Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 15. Dezember 1940

Amsterdam, den 15.12.40

Mein süßes Lottenkind,

ich sitze gestern und heute ohne Post von Dir und bin herzlich unglücklich darüber. Deine Briefe gehören einfach zu meinem Leben hier und ich kann sie schlechter entbehren wie essen und trinken. Ganz besonders am Sonntag. Ich war daher sehr betrübt und habe mich auf eine Bahn gesetzt und bin nach Valendam gefahren. Das war ein wahrer Gesundbrunnen, der Blick auf die Meeresseite, die scharfe Briese (!) Und die entzückenden kleinen Fischerhäuschen und das herzlichen Volk. Lotti, ich habe noch kein Stückchen Erde gesehen, wo Land und Volk so eins sind wie gerade hier. Ein selten schöner Volksschlag in einer geradezu fantastischen Tracht. Männer mit herrlichen Körpern und wundervollen, harten, charaktervollen Seemannsgesichtern und Frauen – Lotti einfach süß. Entzückende, frische Gesichter sehen froh und frisch unter den kleinen Spitzenhäubchen hervor. Nichts von den prallen Holländerinnen, wie man sie manchmal in Deutschland sah. Schlank und rank sind sie geradezu Idealgestalten. Ich bin richtig fröhlich geworden. Ich bin auch in einem Fischerhaus dringewesen – ein kleines, süßes Museum. Nur ein Raum. Betten in der Wand. Kamin mit herrlichem Kupfergeschirr, alles blitzte. Nicht von Ablehnung, nur Natürlichkeit und frohe Unbefangenheit. Es war ein reiner Segen, dass ich das gerade heute erleben durfte, wo ich so traurig war. Ich bin jetzt wieder froh und freue mich auf deinen Brief morgen.

Mit dem Urlaub ist es ein blöder Krampf. Ich komme wahrscheinlich am 20. oder 21. dort an. Wie das weiß der Himmel. Wenn die Mütter glauben, ich wäre ruhebedürftig, so sind sie schwer auf dem Holzweg. Ich bin springlebendig, ausgeruht, vorzüglich gefüttert und nur ausgehungert im Bezug auf das Leben. Ich muss nur Dich, die Kinder und Arbeit haben, dann ist alles in Ordnung. Möglich, dass ich nach der Reise ein paar Stunden Schlaf brauche, dann bin ich da. 100 %ig.

Sind meine Päckchen angekommen? Habt Ihr Euch gefreut? Hoffentlich kommt alles gut an. Das Geld wird hoffentlich rechtzeitig ankommen, sonst wird es faul.

Heute vormittag sind wir in den Film geführt worden: „Das Herz der Königin“. Ich habe immer an Dich denken müssen. Birgels war – so fand ich –, teilweise fehl am Platz.          

   Einen ganz lieben Kuss bekommst Du von mir, mein Süßes

                                                                                         Dein Mann.