Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 8. April 1942

den 8.4.42

Liebster Mann!

Heute morgen bekam ich nun zwei Briefe, von denen diesmal der kürzere der schönere war, weil da von Deinem Kommen stand. Das, wäre so in vierzehn Tagen. Schreibst Du vorher den genauen Termin oder stehst Du plötzlich da? Das erste wäre mir das liebere, denn wenn es nur fünf Tage sind, will ich doch wenigstens so viel vorbereiten und erledigen, damit ich den Haushalt nach Möglichkeit in den Tagen abgeben kann. Ich glaube ja, dass mit unserer persönlichen Einkommensteuer diesmal nicht viel Arbeit verbunden ist. Und dann bin ich dafür, dass wir den geschäftlichen Kram in zwei Tagen abwickeln, damit wir die restlichen drei Tage ganz für uns haben.

Wir sind alle leicht verkatert. Wir haben vier Stunden im Keller gesessen, aber der Alarm hielt sich heute in durchaus normalen Grenzen, während er gestern bei dem Angriff auf Bonn das nicht gerade tat. Der Boden im Keller schepperte immer wieder von Bombeneinschlägen. Die nächsten waren aber nur in Friesdorf, wo viele Häuser zerstört sind. Aber auf der Koblenzer-und Bahnhofstrasse sind die Fenster von Rasting, Flory, Gallep, Linz, Trude Reichert usw. restlos hin von Flaksplittern oder Blindgängern von Granaten. Jetzt fängt wohl wieder die schöne Zeit an.

Klaus trägt seit heute die lederne Hose und ist natürlich sehr stolz darauf. Ich hatte die Kindergarderoben durchgesehen und leider festgestellt, dass Helga und Heidi aus fast allen Sommerkleidern rausgewachsen sind.

den 9. abends

Der Brief sollte nicht so lange liegenbleiben, aber es kam nun mal so. Heute bekam ich Deinen schönen Brief mit dem Osterspaziergang und den mit der Sorge um uns. Ich denke aber auch, dass Du den Brief vom Ostermontag bekommen hast und dass die Sorge damit erledigt ist. Ich hatte mich richtig geärgert, dass Bonn im Wehrmachtsbericht erwähnt wurde, denn ich dachte mir, dass Du Sorge haben würdest. Bonn selber hat übrigens nicht so übermäßig viel abbekommen, es wurden zwar 3000 Brandbomben gezählt, aber die haben fast alle nicht gezündet. Die Sprengbomben sind in der Hauptsache in allen Orten um Bonn rum gefallen, und in Friesdorf war eine auch ein Torpedo. Mehrere Blindgänger liegen noch. Wir waren gerade wieder ins Wohnzimmer gegangen, weil uns die Kellersitzerei zu lang geworden war, und die Fünf hatten sich in einem Knäuel auf dem Boden im Halbschlaf zusammen gerollt, als der Donner-

schlag kam. Ich sage Dir, alle fünf kippten förmlich in den Keller vor Schreck. Ich selber rege mich nicht mehr so auf, denn das habe ich überwunden und nehme die Alarme so ziemlich hin wie tägliches Brot, wie etwas, was zum Leben gehört. Es ist eben so.

Pappi, eine Bitte. Kannst Du mir ein paar Zahnbürsten mitbringen? Die gibts nicht mehr, und Helga und Heidi haben schwarze Zähne vom ewigen Apfelkrautessen und können sie nicht putzen.

Helga war sehr stolz auf Deinen Brief. Aber ich freue mich doch, wenn Du mal zwischen die Bande fährst. Sie werden manchmal reichlich selbständig. Klaus und Ursel haben trotz wiederholten Verbotes am Rhein auf den Brückchen gespielt (sie haben dafür am Oster-sonntag den Hosenboden verhauen bekommen), und Helga macht ihre eigenen Exkursionen. Sonntag ist sie mit Erika Strenger auf den Godesburgturm geklettert, und heute, als ich sie in die Burgstraße schickte, war ihr der Heimweg zu mühselig und sie ist einfach mit der Elektrischen von der Plittersdorferstraße bis zur Kirche gefahren. Aber das ist nicht weiter schlimm. Heidi ist rührend bescheiden und betrachtet jede Sache von den Standpunkt, ob sie nicht zu viel Geld kostet.

Soll ich Dich in Köln abholen, wenn Du kommst? 1000 Küsse, Deine Lotti