Charlotte Endemann an ihren Mann Harald, 16. August 1943

den 16.8.43

Liebster Mann!

Heute morgen kamen Deine beiden sorgenvollen Briefe, aber ich nehme an, daß Du heute, wenn nicht schon gestern, meine Post bekommen hast. Hatte ich Dir schon geschrieben, dass auch die Beethovenhalle betroffen ist? Und verschiedene Kliniken? Am Burgberg müssen auch Blindgänger liegen, denn die Omi wollte gestern auf den Friedhof und konnte nicht, weil abgesperrt.

An irgendeine Evakuierung denke ich nicht. Ich meine bald, es hat keinen Zweck, irgendwohin auszureisen, denn die Flieger kommen ja überall hin. Man muss sich schon auf sein Glück verlassen, dass man verschont wird. Wenn natürlich das Haus zerstört würde, müsste man ja gehen. Da das, was Du meinst, in Bonn nicht getroffen worden ist, werden wir ja wohl nochmal Angriffe erleben. - Die Kinder haben sich aus dem Angriff verblüffend wenig gemacht. Sie waren übrigens alle nicht zu Hause, sondern in Schule und Kindergarten. Sie werden auch nur bei Voralarm nach Hause geschickt, bei richtigem wie in diesem Falle nicht. Außerdem kamen Alarm und Flieger so ziemlich zusammen.

Paps, ich lege dir hier 10.- Mk. bei, damit Du nicht ganz so nackt und bloss dasitzt. Schreibe mir aber bitte, ob das Geld angekommen ist. Die Post scheint auch reichlich durcheinander zu gehen. Du hast also zuerst meinen zweiten Brief bekommen. Mir geht es mit Deinen Briefen genauso. Ich bekomme Briefe, die zwei Tage und darin wieder welche, die fünf und mehr Tage alt sind.

Ich freue mich auf Deinen Urlaub, aber wenn Du Wert darauf legst, nimm ihn nicht nach dem 20. September, lieber vorher, lieber Pappi. Vielleicht zwischen dem 15. und 20.

Du fragst, wie Klaus sich in der Schule macht. Er hat sie,

glaube ich, schon über und trägt unter der Last der Schulaufgaben. Es ist aber auch schon sehr anstrengend, eine ganze Tafel voller Querstriche oder Kreuzchen zu machen. Sie haben immer zwei Reihen davon auf. Aber der Lehrer sagt, wer faul ist, macht zwei Reihen, und wer fleißig ist, eine ganze Tafel voll. Nun malt er doch bedächtig die ganze Tafel voll, während Günther Düren nicht zu bewegen ist, auch nur eine Reihe mehr wie vorgeschrieben zu machen. Dafür ist der wieder fixer.

Ich muss gleich in die Stadt, weil aber so schönes Wetter ist, habe ich mich recht hübsch dafür gemacht, trotzdem ich hauptsächlich einen Berg Schuhe wegbringen muss. Aber ich hole mir auch ein Leihbuch für heute abend.

Die Sonne scheint, aber trotzdem hat man heute zum ersten Mal die Ahnung des Herbstes. Jetzt kommen diese klaren, sonnigen Nachmittage, die man besonders genießt, weil es auf den Herbst zugeht. Wir haben den Kaffeetisch auf der Veranda gedeckt. - Übrigens habe ich vorgestern meine Kohlen bekommen. Viele, viele liebe Grüße und Küsse

Deine Lotti