Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10. März 1942

den 10.3.42

Liebster Mann!

Vorgestern und gestern kam ich nicht dazu, Dir zu schreiben. Es ging beim besten Willen nicht, und abends war ich so erledigt, dass ich ins Bett fiel, und auch der ziemlich heftige Alarm konnte bei mir nicht mehr so viel Angst auslösen, dass ich aufstand. Dafür kriegst Du nun heute morgen schon einen Brief, denn heute faulenze ich ein bisschen und tue nur das Nötigste.

Ich habe überlegt, wie ich es machen soll, dass ich beim Wehrbezirkskommando lande. Aber weisst du, ich glaube nicht, dass ich viel Erfolg haben werde, denn damals war das Zauberwort Engels, das alle Türen öffnete, ohne das wäre ich wie alle anderen in irgendeinem Vorzimmer hängen geblieben und hätte das Gesuch schriftlich einreichen müssen und hätte dreiviertel Jahre drum kämpfen müssen. So ist es nämlich in Bonn. Und zu dem zuständigen Herrn gelange ich ohne Empfehlung ja doch nicht. Hans Steffen hat auch dreiviertel Jahr gebraucht,, ehe er es durchgesetzt hatte, nach Köln ersetzt zu werden. Kannst du mir wenigstens ein Gesuch dafür aufsetzen? Denn in Bonn muss ja alles schriftlich gemacht werden. Und wäre nicht vielleicht die Beziehung Georg Endeman noch besser? Auch wenn es in Holland wäre? Aber vielleicht wärest Du persönlich besser dran wenn Du beim Feldgericht wärest. Überleg Dir das mal.

Weißt Du, wenn ich irgendeine Möglichkeit sähe, eine Putzhilfe für die Mütter zu bekommen, führe ich Ende des Monats zu Dir und bliebe vielleicht über Ostern. Das Geld von Klemmer habe ich zwar noch nicht, aber das wird schon kommen. Sonst würde mir ja auch die Mu helfen.

Die Bewerbung um die Holländerin zögern wir noch einzureichen, weil die damit verbundenen Unkosten so hoch sind: Transport hin und zurück, Verpflegung auf der Reise, ärztliche Untersuchung, Gebühr ans hiesige Arbeitsamt, Gebühr ans dortige Arbeitsamt usw. Das wären vielleicht 60.- Mk. im Ganzen, denke ich, und das kann ich nicht machen. Wegen eines Pflichtjahrmädels habe ich mich nochmals erkundigt, aber das ist so gut wie aussichtslos. Nur die allerdringendsten Fälle können berücksichtigt werde, und ich weiß nicht, ob mich das Arbeitsamt dazu rechnet. Das wird sich herausstellen.

Jürgen liegt noch in seinem Bettchen und fiebert noch etwas. Aber er ist sehr lieb. Nächste Woche fängt vielleicht die Umräumerei an, so dass wir bis Ostern damit fertig sind (daran hatte ich garnicht gedacht, als ich schrieb, ich möchte kommen).

Das Paket habe ich auch fertiggemacht. Wir schicken es also postlagernd, Zigaretten sind auch ein paar drin. Sie sind im übrigen ein sehr trauriges Kapitel. Du müsstest jetzt

mal die Kaufmöglichkeiten mit denen im vorigen September vergleichen Du wärest höchstwahrscheinlich genau so starr wie damals. Z.B. hat Frau Schemann in ihrem Porzellanladen 6 Aschenbecher, 12 Vasen, 2 Keramikuntersetzer und sechs Wassergläser. Aus.

Ich bin so froh, dass die Vögel draußen zwitschern. Trotzdem ist noch alles vereist. Im Vorgarten könnte man wunderbar Schlittschuh laufen. Der Schnee ist dort mehrere Male getaut und wieder gefroren, so dass eine glatte, feste Eisdecke entstanden ist. Die Rabatte mit den Stiefmütterchen ist noch nicht wieder sichtbar.

Draussen brüllt Ursel. Sie hat sich mit Klaus gezankt. Und ich müsste eigentlich weiter im Text, aber mein rücken tut heute zu doll weh. Von rechts wegen müsste die oberste Etage heute gründlich dran sein.

Und trotzdem ist es wieder behaglich. Die Mu steckt voller Ideen und Pläne und hat ja verblüffend gute Nerven. Die oft schwermütige Stimmung Deiner Mutter und das viele Stöhnen, was auf mich so stark wirkte, stört sie genau so wenig wie der allnächtliche Alarm, den wir jetzt wieder haben und ich fühle sehr stark, wie ich wieder Wind in die Segel bekomme. Ich muss nämlich gestehen, dass ich mich zuletzt beeinflussen liess und auch das Schwere an jeder Arbeit sah (was ja gerade kein Zeichen für einen starken Charaker ist) und nun ist bei aller Arbeit eben wieder diese behagliche, fröhliche Stimmung da,, wie es bei tante Grete auch war.

Und unser gemütlicher Nachmittagskaffeetisch ist auch wieder da, und er hat sich sogar noch verschönt, denn die Mu hat mir den silbernen Brotkorb und den Milchgießer und die Zuckerdose zur Verfügung gestellt (was ja schon immer mein Wunsch war), und das blinkt in der Nachmittagssonne so hübsch.

Beim Aufräumen des Büroschrankes (viel Mist ist weggekommen) habe ich nur ein paar blaue Briefumschläge noch gefunden Ich habe sie in das …. getan. Hoffentlich brauchen wir ihn nach dem Krieg nicht wieder einzuräumen und finden irgendwo was anderes. Ich möchte nicht mehr vollständig ins Büro eingespannt sein, schon wegen der Kinder nicht.

1000 Küsse   Deine Lotti

Brief von Klaus:

Lieber Pappi!

Viele Grüße sendet dir dein Klaus. Wir bauen hier ganz fein. Die Ulla hat Orenschmerzen gehabt und jezt ist sie wieder aufgestanden. Ich spiele hier mit meinem Tank den ich zu Weihnachten gekriegt habe und Ulla baut eine Brücke für den Tank. Jezt lest sie den Tank dadurchfaren und ich baue jätzt ein Englisches Auto mit einem Dach dadrüber jezt steht ein Soldat auf der Brücke fein ist das oh Pappi das müsstest du mal sehen. Helga schreibt für mich weil ich noch nicht schreiben kann und ich sage ihr was sie schreiben soll. Ich bin dein Klaus