Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 4. März 1942

den 4.3.42

Lieber, lieber, lieber Mann

Heute kamen zwei lange, schöne, schreibmaschinengeschriebene Briefe von Dir. Ich danke Dir. Ich bin auch längst wieder vergnügt wie immer, ich hatte nur an diesem einen Tag die Flügel sehr hängen lassen, und dass Du darauf eingegangen bist, ist doch lieb von Dir, wenn ich es auch längst verwunden habe. Wärest Du nicht darauf eingegangen, hätte ich es doch vermisst.

Aber ich bin wieder vergnügt. Und dass Du mir so lieb über die Abzahlungen schreibst, hat mich doch auch gefreut. Weisst du, das ist dann das Bonbon für die diversen Einschränkungen, die man sich auferlegen muss. An die Nerven geht es ja gerade nicht, das Einschränken, blos, man rechnet manchmal mehr wie nötig und errechnet den tag, wo man wieder ein bisschen mehr um sich kann. Dazu hatte ich noch die Regulierung Weil vergessen. Weisst Du, wie ich die Endsumme sah, hatte ich es ja selber nicht geglaubt, wenn es nicht wirklich wahr wäre. An E. muss ich jetzt noch ca. 400.- zahlen, dann sind wir damit fertig. Wenn ich die Provision von Klemmer kriege, kann ich wohl nächsten Monat wieder zwei bis dreihundert abgeben und dann ist der Bart bald ab. Fein, was?

Und jetzt unsere Mädchenfrage. An ein Pflichtjahrmädchen hatte ich auch gedacht, aber mir wurde beim Arbeitsamt mitgeteilt, dass ich den Antrag dafür spätestens bis zum1. Dezember 41 hätte eingereicht hätte haben müssen (blöd, was?) Aber einen Versuch durfte ich doch machen. An Frau Eckart hatte ich mich gewandt, die mir dann mitteilte, dass die Putzfrau Mittwochs und Samstags zum mir kommen könne. Sie wollte sich aber noch vorstellen. Dies tat sie beides nicht, und am Montag rief Frau Eckart bei mir an, denn zu ihr war sie auch nicht mehr gekommen. Scheinbar passen ihr auch da die fünf Kinder nicht. Dann ist noch was Prächtiges passiert. Frau Schubert hatte an ein Mädchen in Soest geschrieben vor ungefähr vier Wochen und keine Antwort erhalten. Vorgestern schellte es, und das Mädchen stand vor der Tür mit zwei großen Koffern. Na, wir waren froh, leider gab es viele Einschränkungen. Erstens wollte sie erst mal probieren, zweitens hatte sie einen nervösen Magen und darf nicht schwer arbeiten. Kohlen darf sie auch nicht tragen, Windeln waschen mag sie nicht, sie darf nur Weißbrot essen, kann keine gekaufte Marmelade vertragen, muss im geheizten Zimmer schlafen. Wir, dankbar, ein Mädchen zu haben, sagten vorerst zu allem mal ja. Abends machten wir ihr ein prächtiges Federbett, in dem sie dann bis zum nächsten Morgen um neun schlief. Dann erschien sie, goss sich eigenen Bohnenkaffee auf und brauchte zwei Stunden, während denen ich weg war, um mein Wohnzimmer nicht gründlich in Ordnung zu bringen. Dann, als ich die Papiere verlangte und sie beim Arbeitsamt anmelden wollte, kam unter Stocken der wahre Sachverhalt raus! Sie hat eine Stelle in Soest mit Genehmigung des dortigen Arbeitsamts, kann sie aber erst in acht Tagen antreten. In dieser Zeit wollte sie ihre Tante in Köln besuchen, die Gute war gestorben und da sie in der Zeit doch irgendwo wohnen muss, sagte sie naiv, und in kein Mädchenheim wollte, entsann sie sich des Briefes von Frau Schubert. Sie hätte mir dann in acht Tagen gesagt, sie könne es bei mir nicht aus

halten, sagt mir das dumme Schaf auch noch. Ich habe sie natürlich sofort vor die Türe gesetzt und sie sagt auch noch weinerlich, wo sie dann hinsolle, und ich: Meinetwegen mit Ihrem Magen in ein Krankenhaus. Ich hätte sie ja schließlich behalten, um schnell das Gröbste zu tun, aber die war durchaus nicht gewillt zu arbeiten und ließ in ihrer Dämlichkeit auch noch durchblicken, dass diese acht Tage so eine Art Erholung sein sollten. Dabei erklärte sie mir am ersten Tag auch immer wieder, sie müsse reichlich und gut essen, was sie auch getan hatte, und hatte noch die Unverschämtheit, am ersten Tage zu sagen, sie bekäme auch die Fahrtkosten in Höhe von 12.- Mk. (die ich ihr ja beim Bleiben selbstverständlich gegeben hätte.

Nun habe ich so lange geschuftet, jetzt nehme ich auch nicht mehr jede Erstbeste. Nun suche ich mir von den spärlichen Tropfen, die kommen, denn aus, der mir am besten passt.

Dass die Mu da ist, ist eine wahre Wonne. Sie pusselt im Haus rum und hat auch keine Angst vorm richtigen Zupacken. Das scheute sie immer, wenn ein dienstbarer Geist da war, weil sie der Meinung ist, dass es dann dem zukommt. Deine Mutter ist auch längst nicht mehr so gedrückt, und wenn sie jammert, sagt die Mu: "Was willst Du denn? Denk bloß dran, wie es wäre, wenn du allein wärest und kriegtest heute nicht mehr satt zu essen." Das wiegt vieles auf. Das verfängt immer. Das Beste an der Mu ist die optimistische, versöhnliche Stimmung, die sie ausstrahlt, und dass sie bei allen Dingen im Haus der Meinung ist, dass wir es besonders gut haben. Für Jürgen hat sie auch das erlösende Wort gefunden: Lass uns den Kleinen noch richtig genießen, so goldig und tollpatschig, wie er ist.

Weißt Du, wem ich gestern in die Arme gelaufen bin? Charlie. Er ist erbärmlich mager geworden (124 Pfund) und sieht sehr schlecht aus.

Ab heute gibt es pro Person in der Woche drei Pfund Kartoffeln und drei Pfund Steckrüben.

Wir packen Dir ein Paket mit den gewünschten Sachen und schicken es Dir postlagernd. Feldpostpäckchen sind noch immer nicht erlaubt.

Es ist zu schön dass heute zwei so lange Briefe von Dir gekommen ware.

Das Konto auf der Deutschen Bank habe ich aufgelöst. Ich musste noch 15,90 blechen..

Ursel holt jetzt nachmittags die Brötchen. Süß, wenn die kleine Person mit Marken, Geld und Beutel lostigert. Und Klaus holt Briketts aus dem Keller. Helga bezahlt die Telefonrechnungen und bringt Überweisungen zur Stadtsparkasse. Ihre Stärke liegt auf diesem Gebiet und das macht sie sehr ordentlich und nett. Ds muss ich gestehen - Sie kriegen auch jeder Sonntags 50 Pf. Ich kann Helga auch mit 20.- Mk. losschicken und Schusterrechnungen bezahlen, Fleisch und andere Sachen einholen lassen, alles zusammen und sie bringt mir den richtigen Rest wieder.

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