Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 22. Januar 1941

Schiphol ,den 22. I.41

Mein liebes süßes Frauchen,

es hat so sehr lange gedauert, bis ich von Dir Post bekam. Die alberne Geschichte, dass keine Feldpostnummer für mich zuständig ist, kostet so viele schöne Tage. Aber das wird jetzt anders. Ich bekomme hier eine Feldpostnummer, wenn auch nur für etwa einen Monat. Dann kommen wir nämlich nach Bergen zurück, da der Stab vorgeschoben wird.

Einen so lieben Brief, wie Deinen vom 3. Januar habe ich, glaube ich, noch nie von Dir bekommen. Ich habe mich richtig an ihm erwärmt. Das Glück dieser 5 Tage schwingt auch in mir immer noch nach. Ich habe es früher nie für möglich gehalten, dass man einen Menschen sooo lieb haben kann.

Ich bekam deine Briefe vom 3. und 4. I. Erst vor 3 Tagen und dann sofort den vom 15.I.

Hinterher. Da müssen aber noch Briefe fehlen, denn von Heidis Mandeln hatte ich keine Ahnung. Was war denn los?

Mit Schulzen das ist ja sehr traurig. Der

arme Hans! Wie mag er sich quälen. Hat er denn (von seiner offenen Tb) nichts gemerkt? Ich halte es nun für sehr wichtig, dass Helga und Heidi nochmals mit Tuberkulin behandelt werden. Die kleinen Wesen sind doch sehr empfindlich und offene Tuberkulose ist sehr ansteckend. Bitte erzähle den Fall Dr. Monar (=dem Kinderarzt) und bitte um Untersuchung, sonst habe ich keine Ruhe.

Mein Dienst hier ist sehr vielseitig. Ich habe da keine Zeit mehr. Sogar den ganzen Sonntag machen wir durch. Ich habe noch keine Stunde frei gehabt und bin infolgedessen auch noch nicht in dem nahen Amsterdam gewesen. Ich habe mir aber doch vorgenommen jetzt wieder häufiger zu schreiben und wenn es in ruhigeren Dienststunden (unleserlich), denn ich bekomme doch selbst viel zu gerne Post, um nicht zu verstehen, dass Du auch von mir hören willst. Du hälst (!) mich dann auch nicht mehr so knapp, nicht wahr? Du hast es bestimmt leichter mit dem Schreiben wie ich, denn die Kameraden verstehen garnicht, dass man öfter mal das Bedürfnis hat, einen Brief zu schreiben.

Es sind eben alles junge Stunde. Mit dem Dienst wird es wohl bald besser werden. Er ist jetzt vor allem deshalb so stramm, weil unser Unteroffizier schon über eine Woche wegen Krankheit ausfällt, sodass wir seine Arbeit miterledigen müssen. Nachdem wir einen 2. Feldwebel in unsere Villa aufnehmen musste(n) , schlafe ich jetzt mit unserem netten Unteroffizier auf einer Bude und zwar in herrlichen Offiziersbetten. Du glaubst garnicht was das für eine Wohltat ist gegen den Gottverfluchten letzten Strohsack, den ich hatte. Alle Beschwerden sind jetzt weg, die ich durch dieses Ding bekommen hatte.

Es war hier bitterkalt , sodaß der weite Weg von der Unterkunft bis zum Gefechtsstand zur Qual wurde. Vor allem die Ohren taten den ganzen Tag auch nachher im geheizten Raum noch weh. Jetzt ist seit gestern ein schrecklicher Matsch und eine scheußliche Kälte.

Vor ein paar Tagen habe ich etwas schrecklich Komisches gesehen, worüber Du schadenfrohes Geschöpf bestimmt Tränen gelacht

hättest. Vor unserem Gefechtsstand ist ein etwa 25 m breiter Kanal, der natürlich dick zugefroren ist. Auf ihm laufen die Holländer aller Altersklassen Schlittschuh. Ich sehe eines Tages zum Fenster raus und sehe vom Weiten etwas komisches ankommen. Ich kam zuerst garnicht klar waren es Männer oder Frauen. Ich rief unseren Feldwebel ans Fenster und dann sahen wir schließlich, dass es 3 Mönche waren, die hintereinander auf Schlittschuhen angewetzt kamen. Es war ein unbeschreiblich komisches Bild. Wir sahen mit hellem Vergnügen zu, wie die 3 seltsamen Gestalten angeschlittert kamen. Da, gerade vor unserem Gefechtsstand tut es einen Krach und der 1. sitzt bis an die Arme im kalten Wasser. Am Tag vorher war dort Eis gehackt worden. In der Nacht war die Stelle, die nicht bezeichnet worden war, wieder dünn zugefroren und nun hing der Diener Gotte in der kalten Brühe. Seine Kameraden von der VatikanSA hatten gerade noch Zeit im Bogen um die Unglücksstelle herumzurutschen. Sie halfterten ihren Bruder dann wieder raus, schnallten aber sofort die Schlittschuhe und zogen unter dem Jubel der Lanzer(!) bedröppelt ab. Es grüßt dich herzlichst                                          

Dein Harald