Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 9. Mai 1942

den 9.5.42

Liebster Mann!

Am Samstagmorgen schreibe ich Dir einen Brief, und das nur, weil ich unfreiwillige Ferien habe. Ich habe bei schönstem Wetter einen Morgenspaziergang zu dem Gammlerschen Betrieb in der Heerstraße gemacht, um mir endlich die Aubretien zu holen. Eine Pflanze habe ich auf das Steingartenbeet gesetzt, zwei in die Rabatte. Das werden die dicken lila Polster. Gammler hat unglaublich viel Pflanzen aller Arten dort, und ich denke, wir holen uns im Herbst allerlei von dort.

Hör mal, sollen wir nicht die Birne umhauen? Der lange Stritz nimmt den Kindern die Sonne aus dem Sandkasten, und Birnen ernten wir doch nicht. Sie kommen alle als Mus unten an. Vor zwei Jahren hat Gärtner Beitin einen kleinen Korb voll gepflückt und mehr dafür genommen, als sie wert waren, weil er so viel Zeit brauchte, um in unseren und Unverzagts Dachfenstern rumzuklettern. Und erwischt hat er doch nicht alle.

Heute nachmittag sehe ich mir ´Anuschka´ an, den Film, auf den ich schon lange warte. Mittwoch hat unser Urselchen Geburtstag. Der wird aber festlich begangen mit Kuchen, Kränzchen und Polonaise. Ursel hat auch große Pläne wegen Einladungen, aber da musste ich ja bremsen.

Hansi schrieb heute morgen. Sie hat einen Vortrag von Dr. Kroeber besucht und ihn anschliessend

gesprochen und hat dann auf seine Aufforderung noch in kleinem Kreis zusammen gesessen. Er lässt mich und besonders Dich herzlich grüßen, wobei ich dann wieder an unseren schönen Spaziergang zu Ingwer Paulsens Haus denke. Aber meinst Du, ich käme darauf, wie der Ort hieß? Es müssen wohl Nerven sein, aber ich, die ich früher ein scharfes Gedächtnis hatte, vergesse Namen aller Art und kann dann bei allem Nachdenken nicht drauf kommen. Es ist manchmal direkt blamabel.

Ich freue mich doch, wenn ich wieder mit der Schreibmaschine arbeiten kann. Ich finde Feder schrecklich umständlich. Ich wünsche Dir einen schönen Sonntag und mir einen Brief.   Deine Lotti