendwas dringendes kommt, gerade in Sachen Engels? Alles andere geht ja ohne Dich.

Ich habe oft an Dich gedacht, wenn es hier windig war. Denn dann wusste ich, dass es bei Euch dort stürmt, so wie man es hier nicht kennt. Übrigens ist Dein angekündigtes Päckchen auch noch nicht gekommen. Kannst du auch Geld schicken? Ich fange an, knapp zu werden. Am ersten überweise ich auch Hans Banthien und Onkel Arthur.

Der Artikel in der Zeitung hat mich sehr interessiert. Wird das der zukünftige Kriegsschauplatz oder wenigstens eine Landemöglichkeit für einen eventuellen neuen nach Russland? Dann würde ja wieder England im Frühjahr nicht drankommen. Ich sagte ja schon immer, England sitzt wie die Spinne im Netz und schiebt immer wieder was Neues vor. Aber schön ist es, wie der Führer dann immer wieder der Flinkere ist.

Hatte ich nicht von Dir damals so eine Andeutung gehört, als

wenn es Deiner Mutter lieb wäre, wenn die Mu vorläufig noch nicht käme? Sie fragte mich heute nämlich, ob die Mu nicht kommen wollte, es sei langsam Zeit, und als ich sagte, sie bliebe vielleicht noch, meinte sie, ich solle schreiben und darauf hinwirken, dass sie so schnell wie möglich komme, denn sie merke doch, wie sie entlastet würde, wenn die Mu da wäre. Dann wäre ja vorläufig der Boden für eine Harmonie der beiden Omis geebnet.

Ich muss mir jetzt die Haare waschen lassen und ich wünsche, dass keine Stürme kommen, damit die Post nicht wieder stockt.

10000 Küsse, Deine Lotti

Eben bekomme ich Deinen lieben Brief mit dem Knie. Vielen vielen Dank. Du schreibst, sie wollen eine Abschrift vom Brief Engels machen. Dazu mußt Du ihn erst schicken. Soll ich auch ihre Adresse nach Elberfeld schicken?