Harald Endemann an seine Frau Charlotte, 18. März 1941

B. 18. III.41

Mein süßes Frauchen,

Heute scheint wieder die Sonne. Es ist zwar noch recht kalt und nachts friert es noch, aber man spürt doch den kommenden Frühling. Die Vöglein ahnen ihn auch und begrüßen ihn mit frohem Schlag. Früher habe ich mich an ihrem Konzert summarisch erfreut, aber Wilhelm Lichtschlag duldet das (als Hobbyornithologe) nicht. Er ist Orthniologe und verlangt von mir, dass ich jede Vogelstimme erkenne und ihren Sänger dazu. Na, warum nicht. Wilhelm interessiert es mehr als der ganze Krieg.

Die Sonne macht mich richtig ungeduldig. Ich möchte ans Meer und mal richtig Seeluft atmen, aber da der Wind von Osten weht, tröste ich mich damit, dass ja doch nur Landluft wäre.

Die Hauptarbeit, die auf mich nach dem Urlaub wartete, ist trotz meiner Krankheit fast geschafft, aber es blieb dann auch gar keine Energie mehr über. Aber nun ist sie wieder da und ich habe mit Math. Möhring (von Fontane) angefangen und freue mich wie am ersten Tag an der meisterhaften Schilderung dieses kleinstädtischen berliner Bürgertums.

Eben sangen Gründgens und die Hildebrandt im Radio – wir haben eins auf dem Gefechtsstand – „Ach Gott, wie sind wir vornehm.“ War das entzückend blasiert. Hast Dus mal gehört?

Lotting, mit der Stöhnerei über den Urlaub musst Du es nicht so genau nehmen. Man schreibt schon mal so was. Du kannst ganz bestimmt nichts dafür. Wenn den Urlaub

einer versaut hat, dann war ich es ganz allein, denn wenn ich meine Sachen früher besser in Ordnung gehalten hätte, machten sie jetzt nicht so viel Arbeit. Alles rächt sich eben im Leben.

Dein Paketchen ist auch angekommen und ich hab mich über den Mörike sehr gefreut, auch über die Seife, und ich habe gleich anständige gekauft, die ich Dir schicken werde.

Morgen steigt wahrscheinlich meine Gefreitenfeier, die wegen meiner Krankheit bisher aufgeschoben wurde.

Ich bin in Gedanken immer bei Dir mein süßes Lottenkind

In der Liste der Münchn. Lesebogen habe ich einige angestrichen, die Du gelegentlich beilegen kannst.