Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 25. März 1942

den 25.3.42

Liebster Mann!

Hier ganz schnell die Einkommensteuerhefte. Das grüne Heft ist vom vorigen Jahr und die Neuerungen für dieses Jahr lege ich ebenfalls bei. Luchterhand bestelle ich übrigens ab. Du kannst später dann den neuesten Stand ja aufholen.

Die Bilder vom Eis habe ich selbstverständlich bekommen und danke Dir auch dafür. Man schreibt jeden Tag und vergisst dann doch wieder allerlei. Ich habe auch täglich Deine Briefe bekommen.

Du armer Mann, machst jetzt Nachtdienst und weißt nun nicht einmal, ob ich komme. Nun möchte ich Dir so gerne ein Osterpäckchen schicken und weiß nun nicht richtig, was. Es müsste schon postlagernd sein, denn Feldpostpäckchen sind ja noch immer nicht über 100 Gr. erlaubt. Aber was soll ich Dir schicken? Süßes habe ich nicht, Eier haben wir seit Weihnachten nicht wieder gesehen. Die Februar- Zuteilung haben wir noch nicht bekommen, und die Oster-Zuteilung wird genau so mies aussehen. Kuchen kann ich deshalb auch keinen backen, höchstens für uns einen Hefekuchen, weil man da kein Ei braucht, aber verschicken kann man den nicht, weil er trocken wird. Mit Büchern sieht es ebenfalls traurig aus, und außerdem hast Du jetzt die schöne Bücherei dort (mich interessiert übrigens jedes Buch, das Du liest). Also, was mache ich mit Dir? Ich will Dir aber doch auch beweisen, dass ich an Dich denke und Dir eine Osterfreude machen. Hast Du irgendeinen Wunsch, den ich erfüllen kann, bitte, bitte, schreib es mir.

Die Kleinen sehen nicht richtig ein, warum der Osterhase keine Eier bringt. Helga und Heidi wohl, die beiden sind enorm vernünftig darin.

Heute habe ich geputzt, dass es eine wahre Lust war. Das Wetter ist auch so wundervoll, dass man ganz beschwingt ist. Ich hatte eine Putzhilfe, die die Böden schruppte, weil ich ja nicht ins Wasser fassen darf mit diesem verflixten Umlauf, aber ich habe poliert und gewienert, dass es eine wahre Freude war. Ich war richtig glücklich. Änne hat mir gestern prachtvolle, riesen-große Nelken mitgebracht, die auf dem kleinen Tisch stehen, und auf den Schreibtisch vor Deinem Bild stehen Schneeglöckchen.

Das Biedermeierzimmer ist auch wieder in Ordnung gebracht worden, nachdem den ganzen Winter nichts geschehen war. Das machte aber nicht so viel Arbeit wie das Putzen von Kinderzimmern, die doch jeden Tag drankommen. Der Vorgarten sieht sehr hübsch aus. Von den Steingartenpflänzchen auf der Rabatte ist zwar noch nichts zu

Sehen, aber da Steingartenpflanze und Unkraut ziemlich ein ist, wird das Sprichwort wohl auch darauf passen. Die linke Schlingpflanze am Balkon scheint eingegangen zu sein. Dann muss die Andere es eben doppelt schaffen. Soll ich die Blumenkästen dieses Jahr wieder bepflanzen? Meinst Du, dass ich Petunien säen soll? Oder Pflanzen nehmen? Übrigens ist Samen und besonders Gemüsesamen ein sehr rarer Artikel und fast kaum zu bekommen. Dann wird auch ein guter Sommer in puncto Gemüse sehr knapp werden.

Ich glaube ja auch, dass Eure Zuteilungen doch noch etwas reichlicher sind wie die unsrigen. Denn schließlich müssen die Soldaten ja auch bei Laune gehalten werden. Die Kartoffelknappheit wird ja mit fortschreitendem Frühjahr noch ärger werden. Bei uns ist die Mu der Einteiler, mittags gibt es drei Pfund für die ganze Familie, dann kommen wir acht Tage mit den Kartoffeln aus. Richtig satt wird man dabei ja nicht, und an Bratkartoffeln oder Bechamelkartoffeln zum Abendessen ist schon gar nicht zu denken. Wir essen nun jeden zweiten Abend eine dicke süße Suppe, vorgestern Haferflocken, heute abend Graupen, usw. Und trotzdem ist alles fröhlich und gemütlich hier, genau wie ich es als Kind kannte Die Mu ist glücklich über alles, was trotzdem da ist, und da ist dann die Einschränkung auf jedem Gebiet eben nichts Schlimmes, sondern es lautet: 'dass wir trotz der Einschränkung' usw. Tante Grete war ja auch ganz groß darin.

Hillenbrand hat Glück. Er braucht erst in vierzehn Tagen weg, weil er noch im Bett liegt. Als ich heute morgen hinkam, lag er mit hundertprozentig guter Laune im Bett und rauchte eine dicke Zigarre. Auf dem Frisiertisch stand noch eine leere Flasche Sekt und zwei Gläser, damit hatten sie gestern abend sein Nichtwegmüssen gefeiert. Es kam mir sehr bekannt vor.

Jürgen liegt noch immer im Bettchen, aber jetzt fängt die Wunde an auszuheilen. Er hatte die letzten Tage mehrmals 39,9, und ich weiß noch nicht richtig, woran es lag. Dr. Schampel, der ihn behandelt, kann nicht kommen, weil er schließlich viel anderes zu tun hat und Jürgen ja nicht in sein Fach schlägt, und hat mir deshalb nur telefonische Ratschläge gegeben. Dr. Monar, dem ich damals die Behandlung übertragen wollte (ich musste ja zuerst Schampel rufen, weil Monar nicht in Godesberg war), lehnte die Behandlung ab und meinte, Sch. könne sie ruhig weiter fortsetzen, er sei genau so überlastet. Nun, weil das Fieber immer wieder kommt, meint Dr. Schampel, ich solle ihm Jürgens Urin reinschicken, und das misslingt mir, weil es immer ins Bettchen geht und nie ins Töpfchen, trotz aller Mühe. Er ist durch die vielen Schmerzen darin etwas zurückgekommen und bemüht sich nicht. Also muss der Junge selber gesund werden. Der Ärztemangel ist toll in Godesberg. Milde allein versorgt die beiden Krankenhäuser als Chefarzt. Schwester Erna kommt auch nicht, um die Wunde nachzusehen und seit der Verbrennung hat sie kein Fachkundiger wieder gesehen. Ich habe alles ganz allein gemacht. Und dabei war es, wie Schampel sagte, eine erhebliche Verbrennung. Und die Jalousien und Rolläden am Haus sind immer noch nicht gemacht, die waren doch schon kaput, als Du in Urlaub kamst. Mittlerweile sind zwei dazugekommen, sodass es sich jetzt wirklich lohnt für Fricken. Der Gute kommt aber nicht, trotzdem ich jede Woche vorspreche.

Morgen folgt Fortsetzung. Ich bitte Dich aber sehr, schreibe mir bitte, womit ich Dir eine Freude machen kann.       Din Lött