Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 29. Dezember 1941

den 29.12.41

Liebster Pappi,

setze bitte keine übertriebenen Hoffnungen auf diesen Brief. Hier spricht nur Deine Sekretärin. Wöller rief soeben an und wollte dringend wissen, ob er eins der beiden Grundstücke haben kann. Er sagte, sie seien ihm ja damals im Frühjahr fest an Hand gegeben.. Er will sie vorläufig nicht bebauen, sondern, weil die Ernährungslage nicht besonders gut werden wird, bepflanzen. Die Stadt hatte ihm im Frühjahr mündlich die Bebauung zugesichert und im letzten Termin verweigert. Er will nun eine Entscheidung am obersten Reichsgerichtshof herbeiführen und hat auch einen guten Freund in irgendeinem Ministerium und meint, dass diese Entscheidung und sein Einspruch als der eines ausserhalb der Kämpfe Engels-Stadt stehenden für Engels doch auch u.U. günstige Folgen haben könnte. Aber um bis zum Reichsgericht gehen zu können, muss er ein Grundstück zugesagt erhalten.

Er hatte am Heiligen Abend angerufen, aber da schienen wir das Telefon nicht gehört zu haben.. Er meint, ob Du der Einfachheit halber ihm nicht selbst Deine Ansicht schreiben kannst.

Weiter hat Finette ein Einschreiben geschickt und verlangt, dass die Fenster nach seinem Grundstück zugemacht werden mit Drahtgeflecht und Verschreibung. Durch wen soll ich das machen lassen?

Draußen ist es jetzt bitterkalt. Unser Schlafzimmerfenster ist jetzt am Nachmittag noch völlig vereist. Das hat aber nicht gehindert, dass Klaus und Ursel, als ich sie heute mittag in den Kindergarten schickte, oben an der Stadtsparkasse auf ihren Pös in der vereisten Straßenrinne rumrutschten und dazu jeder einen großen Klumpen Eis lutschte mit Dörthekind zusammen.

Habt Ihr heute auch Alarm gehabt? Der Heeresbericht meldete ja besonders Emden.

Da dies ein Sekretärinnenbrief ist, Herr Endemann, enthalte ich mich jedes weiteren persönlichen Satzes. 110000 Küsse , Deine Lotti