Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 21. November 1942

den 21.11.42

Mein lieber, nicht gekommener, nicht schreibender und wo steckender Mann! Ich hatte nun die ganzen Tage nicht geschrieben, weil ich nach Deinen Briefen annahm, dass Du am 16. kommen würdest, und nach dem letzten, dass es später sein würde. Ich habe also vom 16. ab jeden Tag gewartet und deshalb auch nicht geschrieben, weil man keine Lust hat, wenn derjenige, dem sie gelten, den Augenblick vor der Türe stehen kann. Und nun weiß ich noch immer nicht, woran ich bin. Krank wirst Du doch nicht sein?

Und für Zulassungsmarken wird es jetzt auch Zeit. Hast Du übrigens das Päckchen mit dem Fotoapparat bekommen?

Hier laufen die Tage einer wie der andere dahin, und die Kleinen leben schon ganz in der Erwartung auf das Weihnachtsfest.

Ich würde mich doch an Deiner Stelle mit dem Gedanken vertraut machen, zumindest ein paar Verwaltungen abzugeben, wenn sie angerechnet werden. Rau und Mathieu ist und bleibt mein Sorgenkind. Gestern bekomme ich eine Rechnung von Beerenrath über Mk. 168.- Reparaturen (Heizung, Wasserrohrbrüche am laufenden Band) im vergangenen Jahre im Hause Karl-Finkelnburgstrasse 18. Ich bin auf den Rücken gefallen und hatte überhaupt keine Ahnung, dass derartige Aufträge gegeben waren. Dann kam eine Rechnung von Ungerathen über 40.- Mk. Aufzugsroller im selben Haus. Frau Wolff wird sehr selbstständig.

Was mache ich mit den Hauszinssteuerablösungen? Aber das kann ja alles gemacht werden, wenn Du kommst.

Liebster Mann! Es ist so wunderschön, für die Kinder zu Weihnachten zu sorgen. Ich kriege so langsam so allerlei schöne Sachen zusammen, und das Schönste ist, ich brauche fast kein Geld dafür. Die Puppen werden in Ordnung gebracht, die Wickelkommoden ebenfalls. Die richte ich ihnen diesmal vollständig ein. Dann wird der Kaufladen ebenfalls schön hergerichtet - ich backe kleine Kuchen in sauberen Schuhwichsdosen und verziere sie, forme kleine Marzipankartoffeln, weil ich einen kleinen alten Korb gefunden habe - und richte ihn mit allerlei, was mir so einfällt, ein. Dann hatte ich ja damals von Lindes ein Puppenservice bekommen, und dann wird am ersten Feiertag eine Puppentaufe veranstaltet mit Kuchen und Kaffee am Kindertisch. Für Jürgen habe ich einen Hampelmann bekommen und für Helga oder Heidi einen Knetkasten (Beides bei Dreesbach auf Kleiderkarte) und bei Linz für die

Großen Bücher. Für die Ursel habe ich das Wurzelmännchenbuch, das Du voriges Jahr mitgebracht hattest. Einen Adventskalender kriegen die Kinder auch. Kaufen kann man ja keine, aber ich befestige an einem goldenen Band 24 kleine Briefumschläge (wir haben ja so viele von den Geschäftskarten und stecke in jedes etwas rein, ein kleines Bildchen oder fünf Mandeln oder Rosinen oder die Zweigelchen mit Lametta, für jeden etwas anderes. Und dann wird jeden Tag mit einer Schere, die ich danebenhänge, selbstverständlich auch mit einem goldenen Band, ein Briefchen abgeschnitten. Und mit Helga und Heidi kann ich schon zweistimmig singen, das wollen wir dann auch üben.