Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 11. Dezember 1940

Amsterdam, den 11.12.40

Mein liebes Lottenkind,

halloh war das ein Haufen Briefe. Dafür bekommst Du einen besonders lieben Kuss. Es ist nur ein Jammer daß durch alles der Geschäftskrampf wie ein roter Faden geht. In deinen persönlichen Briefen bade ich mich richtig gesund. Briefe sind soooo nötig mein liebes Lottenkind, denn sie sind Aufrichtung, Hoffnung, Freude und Liebe. Dem gegenüber steht so viel Erbärmliches, ekelhaftes, tierisches (?) . Der Durchschnittssoldat ist ein Tier. Er frisst, säuft und benimmt sich gegen sich und andere wie ein Schwein. Die Löhne wird mit ekelhaften Hafendirnen versoffen. Die herrlichste Armee der Welt ist ein Sauhaufen. Ich verstehe jetzt alle Härten des Dienstes, denn die Kanaille muss gebändigt werden. Was hier ein Brief von Hause bedeutet, kannst Du vielleicht ermessen. Hänschen schreibt mir auch treu. Sie ist ein famoser Kerl und es gibt nur wenige Menschen, denen ich mich so verwandt fühle.

Heute hat es Moos gegeben und ich habe wieder ein Paketchen in Marsch gesetzt. Lotting, ich hätte es gern weihnachtlich aufgemacht , aber ich habe nichts, womit ich das könnte. Also denk Dir was dabei. Dass mein letztes Päckchen Dir Freude gemacht hat, freut mich noch mal. Passen die Strümpfe? Frag doch mal die Mutter, ob sie nicht Geld schicken kann. Ich verjubele es bestimmt nicht sondern kaufe nur Sachen, die Ihr dort nicht mehr bekommt!

Um den Urlaub kämpfe ich wie ein Löwe. Ich bin ja auch nicht auf den Mund gefallen. Es muss klappen. Ich werde

 

hier auch zu einseitig. Wenn wir hier ernsthaft eingesetzt würden, wüsste man wenigstens, warum man hier wäre, aber so. Es ist zum Kotzen.

Wir machen hier Lockerungsübungen, räumen Zimmer um, wickeln Weihnachtskränze und s.w. und bei Euch steht der Laden still. Mit der Buchführung mach Dir keine Sorge. Buche Eingänge wie bisher nur auf dein Maklerbuch und sammele die Ausgabebelege und lasse Quittungen, soweit sie nicht Verwaltungen betreffen auf deinen Namen schreiben. Alles andere mache ich.

Wegen der Steuer fahre nochmals persönlich nach Bonn. Und frage den Beamten, was er sich eigentlich denkt. Ratenzahlungen von der Unterstützung kommen gar nicht in Frage! Hörst Du! Das gibt es nicht. Frau und Kinder dürfen nicht darben, weil der Mann eingezogen ist. Das wäre ja noch schöner. Wenn ich in G. geblieben wäre, wären die Steuern aus den Erträgnissen des Geschäfts bezahlt worden, wie wir das alle Jahre gemacht haben. Wenn sie nicht wollen, dann lass ruhig pfänden und schicke mir den Pfändungsbeschluss, dann schlägt es ein. Ich habe eine Sauwut. Spanne auch ruhig den R.d.F. Ein. Aber keine Ratenzahlungen! Deine Briefe vom 6.7.8. kamen heute alle auf einen Schlag an es war ein ganzer Haufen. 2. 3. 4. und fünfmal gelesen werden aber nur die persönlichen. Ach Lotti, wie wären die Briefe schön wenn nicht der Geschäftskram dabei wäre. Nun schlaf mal wieder ruhig, mein Süßes, ich komme ja, und mache den Mist in Ordnung. Du bist doch mein tapferes Frauchen. Wenn Pappi kommt ist alles nur halb so schlimm. Ach mein Kind ich habe Dich ja heute nötiger wie je im Leben. Und wenn ich komme, will ich kein abgespanntes, versorgtes Frauchen finden. Olles Dummerchen!

Dein Pappi