Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 28. August 1942

den 28.8 .42

Liebster Mann!

Eine Stunde am Sonntagmorgen gehört immer Dir. Es ist so die Zeit zwischen elf und zwölf, und das war auch schon so, als Du noch da warst. Heute morgen lag auf dem Kaffeetisch ein Brief von Dir, und dann ist es erst richtig Sonntag. Es ist mies, wenn keine Post da ist.

Dass Du nicht sofort zum Arzt gehen kannst, hatte ich mir mittlerweile auch schon selber überlegt, weil mir auch der Grund eingefallen war. Aber hinterher tust du es dann bestimmt, nicht?

Es ist schön, dass ich mir jetzt alles vorstellen kann, z.B. Deinen Spaziergang am freien Nachmittag. Ich habe doch jetzt eine Vorstellung vom Jeverer Wald. Du hattest viel Zeit, an Dich und mich zu denken. Es ist direkt schade, dass der andere Teil nicht weiss, was der eine gedacht hat.

Wir warten hier sehr auf ein Gewitter, das Abkühlung in diese Schwüle bringen soll. Es ist heute zwar nicht mehr so doll heiß wie gestern, aber immerhin. Die Kinder waren natürlich im Strandbad. Helga springt jetzt vom Fünfmeterbrett, dem allerhöchsten. Ist das nicht eine Freude für Dich? Eine so tapfere Tochter zu haben? Du musst mal sehen, wenn sie sich fürs Strandbad zurechtmacht. Sie zieht dann hier schon den Badeanzug an und trotz der Hitze den hübschen Bademantel darüber, lässt ihn vorne aufstehen und zieht, die Hände in den Taschen, dann los. Das findet sie scheinbar sehr elegant und ist nicht davon abzubringen. Hatte ich Dir geschrieben, dass Heidi jetzt auch sehr niedlich schwimmt?

Ach, und dann will ich Dir sagen, was ich Dir eigentlich bis zu Deinem Urlaub verheimlichen wollte. Helga hat jetzt Klavierstunde. Ich habe mich doch entschlossen, sie ihr geben zu lassen. Ich muss dann eben an anderer Seite sparen. Aber Helga ist so begabt, und die Schule nimmt sie so wenig in Anspruch. Sie fasst auch hier sehr leicht auf und ich möchte doch, dass bei ihr das Verständnis für gute Musik geweckt wird. Es ist Dir doch recht? Aber wir haben jetzt, wo die Kinder größer werden, ja auch die Verpflichtung, ihnen eine ihrem Stand und ihren Fähigkeiten entsprechende Ausbildung zu geben. Ich hatte eigentlich vor, Dir nichts zu sagen und sie dann Weihnachten Liedchen spielen zu lassen.

Gestern war ich bei Frau Hillenbrand zum Kaffee. Ich hatte dort ihren Bruder kennengelernt, kennst Du ihn? Er ist zwar erst 25 Jahre, aber sehr männlich und schön. Frau Hillenbrand hatte mir nicht zu viel von ihm erzählt. Er ist der Typ des Deutschen Offiziers. Ich hatte schon öfter Briefe von ihm gelesen, die weit über den Durchschnitt sonstiger Briefe hinausgehen, dabei sind sie durchdrungen von einem starken Ethos. Aber das Schöne für Dich, Pappi, weil Du sowas so gerne hörst, Frau Hillenbrand sagte mir heute morgen, ihr Bruder sei begeistert von mir, sie wolle

es mir doch sagen, weil wir in unserem Alter gerne sowas hören. Ich sei jung und anmutig und klug und dabei von natürlichem Wesen. Ich freue mich auch immer, wenn ich so etwas höre, und wundere mich jedes Mal von neuem.

Ich habe doch nun eigentlich solche Sachen viel gehört, und kann und kann mir nicht vorstellen, dass ich in dieser Beziehung viel wert bin Das werde ich auch wohl nie werden. Im Gegenteil, ich hatte an dem Nachmittag mal wieder das Gefühl: Mit Dir ist doch nicht mehr viel los und hatte seine öfteren beobachtenden Blicke gerade ins Gegenteil gedeutet. Ach, hab mich lieb. Ich brauche das so.

Was sagst Du zu Elli und Hermann? Nun warten sie doch nicht, bis der Krieg aus ist. Das würde ja auch etwas länglich unter Umständen. Ich habe ein Telegramm geschickt, aber leider wird das erst als Brieftelegramm morgen ankommen. Glückwunschtelegramme werden nur noch so befördert und dann auch nicht als Schmucktelegramm. Schreibst Du ihnen auch? Vielleicht rufe ich sie nachher noch an.

Jetzt will ich noch Mutter schreiben. Fortsetzung folgt morgen, liebster Pappi,. Übrigens, wir haben mittlerweile über 40 Pfund Bohnen im Fass. Wir haben sie so droppweiss bekommen und eingemacht. Aber teuer ist alles!!!

Eben sagt Fräulein Hunscheidt am Telefon, dass Helga ihr sehr viel Freude macht. Sie hat ein sehr gutes Gehör.

1000 Küsse,
Deine Lotti