Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 30. Januar 1941

Schiphol, den 30. I. 41

Mein liebes Lottenkind,

welch ein Briefsegen ist über mich niedergegangen! Es war herrlich. Walter Lichtschlag, der nach hierher versetzt worden ist, brachten 11 Briefe mit davon allein 9 von Dir. Dazu noch 2 mit der Post. Es ist wie im Himmel. Mein liebes Lottenkind, was für herzliche Briefe sind unter Deinen! „Ein rotleuchtendes Licht – und Schattenspiel“ ja das waren die Tage , so sind sie auch in meinem Herzen eingegraben. Lotti, ich erlebte nach achtjähriger Ehe und in meinem 37. Lebensjahr die herrlichsten Stunden der Liebe, denen nur Köln nahe kommt. Ist das nicht herrlich, dass es immer noch eine Steigerung gibt!

Heute ist unser Hochzeitstag, mein Liebling, und ich schreibe heimlich und habe deshalb alle Mühe meine Gedanken zu konzentrieren. Das ist sehr schade dein Brief mit der Post an meine neue Feldpostnr. Hat knapp 2 Tage gebraucht bis er mich erreichte, das ist ja erträglich. Gestern wollte ich schreiben, aber es gab zur Abendverpflegung eine Flasche Wein und die hat die Gemüter so erregt, dass keine Möglichkeit bestand zu schreiben. Es wurde einfach nicht geduldet. Leider habe ich mein gemütliches Stübchen , wo ich mit Unteroffizier Lucht zusammenwohnte, aufgeben müssen. Ich schlafe jetzt wieder bei einem größeren Haufen, aber W. Lichtschlag ist dabei und mein schönes Bett habe ich mitgenommen. So ist es doch noch ganz nett.

Heute abend feiere ich mit Dir Hochzeitstag und schreibe Dir einen langen Brief.

Ich weiß nun, woran Heidi operiert worden ist und daß alles gut gegangen hat, aber warum die Operation hat vorgenommen werden müssen, weiß ich immer noch nicht. Es freut mich gerade für Heidi, dass das neue Schuljahr erst im Herbst anfängt. Sie ist nämlich m. E. Noch nicht schulreif. Wie ist es mit ihren Polypen? Hat sie welche, oder hatte sie die sogenannte 3. Mandel?

Dass du mit Frau Holtmann und Frl. Schmitz in Berührung gekommen bist, freut mich, ich fand Frau H. Doch auch immer reizend. Nun hast Du bald nur noch mit Südamerikanern zu tun. Grüße die ganze Gesellschaft von mir. Grüße auch das ganze Haus. An Mutter schreibe ich heute abend auch.

Dich nehme ich heute ganz besonders herzlich in den Arm und gebe dir einen langen, langen

   Kuss ----------------------------------------------------------------------------- Dein Harald