Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 22. Februar 1942

den 22.2.42

Lieber, lieber Harald!

Kann es sein, dass ich jetzt vier Tage nicht geschrieben habe? Aber die Zeit rast ja so, dass ich es sogar nicht genau weiß. Auf jeden Fall war soviel zu tun, weil ich auch ein paar Tage von Anneliese Degen, die krank war, draufgesetzt war. Aber heute ist mal wieder Sonntag und schöne freie Zeit bis zum Abendessen.

Die zwei Kleinen (Klaus und Ursel) spielen süß hier. Klaus hat unten in Büro ein Buch entdeckt: Wilhelm der Zweite und die Flotte, und das ist nun das schönste Buch, was es gibt. Er findet alle seine Soldaten, Offiziere und den Admiral, drin wieder und spielt schon den ganzen Tag mit Soldaten und Buch zusammen. Er hat es sogar gestern mit ins Bett genommen. Ich lasse ihm die Freude auch, weil das Werk doch nichts Besonderes ist und weil ich es ihm sowieso heute abend wieder abnehme.

Herr Stöwer sitzt am Ofen und sinnt über sein Furunkel nach. Der hat überhaupt ein gutes Leben, verglichen mit dem Eurigen. Der Verein hier scheint sehr gemütlich zu sein, denn oft geht es ohne Seitengewehr in die Schule und auch mit offenem Halskragen, wenn es ihm passt. Die paar Stunden am Tag sind auch schnell überstanden, und dann macht er es sich hier im Zimmer gemütlich.

Vorhin habe ich die Mu besucht. Sie ist nun wieder ganz mobil, aber der Arzt lässt sie nicht aus dem Krankenhaus, weil es bei uns zu kalt ist. Wir haben jetzt glücklich nur noch das Wohnzimmer und das Kinderzimmer geheizt. Alles andere im Haus liegt kalt da. Ich habe noch keine Aussicht, Eierbriketts zu bekommen. Ich bin nur glücklich, dass die Kinder so gut durch diesen Winter gekommen sind.

Gestern abend war es mal wieder nett bei Hillenbrands, bis der verflixte Alarm losging. Herr Hillenbrand will seine Frau jetzt den Sommer über fortschicken, weil er Angst hat, dass sie durch die dauernden Aufregungen irgendeine dauernde Störung bekommen könnte. Wenn nämlich die Sirene geht, muss sie genauso schnell auf die Halbe rennen wie ich und kriegt auch genau dasselbe Zittern. Es ist ja albern, aber wir können es alle beide nicht bezwingen.

Gestern rief Frau Professor Eckart an und wollte mir ihre Putzfrau abtreten. Sie sei auch ein halbes Jahr mit ihren fünf Kindern allein gewesen und wisse, was das bedeute. Ist das nicht reizend? Aber ich habe ja A. Degen, die wirklich schön und flink arbeitet, wenn sie da ist. Nur hat sie mir gestern leider die Marmorplatte von Mus Ofen im Esszimmer kaputtgeschmissen. Ich habe es der Mu noch gar nicht gesagt, der Bruch kann wohl gekittet werden.

Du schriebst, ich solle meine Meinung sagen, was Du vom wegmelden hältst. Genau dasselbe wie Du. Was ich da so geschrieben hatte, war eigentlich mehr allgemein, angeregt durch Strenger und mehr durch den Wunsch eingegeben, Dich endlich mal wieder nahe bei mir zu haben. Es wäre nur schön gewesen, wenn du hier in der Nähe etwas gehabt hättest, wo Du auch wichtig gewesen wärest. Aber kannst du nicht irgendwie mal beim Major vorstellig werden, dass Du Unteroffizier wirst, damit du aus dem Gröbsten rausbist?

An der Umgestaltung des Hauses arbeite ich jetzt im Geiste schon dauernd. Es hat irgendwie Platz in mir gefasst und wenn ich so weit bin, bleibt es auch nicht mehr Theorie, sondern wird Wirklichkeit. Aber vor Ende März will ich es nicht machen und dann direkt mit dem Hausputz zusammen, weil ja auch Gardinen umhängen und dgl. dazu gehört. Aber ich glaube, dass es doch hübsch werden wird. Meine Hauptliebe gehört mal wieder dem Wohnraum, der ja dann auch eine Etage tiefer gelegt wird. Und das jetzige Büro wird, wie Du meinst, Wohn-Esszimmer und Raum, in dem auch genäht wird. Aber die zweite Etage abvermieten wird wohl nicht gehen. Erstens muss ein Zimmer noch oben bleiben, weil ich ich in dem jetzigen Wohnzimmer doch keine fünf Betten unterbringen kann, auch nicht vier, und da dachte ich, die beiden Grossen oben zu lassen. Die gehen schon allein ins Bett, stehen nachts bei Alarm allein auf und derentwegen braucht man keine Treppen zu laufen. Zweitens muss ein Mädchenzimmer da sein, weil ich doch hoffe, irgendwann mal ein Mädchen zu bekommen und drittens will in einem Zimmer die Mu schlafen, das ist ihr und mir lieber, wenn wir jeder unser eigenes Reich wiederhaben. Aber es erleichtert doch viel, wenn die Wohnräume unten sind und Elternschlafzimmer und die Kleinen im ersten Stock. Und so gerne ich die Mu habe, so stört mich doch in meinem Schlafzimmer jeder andere Mensch ausser Dir oder einem meiner Kinder.

Es ist sechs Uhr. Ich muss Schluss machen.. Heute morgen rief Frau Resow an, dass Frau Onderka gestern abend plötzlich an Herzschlag gestorben sei. Auch gefallen sind wieder viele. Von Bökers in der Luisenstraße der zweite Sohn, der erste in Afrika. Von Scheur aus Bonn innerhalb zwei Monaten zwei Söhne. Waltraut Rippentrops Mann, der zweite Sohn von Bürgermeister Zander, ein Krause aus Plittersdorf. Es ist doch schrecklich. 1000 Küsse Deine Lotti

Frau Fitschen hat sich noch nicht gerührt. Was soll ich tun?