Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 14. Mai 1942

den 14.5.42

Liebster Mann,

ich habe kaum Zeit, aber ganz schnell muss ich Dir doch schreiben. Es ist eine traurige Nachricht: Willi Schumann ist tot. Er ist schon Anfang März an Fleckfieber gestorben und die Familie hat es gestern erfahren. Der Erste und Jüngste aus dem Kegelklub. Es hat uns allen furchtbar weh getan. Und Du schriebst gerade heute, dass Du ihm sofort auf die Karten geantwortet hättest. Es ist so schrecklich und die junge Frau tut mir so entsetzlich leid. Schmutz-Dumont aus der Rechenfelsstrasse (der das Haus von Frau Professor sowieso gemietet hat, hat innerhalb von vier Wochen seinen ältesten und seinen jüngsten Sohn in Russland verloren.

Du Schreibst, wann ich kommen will. Ich möchte, wenn ich komme, am liebsten in das Forsthaus und dann kannst Du ja ein Zimmer Ende Mai, Anfang Juni bestellen. Schon allein vom Standpunkt der Erholung aus tut es mir gut. Ich zweifele blos, ob ich es mir pekuniär erlauben darf. Ich habe jetzt im Frühjahr trotz aller Sparsamkeit doch Ausgaben an Kleidung für die Kinder und das Leben ist überhaupt teuerer geworden. Der Familienunterhalt ist um 10.- Mk. erhöht worden. Ohne Grund tun sie das auch nicht, dann sind die Lebenshaltungskosten bestimmt und 30.- Mk. gestiegen.

Klaus hat eine schlechte Woche. Für diese ist ihm das Fleisch abgezogen worden und heute abend musste er ohne Abendessen ins Bett, weil er trotz wiederholten Verbotes wieder am Rhein gespielt hat. Mir zerreisst es aber das Herz, wenn ich ihn strafen muss. Dabei brachte er mir in der Faust ganz zerknuvvelte Gänseblümchen mit. Ursel hat sich jetzt die Spitze des Bäumchens als Sitzplatz erkoren zum Entsetzen aller älteren Leute, die vorüber gehen. Immer, wenn ich höre: Kind, Kind, Du fällst, dann weiss ich, dass sie drin ist. – Alle vier sammeln mit Leidenschaft Flaksplitter und überall stehen die Kästchen im Haus damit rum.

Pappi, wenn Du kommst, wirst Du Dich damit abfinden müssen,

dass ich mich zwischen Dir und den Fünfen teilen muss. Der neuen Lisbeth kann ich sie noch nicht anvertrauen. Kinder sind ihr ein völlig ungewohnter Gegenstand und noch etwas, wovor man hilflos wird. Sie kommt vorläufig nur für die Hausarbeit in Betracht und wird wohl auch nicht viel in der Kinderpflege lernen. Sie ist darin zu uninteressiert. Ich bin ja nur froh, dass ich überhaupt eine Hilfe habe.

1000 Küsse Deine Lotti.

[Aalborg ab 11.30 Schleit]