Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 10. Juni 1943

den 10.6.43

Mein lieber Mann!

Sage doch einfach: Ich tue meine Pflicht, und alles andere kann nicht an meine inneren Bezirke. Was nützt es, wenn Du in eine solche Stimmung gerätst wie in dem heutigen Brief? Du bist nun mal Soldat und hast das Los des Landsers zu tragen, und wie Dir geht es Millionen anderen. Da kann es dann nur drauf ankommen, wie man sich persönlich damit abfindet und so, daß0 auch diese Zeit mit an ihm formt, trotzdem und trotz allem zum Besseren. -

Ich schreibe wahrscheinlich Blödsinn, aber vielleicht verstehst Du, wie ich es meine. Man soll, in welche

Lage man auch kommt, so handeln, dass man vor sich bestehen kann. Auch wenn einem manchmal die Galle überlaufen kann. Das wird ja wohl noch mehreren so gehen, die in einem Abhängigkeitsverhältnis stehen, nicht nur bei den Soldaten. Und auch den langen Dienst trägst Du wohl nicht allein Es muss wohl augenblicklich so sein und ist vielleicht nötig. Wir erleben nun mal 'die große Zeit' und müssen mit Anstand hindurch. Giften hilft gar nichts, sondern hemmt noch, was doch nicht geändert werden kann. Wer weiß, was noch alles auf uns wartet.

Und freue Dich, dass Du einen Winkel in Deinem Herzen hast, an den alle Schikanen und aller Ärger mit den Vorgesetzten nicht dran kann und darin ist die Erinnerung an eine Frau, die Dich

lieb hat, auf die Du Dich verlassen kannst und die mit Dir durch dick und dünn geht and an Deine fünf Kinder.

Vielleicht kann ich auch nun gute Lehren geben, weil ich den Ton bei Euch nicht kenne, vielleicht habe ich auch recht, ich weiß es nicht. Bloß werde nicht bockig, ihr seid doch die Dummen.

Hansens Brief war reizend, findest Du nicht auch? Und unsere Heidi ist schlagfertig.

Gefroren haben wir hier auch bei 14 Grad in den Zimmern. Geheizt haben wir auch nicht, weil wir unsere Kohlen lieber sparen wollen. Ich traue dem nächsten Winter darin nicht.

Nun ist bald Pfingsten mit Kuchenbacken und Festbraten. Beides ist noch ein Rätsel. Wir sind mit den Fleischmarken nicht zurechtgekommen, wir haben uns noch nicht an

die fehlenden 100 bzw. 800 Gramm in der Woche gewöhnen können. Und für die Kuchen fehlen Fett und Zucker. Trotzdem wird es irgendwie, bis morgen wird mir ja wohl was einfallen.

Den anderen Brief schreibe ich Dir noch. Die Wäsche ist auch abgeschickt. Lass sie bloß nicht so dreckig werden. Mit dem Fliegerhemd hatten wir eine tolle Arbeit, und trotzdem sind nicht alle Schmutzstreifen raus. Wie macht Ihr das bloß?

Kuss, Kuss, Kuss,
Deine Lotti

Den Brief habe ich eben schon geschrieben. Aber bitte „die Sache nicht auf die Spitze treiben“. Wenn eben Urlaubssperre ist, so ist sie. Nun musst Du aber nicht denken, dass ich gleichgültig bin, nur möchte ich nicht, dass Du aus irgendeiner Verärgerung raus was tust, was Deine Vorgesetzten herausfordert.