Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 3. Juli 1942

den 3. Juli 42

Liebster Mann!

Mein lieber, lieber Geburtstagsmann, und wie feierst Du ihn? Ich denke sehr lieb an Dich und habe diesmal wirklich nichts für Dich, was ich DIR schenken könnte. Erstens ist die überstürzte Abreise daran Schuld, dann sitze ich hier auf dem Berge und ausserdem bekommt man sowieso nichts.

Aber wir feiern Deinen Geburtstag nachträglich, so schön es geht. Hast Du vielleicht heute meinen ersten Brief aus Stettin bekommen? Ein Geburtstagswunsch steht deshalb nicht drin, weil ich offengestanden überhaupt nicht an dem Tag daran dachte. Ich war völlig in den Daten verbiestert. Hast Du überhaupt schon in der letzten Zeit Post von mir bekommen? Oder hängst jetzt alles in Bremen fest wie seinerzeit in Köln? Ich jedenfalls habe vorigen Samstag oder Freitag in Godesberg das letzte von Dir gehört.

Kannst Du eine Unterkunft für mich bekommen?

Ich lebe hier die Tage in völliger Entspannung hin. Heute z.B. habe ich den ganzen Tag in der Sonne gesessen. Zwischendurch habe ich mit Jochen Gesellschaftsspiele gespielt.

Aber mein Koffer ist noch nicht da! Ich bin richtig wie evakuiert und habe nur die Sachen, die ich auf dem Körper trage. Heute habe ich große Wäsche gehalten und mich in der Zwischenzeit in einem Kittel in die Sonne gesetzt. Morgen abend sind wir nun bei Ziemers, und ich muss notgedrungen mit demselben Zeug hingehen. Und nur ein paar Strümpfe habe ich bei mir. Tröstend wird mir nun erzählt, dass die Koffer manchmal drei Wochen unterwegs sind. Höchstwahrscheinlich kommt er dann nach meiner Abreise. Und dann werde ich also die ganzen drei Wochen in demselben Zeug auftreten müssen. Herrlich.

Heute morgen habe ich Frau Schilling angerufen, die übrigens von meinem Kommen schon unterrichtet war, via Harald, Heinz Schilling usw. Montag gehe ich zu ihr. Sie freut sich sehr. Aber ihre Schwiegermutter ist heute aus dem Krankenhaus gekommen und dazu sind sie ohne Mädchen, sodass sie den Haushalt erst mal ein bisschen durchpolieren will.

Gestern haben wir eine Fahrt über den Dammschen See gemacht, und abends waren Nawotnys auf einem Sprung hier.

Sag mal, ich wundere mich immer wieder, wie in solchem richtigen Sand Pflanzen wachsen können.

Vielleicht kannst Du, wenn Du ein Quartier gefunden hast, und das wäre ab Dienstag übernächster Woche nach meiner Meinung das richtige, ein Brieftelegramm schicken. Denn der schriftlichen Verständigung traue ich nicht so richtig.

Außerdem müsste ich Dir noch meine Ankunft mitteilen, und das würde wiederum vier Tage ausmachen. Unter Umständen. Oder soll ich an dem von Dir festgelegten Tag ohne weiteres eintreffen? Schultzens meinen, dass ich auf jeden Fall in Hamburg übernachten muss. In einem Tag kann ich's nicht schaffen oder ich müsste schon zwischen fünf und sechs hier weg und dann ist noch die Frage, ob ich in Bremen so ohne weiteres weiterkomme.

Weißt Du, ich finde das Leben hier auf dem Berg ja reizend. Hans meint, hier wohnen die wilden Plutokraten sozusagen. Die Feinen mit weniger Geld, aber besserem Benehmen und gepflegten Vorgärten wohnten in Westend.

Das spätere Schultzsche Haus steht aber dann am höchsten in Stettin. Es liegt hoch oben am Berg. Du kannst Dir ja eine Vorstellung davon machen.

Mein lieber, liebster Mann, ich gebe Dir viele Küsse, zuerst auf die Haare, dann ein paar lange auf den Mund und welche an den Hals.

Thea gratuliert ebenfalls, und Hans würde es bestimmt tun, wenn er da wäre.

Deine Lotti