Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10.Oktober 1942

den 10.10.42

Liebster Mann,

dies sollte nun ein schöner Sonntagsbrief werden und nun habe ich mich über das Schreiben des Landratsamtes, das ich beilege, so aufgeregt, dass ich fast kopflos bin. Siehst Du, ich hatte es Dir doch gesagt, dass die Einkünfte aus Verdienst abgezogen werden. Ich bin verzweifelt, denn woher soll ich nun all das Geld nehmen, um die Abzahlungen zu machen. Der ganze Verdienst wird mir nämlich jetzt vom Unterhalt abgezhogen werden und wenn sie es in Raten machen.

Wenn ich nun nicht umgehend die Verwaltung niederlege, werden mir auch von denen die monatlichen Einkünfte abgezogen werden und dafür muss ich mich nun damit rumärgern. Ich bin so verzweifelt, so ausser mir, denn woher soll ich all das Geld nehmen und wie soll ich von jetzt ab mit den Kindern leben und wie soll ich die Abzahlungen nach Kassel machen? Ist es möglich, dass Du kommen kannst, um die Angelegenheit zu regeln? Du weißt doch, dass ich kein Geld habe und dass ich den Familienunterhalt dringend zum nötigsten Leben brauche. Was soll ich tun, wenn mir der nun noch gekürzt wird?

Harald, ich gehe auf keinen Fall aufs Landratsamt. Ich bin nicht wortgewandt und anschreien werden sie mich voraussichtlich auch, weil die Nebeneinkünfte nicht von Anfang an gemeldet waren. Ich bin auch nicht juristisch geschult, um irgendeinen Ausweg da durchzufechten, damit die Leute einsehen, dass ich das Geld notwendig zum Leben brauche. Aber wenn ich nicht gehe, werden sie mir höchstwahrscheinlich vom Ersten ab den Unterhalt sperren. Harald, Du musst unter allen Umständen versuchen, ein paar Tage zu kommen,, entweder, um die Sache dort durchzukämpfen oder um die Verwaltungen sofort abzugeben. Denn unter diesen Umständen behalte ich sie nicht mehr. Wieviel Tränen haben sie mich schon gekostet, wie viel Ärger und Aufregung, und das alles, um nun vielleicht Hunderte von Mark abzugeben. Denn sie schreiben ja, dieses Einkommen muss angerechnet werden.

Harald, sei nicht böse, wenn ich nichts weiter schreiben kann. Ich bin fast kopflos vor Entsetzen, so vielleicht

vor dem Nichts zu stehen und nur der Gedanke, dass Du sicher weißt, was zu tun ist, tröstet mich etwas.

Stelle Dir blos vor, wie ich

Glaubst Du nicht auch, dass ich in Bonn verraten und verkauft bin, wenn ich vor denen stehe? Und was soll ich um alles in der Welt für Belege mitbringen? Die machen mit mir ja den Aap und machen mich kurz und klein. Ich gehe da nicht hin. Aber wovon soll ich dann am Ersten leben?          

Deine Lotti.