Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 3. Dezember 1941

                                                                                                                      den 3.12.41

Liebster Mann!

Nun habe ich doch mit Dir gesprochen. Als ich Deine Telefonnummer wusste, hat es mir keine Ruhe gelassen, und ich musste Dich mal sprechen. Die Verbindung war enorm schwierig, denn Du hattest nur Apparat 21 angegeben und nicht, dass 248 davor gehört. Nun bin ich erst auf der halben Insel rumkutschiert.

                                                                                                                               abends

Den ganzen Tag schon ist etwas in mir, das vergnügt und behaglich ist, und das ist, dass ich Dich angerufen habe, und nun habe ich auch gar nicht mehr das Gefühl, so sehr allein zu sein, denn ich kann Dich jederzeit erreichen. Nun brauchst Du keine Angst zu haben, dass ich diesen Spaß öfter wiederhole, aber das Bewusstsein, es zu können, ist so schön.

Heute nachmittag, als ich in die Mütterweihnachtsfeier des Kindergartens ging, hat sich hier ein dicker Nebel aufgemacht, der nordseeähnliche Formen annahm. Die Weihnachtsfeier war wie immer mit Kerzen und Tannengrün und Kaffee und Kuchen. Tante Hanna wurde es aber schwer, keine richtige Feier wie früher mit den alten Liedern zu machen. Der B.d.M. und Frau Noll leiteten die Feier.

Verflixt, das mühsame Tippen mit der linken Hand lähmt auch den Geist.

Augenblicklich ist es komisch. Die beiden Kleinen kennen die Weihnachtslieder vom vorigen Jahr nicht mehr, und wenn ich sie singe, sind sie ihnen fremd, und ich kenne ihre nicht. Das war auch der Grund der Weihnachtsfeier heute, wir Mütter sollten die neuen lernen. Der Kindergarten gehört jetzt der N.S.V. Bruchstückweise kannte ich ja welche, das vom Alten, der am Tor steht, und eins von einem Tannenbaum, davon allerdings sang Ursel immer nur die zweite Strophe. Gestern auch. Sie wirtschaftete mit einer dreckigen Trainingshose im Garten rum, hatte sich die Baskenmütze, die ich ihr aufgesetzt hatte, nach ihrem Gefallen aufgesetzt, nämlich vorne bis in die Augen und hinten hoch, war total schwarz im Gesicht und sang: "Warum soll ich nicht grünen, solang ich grünen kann, ich hab nicht Vater und Mutter, die für mich sorgen kann."

Gestern sprach ich mit Stettin. Hans war am Apparat, und als er schon so vergnügt Lottiiiii schrie, merkte ich, wie gemütlich es dort war.

Aber die Mu bekommst Du doch nicht, die bleibt jetzt immer hier, schrie er, aber dann kam die Mu an den Apparat und sagte, dass sie doch vorhätte, nach Weihnachten zu kommen. Hoffentlich tut sie das nun, denn sie hat ein Wesen, das alles leichter im Haus macht.. Deine Mutter sagte heute wieder, Mu und Hansi Weihnachten nicht im Haus haben, wäre einfach undenkbar, denn beide könnten mit ihrer Art eine richtige Weihnachtsstimmung verbreiten, es würde so festlich dadurch. Und Hans wiederum freut sich auch auf Hansi und verträgt sich jetzt mit ihr.

Und alle wiederum würden sich freuen, wenn wir in den Osten zögen, denn Hansi bleibt auch da oben.

Es ist mir eigentlich unbegreiflich, dass Du Weihnachten nicht hier sein sollst.

Heute ist Helga mit Ursel zum Kurparkteich gegangen, um dort auf dem Eis zu schlindern. Ich, als ich das hörte, hinterher, aber da war Ursel schon bis an die Knie ins Wasser geraten. Ich kam gerade dazu, als Helga sie abklopfte. Die beiden hätten dann höchstwahrscheinlich nichts gesagt. Wir haben Ursel dann ins Bett gesteckt und ihr eine heiße Tasse Milch gegeben. Das sind Deine Kinder.

Und mein linker Arm ist lahm. Gute Nacht. Din Lött

Vielen vielen Dank für das schöne Buch. Ich habe heute meine Überweisungsunterschriften so bei Direktor Klocke gegeben.

Schreibst du Hans ……(????)